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Politik

Streit um israelische Siedlungen

7. Februar 2017

Die Knesset will in der Westbank illegal errichtete Siedlungen nachträglich legalisieren. Der Schritt provoziert scharfe Kritik. Doch einige Knesset-Abgeordnete beeindruckt das nicht. Sie folgen ihrer eigenen Agenda.

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Westjordanland Räumung der Siedlung in Amona durch Polizei
Protest radikaler Siedler bei Räumung der Siedlung AmonaBild: picture alliance/dpa/AP/T. Abayov

Jüdische Siedler haben im Westjordanland rund 4000 Wohnungen auf privaten Grundstücken von Palästinensern gebaut. Bislang galten die Bauten nach israelischem Recht als illegal. Das will eine Mehrheit der Knesset-Abgeordneten jetzt ändern. Mit 60 zu 52 Stimmen verabschiedeten sie ein Gesetz, das den Bau der Siedlungen rückwirkend genehmigt.

Noch muss das Gesetz allerdings den Weg durch die juristischen Instanzen nehmen. Dass es vor Gericht durchkommt, ist zweifelhaft. Die meisten israelischen Juristen erwarteten, dass der Oberste Gerichtshof das Gesetz abweisen werde, sagt der Jurist Yuval Shany von der Hebrew University in Jerusalem gegenüber der DW. Der einseitige Wechsel von Landbesitz bereite erhebliche juristische Schwierigkeiten. "Zudem hat der israelische Generalstaatsanwalt erklärt, dass er das Gesetz nicht als verfassungskonform betrachtet. Seiner Einschätzung nach entspricht es nicht der internationalen Gesetzgebung. Darum will er das Gesetz vor Gericht nicht verteidigen", so Shany. 

"Eine der rechtesten Regierungen der letzten 30 Jahre"

Politisch kam das Gesetz im Kontext einer spezifischen Konstellation in der Knesset zustande, sagt der Politikwissenschaftler und Israel-Experte Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Die derzeitige israelische Regierung ist eine der rechtesten Regierungen der letzten 30 Jahre. Teile davon wollten das Westjordanland schon immer als Teil Israels sehen."

Israel Siedlungspolitik Abstimmung im Parlament
Illegal soll legal werden: Die Knesset-Abgeordneten diskutieren das neue Siedlungs-GesetzBild: Reuters/A. Awad

In den letzten zwei Jahren sei dieser Flügel besonders erstarkt. Zudem kämen zwei weitere Faktoren, so Lintl. In den ersten Februartagen hätten die israelischen Behörden den israelischen Außenposten Amona räumen lassen - unter großem Protest der Siedler und ihrer Unterstützer. Mit dem Gesetz habe die Regierung die Kritiker besänftigen wollen. Dafür hat die Regierung gute Gründe. Denn sie bildet eine Koalition mit der nationalkonservativen Partei HaBajit haJehudi ("Unser jüdisches Heim"), die den Siedlern sehr nahe steht.

Internationale Kritik

Außenpolitisch hagelt es Kritik. So hat das Auswärtige Amt das israelische Gesetz zur nachträglichen Legalisierung jüdischer Siedlungen scharf kritisiert. "Viele in Deutschland, die in tiefer Verbundenheit an der Seite Israels stehen, lässt dieser Schritt enttäuscht zurück", erklärte ein Sprecher am Dienstag in Berlin. "Das Vertrauen, das wir in das Bekenntnis der israelischen Regierung zur Zwei-Staaten-Lösung haben mochten, ist nachhaltig erschüttert." Auch die französische und die britische Regierung kritisierten das Gesetz, ebenso die Vereinten Nationen.

Die in der Knesset versammelten Unterstützer des Gesetzes stört das offenbar nicht. Sie setzten vor allem auf den Schutz der neuen US-Administration unter Präsident Donald Trump, sagt Peter Lintl. Von ihm erwarteten sie sich engagierte Unterstützung. "Das wurde auch ganz deutlich bei der Verabschiedung des Gesetzes. Einer der Initiatoren des Gesetzes, Bezalel Smotrich, hat Trump explizit gedankt."

Das Vertrauen in Trump ist offenbar so groß, dass die Unterstützer glauben, die Kritik aus Europa überhören zu können. Seit langem wird die israelische Siedlungspolitik in den meisten europäischen Staaten kritisiert. "Aber diese Kritik kommt in Teilen der israelischen Rechten gar nicht an, weil die ohnehin wissen, dass in Europa mit einer Pro-Siedlungspolitik nichts zu gewinnen ist", so Lintl. 

Westjordanland Räumung der Siedlung in Amona durch Polizei
Proteste in AmonaBild: Reuters/A. Cohen

Ein riskanter Kurs

Dieser Kurs ist allerdings gefährlich. Denn noch ist gar nicht bekannt, wie die neue US-Administration zu Siedlungsbau steht. Trump gilt zwar als großer Freund Israels. Seine Idee, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, stieß bei der israelischen Rechten auf Begeisterung. Allerdings hatte die neue US-Regierung vor wenigen Tagen verlauten lassen, der Bau neuer israelischer Siedlungen im Westjordanland sei "nicht hilfreich".

So gehen die Knesset-Abgeordneten auf einen Konfrontationskurs von erheblicher Brisanz. Denn das nun dort verabschiedete Gesetz bedeute nichts anderes, als den Abschied von der Zwei-Staaten-Lösung, sagt Peter Lintl. "Diese illegalen Siedlungen, die hier legalisiert werden, hatten ursprünglich den Zweck, eine Zwei-Staaten-Lösung zu verhindern. Der Gedanke der Siedler-Bewegung war es, einen israelischen Rückzug unmöglich zu machen", so der Israel-Experte von der SWP.

Israel Siedlungspolitik Proteste in Kofr Qadom bei Nablus
Palästinenser bei einer Demonstration gegen die Siedlung QadomemBild: Reuters/M. Torokman

Israels gespaltene Öffentlichkeit

Das Gesetz ist in der israelischen Gesellschaft umstritten. 50 Prozent der jüdischen Bevölkerung hielten eine Ausweitung der Siedlungen für politisch unklug, berichtet der Think Tank "The Israel Democracy Institute". Eine Annektierung halten gar 53 Prozent der Befragten für problematisch.

Auch Teile der israelischen Medien äußern scharfe Kritik. Die linksliberale Zeitung Haaretz vermutet sogar, dass Netanjahu von dem Gesetz wegen der damit verbundenen Risiken nicht überzeugt sei. Vor dem Hintergrund, dass sich Israel durch den Siedlungsbau international zunehmend isoliere, hoffe er insgeheim darauf, dass der Oberste Gerichtshof das Gesetz noch zu Fall bringe. Ein solches Kalkül sieht Haaretz allerdings nicht als Ausdruck einer gerissenen Strategie, sondern als Zeichen mangelnder Führungskraft. "Welcher politische Führer ist bereit, gegen die Interessen seines Landes zu handeln, weil er um sein politisches Überleben fürchtet?"

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika