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PolitikAsien

Iran und Pakistan: Afghanische Geflüchtete nicht willkommen

Zia Ur Rehman | Shabnam von Hein
2. Oktober 2023

Millionen Afghaninnen und Afghanen sind vor den Konflikten in ihrer Heimat in die Nachbarländer geflohen. Dort aber werden sie oft zum Sündenbock für interne Probleme.

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Pakistan Kinderarbeit von afghanischen Flüchtlingskindern
Viele Flüchtlingskinder im Iran oder in Pakistan werden als billige Arbeitskraft gesehenBild: DW

Laut Angaben des Flüchtlingswerkes der Vereinten Nationen, UNHCR, leben mehr als fünf Millionen Afghaninnen und Afghanen in den Nachbarländern. Davon sind aber weniger als 2,2 Millionen als Geflüchtete registriert. Die anderen afghanischen Geflüchteten haben wenig Hoffnung, als Geflüchtete anerkannt zu werden. Aus Angst, verhaftet und abgeschoben werden, scheuen sie sich vor der Registrierung. Sie versuchen außerhalb ihrer krisengeschüttelten Heimat auf illegalen Wegen ein besseres Leben zu finden.  Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 ist die Zahl der nicht registrierten Geflüchteten - vor allem im Iran und Pakistan -  deutlich gestiegen.

Dem UNHCR zufolge befinden sich insgesamt mehr als 3,7 Millionen Afghanen allein in Pakistan. Von ihnen sind aber lediglich 1,3 Millionen offiziell registriert. Die anderen "illegalen Flüchtlinge" leben in ständiger Angst.

Laut Menschenrechtsorganisationen werden sie immer wieder Opfer von willkürlichen Verhaftungen und Repressalien. Die pakistanische Menschenrechtsanwältin Moniza Kakar bestätigt im Gespräch mit der DW, dass es in den letzten zwei Jahren mehrere Wellen von Verhaftungen und Repressionen gegen afghanische Geflüchtete in Pakistan gegeben habe. Kakar unterstützt afghanische Geflüchtete in der pakistanischen Metropole Karachi bei rechtlichen Problemen. "Nach jeder Krise in der Beziehung zwischen Pakistan und Afghanistan gibt es Razzien gegen Geflüchtete", berichtet die Juristin.

Geiseln der politischen Großwetterlage

Ende September beschloss die Regierung in Islamabad, alle ausländischen Staatsangehörigen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land aufhalten, zwangsweise auszuweisen. Diese Entscheidung erfolgte als Reaktion auf einen Angriff auf pakistanische Sicherheitskräfte in der nordwest-pakistanischen Grenzregion Chitral. Zu dem Angriff in Chitral hatte sich die extremistische Gruppe Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP) bekannt, die vermutlich ihre Basis in Afghanistan hat. Bei dem Überfall sollen nach Angaben der pakistanischen Armee am 6. September 12 Terroristen und vier Soldaten getötet worden sein. Die TTP hat ihre Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 intensiviert. Von den afghanischen Taliban vermittelte Friedensgespräche zwischen Pakistan und der TTP konnten die Gewalt nicht beenden

Nach jedem derartigen Angriff steigt die Angst unter den afghanischen Geflüchteten in Pakistan. "Normalerweise werden Geflüchtete ohne Visum oder gültige Ausweisdokumente nach Afghanistan abgeschoben", sagt Rechtsanwältin Kakar. Es komme aber auch vor, erklärt die Menschenrechtsanwältin, dass die Polizei auch Geflüchtete festnimmt, die sich legal in Pakistan aufhielten - nachdem sie zuvor ihre Registrierungspapiere und afghanischen Pässe beschlagnahmt hat.

Farooq Khan, ein ehemaliger afghanischer Polizist aus der Provinz Kandahar, floh zwei Wochen vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 nach Karachi. Inzwischen ist sein Visum abgelaufen; neue Dokumente hat er noch nicht beantragt. Aus Angst vor einer Verhaftung verlasse er derzeit kaum noch sein Zuhause, sagt Khan gegenüber der DW. Er befürchtet, verhaftet und nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden. Dort könne ihm unter der Taliban-Regierung eine Gefängnisstrafe oder Schlimmeres drohen.  

