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"Israel will die Angelegenheit selber regeln"

Das Interview führte Naser Shrouf19. Juli 2006

Margaret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) über die Möglichkeit internationaler Eingriffe im Nahost.

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Dr. Margret Johannsen hofft auf eine Friedenstruppe mit umfassenden Mandat

DW-WORLD.DE: Könnte eine Friedenstruppe die Lösung für die Krise im Libanon darstellen?

Dr. Margaret Johannsen: Es kommt darauf an, welches Mandat eine solche Friedenstruppe bekommen würde. Wenn es eine reine Beobachtertruppe ist, wie die UNIFIL, dann ist das keine Lösung. In der Vergangenheit hat die UNIFIL beobachten dürfen und konnte häufig ihre Beobachtungen nicht veröffentlichen, insbesondere dann, wenn sich die Beobachtungen auf israelische militärische Aktionen bezogen. Dann haben die USA meistens verhindert, dass die UNIFIL ihren Publikationsmöglichkeiten nachkamen. Zudem hat sie kein zwingendes Mandat gehabt. Eine Truppe, die ein zwingendes Mandat hätte, die sowohl im Süden des Libanon als auch im Norden Israels stationiert wäre und die auch mit Waffen ausgerüstet ist und einem Mandat, das ihr Durchsetzungskraft verleiht, würde die Krise zwar nicht lösen, aber möglicherweise den Weg bahnen zu Verhandlungen.

Sie meinen also eine Truppe wie in Bosnien und Kosovo, die auch ein klares Mandat hat und die mit militärischen Mitteln ausgerüstet ist?

Ja, eine Truppe, die in der Lage wäre, anderen Akteuren wirklich Paroli zu bieten. Eine Truppe, die auch so kampfkräftig wäre, dass Israel nicht mehr argumentieren müsste, dass es selber im Süden die Kapazitäten der Hisbollah vernichten muss. Eine Truppe, die es insofern überflüssig machen würde, dort mit militärischen Mitteln zu versuchen die libanesische Regierung zu zwingen, die Hisbollah zu entwaffnen. Also das bedeutet im Grunde genommen eine Stärke, die die Demonstration von Stärke der israelischen Streitkräfte überflüssig macht. Ich bin aber sehr skeptisch, dass eine solche eingerichtet werden wird, weil ich davon ausgehe, dass Israel sie nicht wünscht. Deshalb werden die Vereinigten Staaten auch eine Resolution im Sicherheitsrat verhindern.

Warum wird Israel das nicht akzeptieren, wenn es bedeutet, dass die nördliche Grenze Israels dadurch gesichert wird?

Israel hat eine lange Geschichte des Misstrauens gegenüber Interventionen der Vereinten Nationen, verdankt zwar einen Teil seiner Existenz einer Teilungsresolution der UNO, aber seitdem ist die UNO äußert kritisch gewesen gegenüber militärischen Interventionen Israels und der Behandlung einer Reihe völkerrechtlicher Fragen, wie zum Beispiel die Frage der Besatzung. In Israel ist die UNO außerordentlich unpopulär. Man traut ihr nicht. Ich denke, dass eher der Gesamtkonflikt dafür verantwortlich ist, dessen Kern der israelisch-palästinensische Territorialkonflikt ist. Dieser Kernkonflikt hat dazu geführt, dass auch andere Akteure, wie die Hisbollah, überhaupt so stark werden und dann auch die Interessen anderer Akteure wahrnehmen, wie der palästinensischen Hamas und auch Syriens. Also Aktionen, die Israel signalisieren, es kann, so lange diese Territorialkonflikte nicht gelöst sind, nicht mit Ruhe an seinen Grenzen rechnen.

Obwohl diese Truppen nicht auf israelischen, sondern libanesischen Boden stationiert werden sollen, ist das nicht im Sinne Israels. Woran könnte das liegen?

Israel hat zur Zeit das Interesse, die politische Landschaft in seiner Umgebung zu verändern. Das heißt, im Grunde genommen hat Israel auch auf den Libanon bezogen innenpolitische Ambitionen. Das ist etwas, das sie mit ihrer militärischen Aktion versuchen durchzusetzen. Eine UN-Truppe würde Israels umfassenderes Ziel verwehren. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb es diesen Widerstand gibt. Zum einen, wie gesagt, ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der UNO, zum anderen, dass die UNO in diesem Fall nicht parteilos wäre und einfach für Ruhe sorgt, aber nicht dafür sorgt, dass sich die politischen Verhältnisse im Libanon ändern.

Wenn die Friedenstruppe im Südlibanon stationiert würde, dann wird die Hisbollah und natürlich auch Syrien keine Macht mehr im Libanon haben, d.h. das ist auch nicht mehr im Sinne von Syrien. Das ist in keinem Interesse beider Parteien und trotzdem wird darüber diskutiert

Eine Friedenstruppe nach Wunsch der UNO wäre in der Tat so ausgelegt und ich würde es auch für vernünftig halten, dass dort eine Friedenstruppe möglicherweise den Boden dafür bereitet, dass die libanesische Regierung im ganzen Land ihre Kontrolle herstellen kann. Ich gehe davon aus, dass Israel bezweifelt, dass eine UNO-Truppe dazu in der Lage ist. Israel will die Angelegenheit selber regeln oder will zumindest so viel Zeit haben, die Kapazitäten der Hisbollah so weit zu schwächen, dass sie große Schwierigkeiten haben, irgendwann mal wieder in eine Position zu kommen, in der sie eine Gefahr darstellen können. Israel glaubt an die eigene Stärke und will mit eigenen Mitteln die Kapazitäten der Hisbollah so weit reduzieren, dass auch Syrien nicht mehr in der Lage ist, dort in näherer Zukunft einen Stellvertreterkrieg führen zu lassen. Das ist eine Argumentation, die ich persönlich nicht unterstütze, aber es ist eine Argumentation, die man in Israel hört.

Die Beziehung zwischen EU und Israel ist ja bekanntlich nicht so gut. Israel versucht immer, die EU vom Nahostkonflikt fernzuhalten. Einige Beobachter haben vorgeschlagen, dass Israel in die NATO aufgenommen werden solle, damit die EU mehr Einfluss auf die israelische Politik haben kann. Wäre das eine mögliche Lösung?

Es hat ja in der Vergangenheit immer wieder mal Vorschläge gegeben, dass die NATO Israel eine Mitgliedschaft anbieten sollte. Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird. Zum einen, da sich die NATO nicht mit einem Mitglied belasten will, das in eine Vielzahl von Konflikten verstrickt ist. Zum anderen würde eine Integration in der NATO Israels Handlungsfreiheiten erheblich einschränken. Auch das ist nicht im Interesse Israels. Es will recht offensive Handlungsdoktrinen durchsetzen zu können, ohne dabei Rücksicht nehmen zu müssen. Insofern denke ich, dass eine enge Partnerschaft mit den USA und Waffenlieferungen aus den USA außerordentlich wichtig sind, aber ein Bündnis wie in der NATO, wo man einstimmig handelt, das würde die israelische Handlungsfreiheit im militärischen Bereich derart einschränken, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das in Israel durchsetzbar wäre. Also von beiden Seiten denke ich, dass eine Mitgliedschaft Israels in der NATO nicht durchsetzbar wäre.