Isabel Perón zum 90.
4. Februar 2021Die Nachbarn haben sie schon lange nicht mehr gesehen. Früher ging sie noch manchmal in die Kirche Santa María Soledad Torres, doch auch das ist vorbei. Isabel Perón lebt abgeschottet in ihrer Villa in Spanien, betreut von ihren Ärzten und dem Dienstpersonal.
Die dritte Ehefrau Juan Peróns und spätere Präsidentin Argentiniens ist längst aus dem Visier der Paparazzi verschwunden. Die Welt hat sich weitergedreht. Und so wird Isabel Perón wohl auch ihren 90. Geburtstag am 4. Februar hinter den Mauern ihres Anwesens verbringen. Und sich vielleicht an ihre bewegte Vergangenheit zurückerinnern.
Von der Nachtclubtänzerin zur Sekretärin Peróns
1931 erblickte sie in La Rioja als das jüngste von sechs Geschwistern das Licht der Welt, ihre Eltern gaben ihr den Namen María Estela Martínez Cartas. Schon früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Tanz. Mit 20 gehörte sie einer Tanztruppe unter der Leitung des Kubaners Joe Herald an und tourte unter ihrem Künstlernamen "Isabelita Gómez" durch die Nachtclubs Lateinamerikas. In Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, soll sie im Dezember 1955 Juan Domingo Perón im angesagten Kabarett "Pasapoga" kennengelernt haben - der war gerade während seiner zweiten Amtszeit als argentinischer Präsident gestürzt worden. Andere Quellen sagen, das erste Treffen der beiden habe in Panama stattgefunden.
Wie auch immer - die 24-jährige Isabel hing ihre Karriere als Tänzerin an den Nagel und wurde die ständige Begleiterin des 36 Jahre älteren Exil-Politikers. Er stellte sie als seine Sekretärin vor, und gemeinsam zogen sie von Land zu Land, lebten abwechselnd in Panama, Venezuela, der Dominikanischen Republik und schließlich in Spanien. 1961 heiratete das Paar. Isabel war nach Aurelia "Potota" Tizón und Evita die dritte Ehefrau Peróns; ihre Vorgängerinnen waren beide an Krebs gestorben. Doch sie trat in große Fußstapfen, wurde Evita in Argentinien doch wie eine Heilige verehrt. Sie hatte bei ihrem Mann nicht nur das Wahlrecht für Frauen durchgesetzt und die "Partido Peronista Femenino" (Peronistische Frauenpartei) gegründet, sondern sich vor allem für die "Descamisados" (die Hemdlosen), die Ärmsten der Armen starkgemacht.
Isabel - oder Isabelita, das Diminutiv eine Hommage an Evita - wusste, dass sie gegen den Personenkult um die mit 33 Jahren viel zu früh Verstorbene keine Chance hatte und äußerte sich nach ihrer Heirat in einer Fernsehbotschaft an das argentinische Volk bescheiden: "Ich bin so eins mit ihrer Figur geworden, dass es für mich etwas Wunderbares wäre, auf bescheidene Weise und in ihrem Namen jene Wohltaten im Lande zu realisieren, die sie unglücklicherweise nicht mehr tun konnte."
Unverhofft Präsidentin
Doch es sollte mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis Isabel an der Seite ihres Mannes aus dem Exil in die Heimat zurückkehrte. Viele ihrer Landsleute hatten Peróns Amtsjahre als Präsident von 1946 bis 1955 als goldene Ära in Erinnerung, und im fernen Spanien hatte der General eifrig weiter an seinem Bild als Übervater und Wohltäter der Nation gestrickt. Als Argentinien Anfang der 1970-er Jahre wirtschaftlich am Boden lag, wurde der Ruf nach einem "starken Mann" laut - einem wie ihm. Juan und Isabel Perón kehrten nach Argentinien zurück. An der Spitze der "Partido Justicialista", der peronistischen Partei, wurde Perón im Oktober 1973 zum dritten Mal zum Staatspräsidenten gewählt. Isabel brachte sich selbst als Vizepräsidentin ins Spiel: "Ich bin die einzige Person, die dich bestimmt nicht verraten wird", soll sie zu ihm gesagt haben. So richtig überzeugt von Isabels politischen Fähigkeiten war Perón wohl nicht. Doch ein enger Getreuer ließ ihn wissen. "General, wenn Sie es wollen, geben wir sogar einem Besen unsere Stimme."
