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Politik

Islamische Welt kritisiert Berliner Moschee

Sabrina Pabst
20. Juni 2017

Mann und Frau beten nebeneinander, es gibt einen weiblichen Imam und auch noch ohne Kopftuch. Für viele in der islamischen Welt ist das unvorstellbar. Eine liberale Berliner Moschee sorgt für Aufregung.

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Deutschland Eröffnung liberale Moschee in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Sunniten, Schiiten, Aleviten, egal ob homo- oder heterosexuell, sind bei den Freitagsgebeten in der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee willkommen. Die Moscheegemeinde hält ihre Gottesdienste in den Räumen der evangelischen St.-Johannes-Kirche in Berlin-Moabit ab. Der Bericht des arabischen Programms der Deutschen Welle über die Initiative der Berliner Frauenrechtlerin Seyran Ates, die gegen viele Widerstände diese Moschee-Gemeinde ins Leben gerufen hat, hat in der arabischen Welt für Kopfschütteln und scharfe Kritik gesorgt.

Auch in vielen Zeitungen in islamischen Ländern wurde der Bericht über die liberale Moschee veröffentlicht. So nennt die regierungsnahe türkische Zeitung "Sabah" den Versammlungsort innerhalb der Kirchenräume "absurd". Die Zeitung "Yeniakit" verunglimpflichte die Initiatorin Seyran Ates als kurdisches Gülen-Mitglied. Und "Daily Pakistan" kritisiert, dass die Frauen in der Berliner Moschee unverhüllt zum Gebet erscheinen.

"Keine Ahnung von Religion"

Unverhüllte Frauen und Männer, die gemeinsam beten und dazu ein weiblicher Imam? Für viele in der arabischen Welt geht das zu weit. "Die kreieren eine neue Religion, das ist kein Islam", kommentiert ein DW-User. "Diese Leute folgen nicht der Religion unseres Propheten. Sie haben keine Ahnung von der Religion. Was für ein Schwachsinn", meint ein weiterer.

Mehr als 1,7 Millionen Mal wurde der Bericht des arabischen DW-Programms bis Montagnachmittag angeklickt. "Wir hatten auf unseren Artikel viele und vor allem auch heftige Reaktionen", erzählt Tarek Anegay aus der arabischen Social-Media-Redaktion der DW. Viele User sehen einen Widerspruch zur islamischen Lehre und kritisierten das Berliner Projekt scharf.

Dass die arabische DW-Redaktion solche Reaktionen erhält, damit habe man gerechnet. Denn "auf alles, was die konservative Sicht innerhalb des gewohnten kulturellen Kodex angeht, reagieren die Leute sehr empfindlich und misstrauisch", sagt DW-Redakteur Anegay.

Verschwörung des Westens

Ein besonderes Streitthema sei vor allem die Gleichstellung von Mann und Frau innerhalb der muslimischen Gesellschaft sowie eine fehlende Kopfbedeckung betender Frauen. Ein besonderer Tabubruch stelle die Imamin dar, so Anegay. In einer solchen Liberalisierung des Islams sähen sie eine Verschwörung des Westens gegen Muslime. "Die hohe Zahl der Muslime macht Europa ängstlich, deswegen versuchen die Europäer, einen neuen Islam zu vermarkten, der zum Leben in Europa passt", kommentiert Manhal al-Ahmad auf der arabischen Facebook-Seite. "Ich glaube, sie werden ihr Ziel nicht erreichen. Sie werden am Ende aufgeben und in einigen Jahren feststellen, dass der Kampf gegen diese Religion falsch war."

In arabischen Ländern herrsche tatsächlich der Eindruck vor, dass der Westen der arabischen Welt seine Lebensweise aufoktroyieren wolle, meint Rainer Sollich, Leiter der arabischen Online-Redaktion der DW. "Auch die Gegner aller Reformislam-Ideen machen sich diese Agenda zunutze. Es ist eine sehr populistische Agenda. Sie funktioniert, weil viele Menschen in der islamischen Welt darauf anspringen und viele es auch tatsächlich so empfinden."

Emotionale Diskussion

Im Kern ist der Ton der Kommentare sehr aggressiv und emotional, bestätigt auch Social-Media-Redakteur Anegay. Die Redaktion musste eingreifen, Beschimpfungen, Drohungen und Diffamierungen sogar entfernen. "Wir haben mehr als 15.000 Kommentare gezählt, aber davon mussten wir einen Großteil löschen", so Anegay.

Seyran Ates Mietvertrag mit der Rushd-Goethe Moschee
Die Initiatorin und Frauenrechtlerin Seyran AtesBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Im Allgemeinen verstünden viele in der arabischen Welt keine Reformbestrebungen oder eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Glauben, meint Rainer Sollich. Doch gebe es in der arabischen Welt ein wachsendes Bewusstsein für notwendige Veränderungen. So stellte eine DW-Nutzerin fest: "Heute mag uns das merkwürdig erscheinen, aber vielleicht ist es in einigen Jahren schon nicht mehr ungewöhnlich." Eine andere schrieb: "Die christliche Frau im Westen kann auch eine Pfarrerin sein. Warum haben Menschen nicht das Recht, das zu sein, was sie wollen?" 

Höchste islamische Instanz reagiert

Am Montag schritt auch das renommierte ägyptische Fatwa-Amt ein, wie das ägyptische Nachrichtenportal Al-Shabab berichtete. Das kritisierte, dass die Berliner Moschee sich gegen die Diskriminierung der Frauen wendet. "Im Gebet darf die Geschlechtertrennung nicht aufgehoben werden", urteilte es. Die räumliche Nähe zwischen Männern und Frauen in dieser Moschee ist nicht erlaubt. Das sei eine klare Überschreitung der heiligen Scharia-Regeln, meint das ägyptische Fatwa-Amt. Die Fatwa dient dazu, ein religiöses oder rechtliches Problem zu klären, das unter den muslimischen Gläubigen aufgetreten ist.

"Solche Kontroversen gehören zu unserer Berichterstattung", sagt Anegay. "Wir wissen, dass viele arabische User das nicht mögen. Aber jeder hat ein Recht, seinen Glauben zu interpretieren, solange er die Rechte und Würde anderer Menschen berücksichtigt", meint Anegay. "Die Leute haben den Bericht gesehen und fühlten sich angegriffen. Aber sie haben sich nicht die Zeit genommen, sich infrage zu stellen." Anegay sieht es wie ein islamischer Philosoph, der den Satz gesagt hat: Der Weg zum Glauben führt über Fragen.