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Israels doppelte Moral

Peter Philipp21. April 2004

Nach 18 Jahren in Haft wurde der wegen Verrats verurteilte Atomtechniker Mordechai Vanunu aus dem Gefängnis entlassen. Peter Philipp kommentiert.

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Doppelte Moral ist wohl der geringste Vorwurf, den man Israel gegenüber vor dem Hintergrund der Vanunu-Affäre erheben kann: Atomspion Mordechai Vanunu, der 18 Jahre lang in Haft saß, hatte der Welt bestätigt, was sie davor nur vermutet hatte - Israel ist Atommacht. Ohne internationale Kontrollen seiner atomaren Einrichtungen, auch ohne jede Beschränkung durch internationale Konventionen oder Zusatz-Protokolle, wie die USA und die Wiener Atomenergiebehörde sie von Ländern wie Iran und Libyen eingefordert hatten. Forderungen, die immer auch lautstark von Israel unterstützt - wenn nicht sogar initiiert - werden.

Natürlich verbittet sich Israel, mit diesen Staaten in einen Topf geworfen zu werden. Wer aber höhere moralische und ethische Werte für sich reklamiert, der sollte vielleicht auch nach diesen Werten leben. Israel aber tut dies nicht - nicht in seinem Vorgehen gegen Feinde des Landes wie führende Vertreter der "Hamas" und auch nicht in der Nuklearfrage. Um zur Atommacht aufzusteigen, hat Israel von Anfang an alle belogen und getäuscht. Nicht nur die Europäer, sondern auch die USA. Obwohl die Geschichtsschreibung hier noch erweisen muss, ob Washington wirklich hinters Licht geführt wurde oder ob es nicht vielleicht doch mehr wusste als es zuzugeben bereit war.

Israel soll hier nicht unterstellt werden, es wolle wirklich Atomwaffen gegen seine Nachbarn oder andere Feinde in der Region einsetzen. Solche Atomwaffen in israelischen Arsenalen könnten anderen Ländern im Nahen Osten aber einen perfekten Vorwand liefern, sich selbst auch darum zu bemühen. Und, wie so oft: Kein europäischer, erst recht kein amerikanischer Außenminister versucht, Israel zur Umkehr zu bewegen. Damit hat der Bazillus der doppelten Moral längst auf andere Staaten - zumindest - im Westen übergegriffen und man sollte sich dort nicht über das wachsende Misstrauen der arabischen und auch islamische Staaten wundern.

Soviel zur israelischen Atombombe. Doppelte Moral ist aber auch im Spiel, wenn Israel seit Jahren die Freilassung von Jonathan Pollard fordert - eines ehemaligen Mitarbeiters des US-Marinegeheimdienstes, der für Israel arbeitete - und wenn Israel Mordechai Vanunu jetzt nach Verbüßung seiner Strafe unter äußerst scharfe Restriktionen stellt: Keine Kontakte zu Ausländern, keine Interviews und erst recht keine Ausreise. Die Strafe wird damit über das vom Gericht verhängte Strafmaß hinaus ausgeweitet. Eine Maßnahme, die Israels Anspruch, Rechtsstaat zu sein, aushöhlt und verhöhnt. Wenn es so mit eigenen Bürgern umspringt - wie behandelt Israel dann wohl andere? In erster Linie: Palästinenser?

Überzeugende Gründe für das israelische Verhalten gibt es nicht. Da sind die Experten sich einig: Dazu wusste Vanunu zu wenig. Schließlich war er nicht der Atom-Forscher, zu dem man ihn heute hochstilisiert. Er war ein eher unauffälliger Techniker, der gerade deswegen seine aufsehenerregenden Photos machen konnte. Und was Vanunu vor 18 Jahren wusste, das gilt heute kaum noch. Auch deswegen sollte Israel ihn ziehen lassen. Er würde bald schon in der Anonymität verschwinden. So aber macht Israel wieder einen Märtyrer aus ihm. Und es nährt damit Vermutungen, dass das von Vanunu Verratene nur die Spitze des Eisberges war.

Nicht nur deswegen wäre es wohl an der Zeit, dass die Welt sich endlich intensiver um Israels Atombomben kümmert. Am besten, indem sie den Nahen Osten zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Natürlich unter Einbeziehung Israels.