Viele verzweifelte Menschen wie er haben kaum eine andere Wahl, als illegal in den Nachbarländern unterzutauchen. 

Bildergalerie Afghanistan - Flucht zu den Landesgrenzen
Seit der Machtübernahme der Taliban fliehen viele Familien aus Afghanistan Bild: Majid Asgaripour/WANA/REUTERS

Hetze gegen Flüchtlinge im Iran

In den Iran sind seit der Machtübernahme der Taliban geschätzt eine Million Afghanen geflohen. In den letzten Monaten tauchen fast täglich neue Videos in sozialen Netzwerken auf, die große Gruppen von Menschen zeigen, die angeblich zu Fuß die Grenze überqueren. Nicht nur im Internet, sondern auch in den traditionellen Medien häufen sich Berichte über die "wachsende Angst und Ablehnung der Gesellschaft" gegenüber den Geflüchteten. Nach Angaben des iranischen Innenministers Ahmad Vahidi leben fünf Millionen Afghaninnen und Afghanen im Iran. Davon sind nur 750.000 offiziell als Geflüchtete registriert. "Wir werden illegale Flüchtlinge abschieben und das Thema Einwanderung besser kontrollieren", kündigte Vahidi am 27. September bei einer Pressekonferenz an.  

"Eine hässliche Kampagne gegen die Geflüchteten wurde gestartet und es wird versucht, ihnen die Schuld für das Versagen der Regierung in Bezug auf die Wirtschaftskrise zuzuschieben", warnt die Afghanistan-Expertin und Journalistin Jila Bnijayoub am 1.  Oktober auf Twitter. Sie verweist auf Beiträge und Äußerungen von Experten und Medien, die den Hardlinern nahestehen. Ein Beispiel: "Illegale Einwanderer nehmen uns subventionierte Lebensmittel wie Eier, Brot und Milchprodukte weg".  

Dieser Satz stand in einem ausführlichen Artikel, den das den Hardlinern nahestehende Nachrichtenportal Ensafnews Ende Juni veröffentlichte. Darin werden Geflüchtete aus Afghanistan für die Lebensmittelknappheit und die wirtschaftliche Misere des Landes mitverantwortlich gemacht. 

Arme gegen Ärmere 

Fatemeh Ashrafi, die Leiterin einer staatlichen Organisation zur Unterstützung geflüchteter Kinder und Frauen, behauptet sogar, dass afghanische Geflüchtete eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen würden. In einem Ende September in der Zeitung "Shargh" veröffentlichten  Interview sagt sie: "Die Stimmung gegenüber den Geflüchteten hat sich verschlechtert, da wir bereits eine große Anzahl von ihnen aufgenommen haben. Viele Iraner, insbesondere in ärmeren Gebieten, machen sich Sorgen wegen knapper Ressourcen bezüglich Nahrungsmittel, Wohnraum, Bildung und Gesundheitsdiensten. Aus ihrer Sicht sind die neu angekommenen Afghanen für diese Knappheiten verantwortlich." 

Dabei leidet die iranische Wirtschaft seit langem unter einer anhaltenden Krise aufgrund der Sanktionen. Wegen der galoppierenden Inflation melden sich immer mehr Menschen bei kleinen oder großen Stiftungen und bitten um Hilfe. "Ich muss zugeben, dass wir momentan kaum noch Kapazitäten haben, um uns um neue Fälle zu kümmern", sagt Sepideh, die freiwillig eine kleine Stiftung in der Hauptstadt Teheran unterstützt. "Aufgrund der Wirtschaftskrise und der Inflation erhalten wir derzeit deutlich mehr Hilfeanfragen - auch von Menschen, die Vollzeit arbeiten, aber dennoch Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen und beispielsweise die medizinischen Behandlungskosten ihrer Familienmitglieder nicht bezahlen können. Das hat nichts mit den Geflüchteten zu tun." 

Beethovenfest mit Musikern aus Afghanistan