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KonflikteNahost

EU-Chefdiplomat Borrell will Dialog mit Israel aussetzen

14. November 2024

In einem Brief an die EU-Außenminister äußert Josep Borrell "ernsthafte Bedenken über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Gaza". Doch ob er sich mit seiner Initiative durchsetzen kann, ist zweifelhaft.

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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell streckt während eines Interviews den Zeigefinger der rechten Hand aus
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht Bedenken der EU "von Israel bisher nicht ausreichend ausgeräumt" Bild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Als Reaktion auf die israelische Kriegsführung im Gazastreifen und im Libanon will EU-Chefdiplomat Josep Borrell den regelmäßigen politischen Dialog mit Israel aussetzen. Diesen Vorschlag werde er beim Außenministertreffen am kommenden Montag den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterbreiten, erfuhren Nachrichtenagenturen in Brüssel von EU-Beamten.

Das Ansinnen Borrells gehe aus einem Brief des Spaniers an die EU-Außenminister hervor. Darin äußere er "ernsthafte Bedenken über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Gaza". Diese Bedenken seien "von Israel bisher nicht ausreichend ausgeräumt" worden. Hintergrund seien Berichte unabhängiger internationaler Organisationen, die den Schluss nahelegten, dass Israel Menschenrechte und internationales humanitäres Völkerrecht verletze, so die Agenturen weiter.

Eine Palästinenserin geht an einem völlig zerstörten Wohnblock in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen vorbei
Trümmerlandschaft in der Stadt Rafah im südlichen GazastreifenBild: AFP

Der politische Dialog der EU mit Israel wird über ein sogenanntes Assoziationsabkommen aus dem Jahr 2000 geregelt. Er sieht unter anderem einen regelmäßigen Austausch zur Stärkung der Beziehungen und zur Weiterentwicklung der Partnerschaft vor. Festgehalten ist dort auch, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie beruhen. Diplomaten betonten jedoch, den institutionellen politischen Dialog auszusetzen bedeute nicht, das sogenannte Assoziationsabkommen oder den Assoziationsrat auszusetzen.

Seit Monaten Foderungen nach Konsequenzen

Borrell hatte bereits im Oktober wissen lassen, dass er beim nächsten Außenministertreffen eine Debatte über Israels Art der Kriegsführung im Gazastreifen und im Libanon führen will. Wie Mitarbeiter des EU-Außenbeauftragten damals erklärten, könnten dann bei einer einstimmigen Einschätzung zulasten Israels sofort Konsequenzen veranlasst werden.

Spanien und Irland hatten schon vor Monaten angeregt, das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auf den Prüfstand zu stellen. Darin geht es neben dem Dialog auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie, Verkehr und Tourismus.

Deutschland und andere EU-Staaten dagegen 

Dass der Vorschlag Borrells für ein Aussetzen des Dialogs die benötigte einstimmige Zustimmung findet, ist so gut wie ausgeschlossen. Wie inzwischen ein EU-Diplomat in Brüssel mitteilte, äußerten die Niederlande, Dänemark, Italien, Ungarn und Tschechien ihre Ablehnung.

Auch die Bundesregierung ist skeptisch. "Wir setzen uns immer dafür ein, Gesprächskanäle offen zu halten. Dies gilt selbstverständlich auch für Israel", hieß es im Auswärtigen Amt in Berlin. Zugleich wurde betont, der Assoziationsrat bilde einen geeigneten Rahmen, um mit Israels Regierung auch über die Einhaltung der Vorgaben des humanitären Völkerrechts wie auch über die Versorgung der Menschen im Gazastreifen mit humanitärer Hilfe zu sprechen.

Ministerin Annalena Baerbock brachte stattdessen EU-Sanktionen ins Spiel. Im deutschen Fernsehen sagte die Grünen-Politikerin, solche Sanktionen seien angebracht, wenn einzelne israelische Minister das Völkerrecht brechen würden, "indem sie mit Blick auf Gaza oder auch das Westjordanland die Frage der Existenz der Palästinenser infrage stellen".

