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Iran:<br>Weblogger wissen mehr

Ralf Lehnert22. Juni 2004

Für die jungen Iraner ist das Internet längst ein Fenster in die Welt. Nach dem Wahlsieg der Konservativen fürchten jetzt allerdings viele, dass sich dieses Fenster schließen könnte.

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Iranerinnen surfen im InternetBild: AP

Die Iraner sind Weblog-Fans. Die Webseiten, auf denen Menschen einzeln oder in Gruppen das politische Geschehen kommentieren, haben im Iran in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Ihr Einfluss auf die Gesellschaft ist dabei ständig gewachsen. Vor allem in Krisenzeiten haben sie eine enorme Bedeutung gewonnen. So nutzten während der Studentenproteste im Juni 2003 Tausende Studenten das Internet, um sich über die Geschehnisse zu informieren. Das Internet war der Ort, wo die Proteste vorbereitet und organisiert wurden.

Unmoralische Politik

Das Regime weiß um die wachsende Bedeutung dieser Seiten und versucht, sie mit Hilfe von Filtern unschädlich zu machen. Dass die Behörden im Iran mit unliebsamen Journalisten nicht zimperlich sind, ist bekannt. Doch auch im Internet ist es gefährlich, seine Meinung frei zu äußern. Offiziell zensieren die Behörden das Netz, um die Bevölkerung vor Unmoral zu schützen. Doch sie sind schnell dazu übergegangen auch politische Inhalte zu kontrollieren. Inzwischen ist es leichter, Pornoseiten zu besuchen als Seiten von Reformbefürwortern. Fast 10.000 Seiten sollen innerhalb Irans blockiert sein.

Bisher wurden Internet-"Vergehen" nach dem restriktiven Pressegesetz verfolgt. In Zukunft soll es ein spezielles Internetgesetz geben, wonach die Kritik am Regime und seinen Vertretern streng verboten ist. Auch das falsche Zitieren des geistigen Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Khameini, oder des verstorbenen Ayatollahs Khomeini steht unter Strafe.

Schikane vor der Wahl

Besonders vor den Parlamentswahlen im Februar 2004 sah sich die Online-Presse wie andere Medien auch massiven Behinderungen ausgesetzt. So war die unabhängige Netz-Zeitung www.gooya.com im Januar zeitweise nicht erreichbar. Viele andere Diskussionsseiten wurden ebenfalls gesperrt, darunter eine, die über den Boykottaufruf der Reformer für die Wahl berichtete. Betroffen war auch die Webseite von "Reporter ohne Grenzen". Seit Februar konnte sie innerhalb Irans nicht mehr aufgerufen werden.

Die Hand am Stecker

Schon bisher waren zahlreiche Internetjournalisten den Nachstellungen der Sicherheitsdienste ausgeliefert: Mehrere Journalisten wurden in den vergangenen Jahren verhaftet und wegen Regierungskritik im Internet zu Haftstrafen verurteilt. Das konnte auch die Regierung Chatami und der Sieg der Reformer bei den Parlamentswahlen 2000 nicht verhindern. Nachdem die Hardliner jetzt wieder die Mehrheit im Parlament haben, befürchten viele, dass die Konservativen versuchen könnten, den Stecker zu ziehen.