Und so wurde María Estela Martínez de Perón am 12. Oktober mit 62 Prozent der Abgeordneten-Stimmen zur Vizepräsidentin gewählt. Laut Peróns Sekretär Gustavo Caraballo ließ sich Isabel allerdings so gut wie nie im Senat blicken. Doch nur neun Monate nach der Wahl starb Juan Domingo Perón und seine Witwe wurde die erste Frau im Staat. Am 2. Juli 1974 wendete sich die Präsidentin bei ihrem Amtsantritt mit diesen Worten an das Volk: "Ich bitte alle Einwohner, mir dabei zu helfen, die Geschicke des Landes zu jenem glücklichen Ziel zu führen, das Perón für uns alle Argentinier erträumt hat."
Militärputsch: "Gnädige Frau, Sie sind festgenommen"
Ohne jegliche Erfahrung im Amt wurde Isabel Perón schnell zum Spielball machthungriger Politiker. Isabel verließ sich vollkommen auf den Minister für Soziale Wohlfahrt, López Rega, der schon unter ihrem Mann gedient hatte. Doch wie auch andere Peronisten fürchtete der, die Macht zu verlieren und ließ Oppositionelle verfolgen. Seine paramilitärische Gruppe "Alianza Anticomunista Argentina" (AAA), kurz "Triple A", wurde zum Synonym für Terror, Tausende wurden gefoltert und ermordet.
Gleichzeitig litt Argentinien unter einer schweren Wirtschaftskrise, immer wieder legten Generalstreiks das Land lahm. In dieser chaotischen Phase, 632 Tage, nachdem Isabel Perón Präsidentin geworden war, putschte das Militär. "Gnädige Frau, die Streitkräfte haben die politische Kontrolle des Landes übernommen, Sie sind festgenommen", teilte ihr General José Rogelio Villareal bei ihrer Absetzung mit.
Am 24. März 1976 wurde sie im Hubschrauber von der Terrasse der Casa Rosada, dem Amtssitz des Staatschefs, in ihr luxuriöses Gefängnis, ein Regierungsschlösschen in Patagonien, gebracht. Fünf Jahre lang stand sie dort unter Hausarrest. 1981 dann durfte sie nach Spanien ausreisen.
40 Jahre im Exil
Sie ließ sich im ehemaligen Haus Peróns im Herzen Madrids nieder. Nach Argentinien kehrte sie nur noch wenige Male zurück: so im Jahr 1983, als sie dem nach dem Ende der letzten Militärdiktatur demokratisch gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín persönlich gratulierte. Er erließ ihr die Rückzahlung der neun Millionen Dollar, die sie aus öffentlichen Mitteln auf ihr privates Konto transferiert haben soll. 2007 und 2008 geriet sie noch mal in die Schlagzeilen, als die argentinische Regrierung von Spanien die Auslieferung Maria Estela Martinez de Peróns verlangte - man wollte sie wegen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht stellen, die während ihrer Amtszeit von der Triple A begangen wurden. Spanien lehnte ab, die Fälle galten als verjährt.
Heute ist Isabelita 90 Jahre alt. Schon vor über 20 Jahren ist sie aus ihrer Wohnung gegenüber dem berühmten Prado-Museum in eine Villa 30 Kilometer nordöstlich von Madrid gezogen. Nicht nur das Alter fordert seinen Tribut, auch zwei schlimme Stürze aus früheren Zeiten machen ihr zu schaffen, so dass sie täglich Besuch von Physiotherapeuten bekommt.
Ansonsten lebt sie laut der Madrider Zeitung "ABC" schon lange wie eine Nonne. "Sie meidet soziale Kontakte und hat gegenüber der Politik eine Phobie entwickelt", schrieb das Blatt. Diese letzten Jahre ihres Lebens sind ein trauriges Kapitel in der Biografie der einst mächtigsten Frau Argentiniens. "Ich bin eine bescheidene Frau aus dem Volk", hat sie einmal gesagt, "deren einziger Verdienst es ist, Peróns Schülerin gewesen zu sein und ihn und das argentinische Volk zu lieben."