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban vor einem großen Logo der European Political Community (EPC) in Budapest
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban dürfte Probleme mit Borrells Plänen habenBild: Petr David Josek/AP/picture alliance

Das UN-Menschenrechtsbüro hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass fast 70 Prozent der verifizierten Kriegstoten Frauen und Kinder seien und dies als systematische Verletzung der Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts verurteilt. Israel wies den Bericht kategorisch zurück und erklärte, sein militärisches Vorgehen entspreche "den Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit, und ihm geht eine sorgfältige Abwägung möglicher Schäden für die Zivilbevölkerung voraus".

Raketen-Abschussrampe der Hamas zerstört 

Derweil geht das Blutvergießen im Krieg Israels mit der radikal-islamischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon weiter. Die israelischen Streitkräfte zerstörten eigenen Angaben zufolge in der humanitären Zone im Süden Gazas eine Raketen-Abschussrampe der Hamas. Sie sei auf Israel ausgerichtet gewesen und habe eine direkte Bedrohung für die Zivilgesellschaft dargestellt, hieß es.

Explosionen nach dem Angriff legten nach Einschätzung des israelischen Militärs nahe, dass im Bereich der Rampe große Mengen an Munition gelagert worden seien. Die Streitkräfte werfen der Hamas vor, die humanitäre Zone und zivile Gebäude für ihre terroristischen Aktivitäten zu missbrauchen.

Israelische Soldaten im Libanon getötet

Bei Kämpfen im Südlibanon wurden nach Angaben der israelischen Armee sechs Soldaten getötet. Sie seien bei einem Schusswechsel mit vier Hisbollah-Terroristen in einem Gebäude gestorben, berichteten israelische Medien unter Berufung auf eine erste Untersuchung der Streitkräfte. Laut Militär waren die Getöteten zwischen 19 und 22 Jahren alt. Auf einer Gedenkseite der Armee wurde die Gesamtzahl der seit Beginn des Krieges im Gazastreifen und im Libanon gefallenen Soldaten mit 792 angegeben.

Israels Luftwaffe flog auch wieder Angriffe auf Ziele in den südlichen Vororten der libanesischen Hauptstadt Beirut. Reporter zählten mindestens vier Attacken. Nach einer Evakuierungsaufforderung der israelischen Armee hätten einige Anwohner mit Schüssen vor den bevorstehenden Angriffen gewarnt, daraufhin seien viele aus der Gegend geflohen. 

Rauchschwaden über Dahieh, einem südlichen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut, nach einem israelischen Luftangriff
Dahieh, ein südlicher Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut, am Mittwoch nach einem israelischen LuftangriffBild: Hassan Ammar/AP/dpa/picture alliance

Waffen-Transportrouten in Syrien angegriffen

Israels Luftwaffe griff Armee-Angaben zufolge auch Routen für den Waffenschmuggel an die Hisbollah in Syrien an. Israels Militär sprach von Schmuggelrouten der syrischen Regierung. Laut Menschenrechtsaktivisten wurden bei den Luftangriffen in der Nähe der Stadt Homs 15 Menschen verletzt, darunter Angehörige der syrischen Armee.

Der aktuelle Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah begann vor mehr als einem Jahr mit den Raketenangriffen der libanesischen Miliz zur Unterstützung der im Gazastreifen unter Beschuss stehenden Hamas. Auslöser dafür war das Massaker der Hamas und anderer Terroristen am 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem rund 1100 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt wurden.

Auf palästinensischer Seite sollen im Krieg Zehntausende Menschen getötet worden sein, die meisten davon Zivilisten. Die Zahlen lassen sich faktisch nicht unabhängig überprüfen. Hisbollah und Hamas werden von vielen Staaten als Terrororganisationen gelistet.

sti/wa/pg (dpa, rtr)

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