Irans Justiz gegen Aktivistinnen
1. August 2019Esrin Darkale (im Artikelbild in der Mitte mit rosa Tuch) wurde am 28. Juli in Garmsar verhaftet, einer kleinen Stadt in der Nähe von Teheran. Darkale ist Frauenaktivistin. "Sie hat mich ein paar Stunden später aus dem Teheraner Evin-Gefängnis angerufen", sagt Firouzeh Sharafedin, Darkales Mutter im Gespräch mit der DW. Ihre Stimme zittert: "Esrins Platz ist nicht im Gefängnis. Esrin ist alleinerziehende Mutter, sie hat gerade ihren Job verloren. Sie wollte am Sonntag zum Gewerkschaftsbüro gehen und sich um ihre Arbeitslosenversicherung kümmern, als sie verhaftet wurde".
Esrin Darkale hatte für eine Baufirma gearbeitet, die wegen der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten geriet und viele Angestellte entlassen hat. Seit die USA vor einem Jahr ihre Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt haben, hat sich Irans Wirtschaftslage weiter verschlechtert. Viele Firmen mussten schließen. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, auch in Garmsar etwa 80 Kilometer südöstlich von Teheran am Rande der Dascht-e Kawir, der größten Wüste des Irans. Viele Iraner und Einwanderer aus Afghanistan waren auf der Suche nach Arbeit dorthin gezogen, als es dort noch genügend Jobs gab, so auch Esrin Darkale.
Frauenaktivistinnen im Visier
Sie ist Mitglied des Vereins "Stimme der iranischen Frauen" (s. Artikelfoto), zu dem Frauenaktivistinnen aus verschieden Teilen des Landes gehören. Sie haben einen Kanal auf den im Iran weit verbreiteten Messenger-Diensten Telegram und Instagram und tauschen sich in sozialen Netzwerken aus. Ihr Programm lautet: "Ein besseres Leben für iranische Frauen". Am 8. März, dem internationalen Frauentag, hatten sie sich Teheran versammelt und einen Vortragsabend organisiert.
Esrin Darkale hatte einen Vortrag mit dem Titel "Frauen als Hauptkraft der Proteste" gehalten. Den hatte sie der inhaftierten Aktivistin Sepide Gholian gewidmet. Die Studentin und Aktivistin für Arbeitsrechte sitzt wegen der Unterstützung von Arbeiterprotesten im Gefängnis. Die Veranstaltung vom 8. März scheint jetzt auch der "Stimme der iranische Frauen" zum Verhängnis geworden zu sein. Vier Mitglieder wurden in den vergangenen Wochen verhaftet.
Reaktion auf zunehmende Proteste
"Frauen und Männer, die sich im Iran für bürgerliche und politische Rechte einsetzten, stehen derzeit unter enormem Druck", bestätigt Raha Bahraini von Amnesty International. "Die Welle willkürlicher und rechtswidriger Verhaftungen im Iran hat stark zugenommen. Die Machthaber wollen damit kritische Stimmen unterdrücken und die zunehmenden Proteste gegen die wirtschaftliche Lage und die Menschenrechtsverletzungen im Iran durch Repression ersticken."
Verhaftete Aktivisten werden oft wegen angeblicher "Gefährdung der nationalen Sicherheit" oder "Propaganda gegen das politische System" vor Gericht gestellt. Häufig werden sie zu langen Haftstrafen verurteilt. Zuletzt wurde die Studentin und Gewerkschaftsaktivistin Leila Husseinzadeh, am 28. Juli hinter Gitter gebracht. Dabei geht die Repression im Gefängnis weiter. Das jedenfalls schrieb die 23-jährige Sepideh Gholian in einem offenen Brief aus dem Gefängnis.
Schauprozess und Hungerstreik
Sepideh Gholian hatte im November 2018 an Arbeiterprotesten in der südiranischen Provinz Chusestan teilgenommen und in sozialen Netzwerken darüber berichtet. Protestierende Arbeiter, denen seit Monaten keine Löhne ausgezahlt worden waren, waren von Sicherheitskräften brutal zusammengeschlagen worden.
Der Gewerkschaftsaktivist Ishmail Bakhshi wurde zusammen mit Sepideh Gholian verhaftet. Im Staatsfernsehen wurde im Januar 2019 gezeigt, wie Bakhshi und Gholian sich in einem Schauprozess zu Verschwörungen mit marxistischen und kommunistischen Gruppen außerhalb des Iran bekennen mussten, zu Gegnern der Regierung und zum Versuch eines Umsturzes der Islamischen Republik. Amnesty-Berichten zufolge sind beide geschlagen und gefoltert worden. Sepideh Gholian ist aus Prostet gegen ihre Behandlung in den Hungerstreik getreten. Seit dem 23. Juli isst und trinkt sie nicht mehr.