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"Israels Sicherheitsgürtel": Das Jordantal

Tania Krämer, Jerusalem 24. Februar 2014

Das Jordantal gilt als Verteidigungsbarriere Israels, aber auch als wichtiges Agrarland - für Israelis wie Palästinenser. Es ist einer der Streitpunkte in den derzeitigen Nahost-Friedensverhandlungen.

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Panorama-Ansicht des Jordantals (Foto: AFP)
Bild: Ahmad Gharabli/AFP/Getty Images

Sorgfältig zupft Arie Shahar an einer der vielen Basilikumpflanzen, die unter den Planen ihren Duft verbreiten. Das Jordantal mit seinem milden Winterklima ist der ideale Ort für seine Kräuter. "Hier ist Basilikum, dann haben wir dort Rosmarin, Thymian, dann gibt es noch Rucola - alles, was das Herz begehrt", sagt der Landwirt. Shahar ist einer der rund 9000 jüdischen Siedler, die nach UN-Angaben im Jordantal Landwirtschaft betreiben.

Das fruchtbare Ackerland inmitten der sonst kargen Wüstenlandschaft gilt als Obstkorb Israels: Datteln, Trauben, Zitrusfrüchte - das ganze Jahr über wird hier produziert und exportiert. "Wenn wir hier keine Landwirtschaft betreiben würden, müsste sich Israel von Importen abhängig machen", sagt Shahar und schüttelt energisch den Kopf, wenn er an die derzeitige Debatte um die Friedensinitiative des US-Außenministers John Kerry und das Jordantal denkt: Nein, hier könne man nicht so einfach weg.

Streit um das Jordantal

Die Ebene entlang der israelisch-jordanischen Grenze ist einer der zentralen Streitpunkte in den Verhandlungen für ein Rahmenabkommen zwischen Israelis und Palästinensern, die derzeit vom US-Außenminister John Kerry vorangetrieben werden. Für Israel geht es um das Land - aber vor allem auch um die Sicherheit, erklärt Uzi Dayan. Der Ex-General der israelischen Armee hat in den letzten Wochen sehr oft auf diesem Felsvorsprung gestanden, gleich unterhalb der Radaranlagen einer israelischen Militärbasis, um Journalisten und internationalen Besuchern die Sicherheitsbedürfnisse Israels zu erklären.

Grenzzaun im Jordantal (Foto: DW/Krämer)
Grenzzaun im JordantalBild: DW/T. Krämer

Dayan spricht von der strategischen Bedeutung des Jordantals, in dessen Mitte die israelisch-jordanische Grenze verläuft. "Das Jordantal ist Israels Sicherheitsgürtel, basierend auf den natürlichen Barrieren wie dem Fluss Jordan und den Bergen, auf denen wir hier stehen", sagt er und schaut auf das Jordantal hinunter, das friedlich und leicht vernebelt in der Morgensonne liegt. Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Umrisse der jordanischen Bergkette zu sehen. "Das Risiko ist zu groß, dass das Westjordanland schon bald wie Gaza unter der Hamas aussehen wird oder dass womöglich die Iraker eines Tages hier durchmarschieren", beschreibt Dayan diverse Schreckensszenarien.

Israels natürliche Verteidigungslinie

Einen Kompromiss in Sachen Sicherheit lehnt auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu strikt ab. Er will im Falle einer Vereinbarung noch für mehrere Jahre eine Militärpräsenz in dem Gebiet erhalten, um die östliche Grenze nach Jordanien zu sichern. Noch sind die genauen Parameter nicht veröffentlicht, doch schon jetzt wird darüber diskutiert. Die amerikanische Zusicherung, den Grenzverlauf mit neuen Technologien und Frühwarnstationen einzurichten, ist für die Israelis nicht genug. Doch eine Militärpräsenz auf unbestimmte Zeit lehnen die Palästinenser ab.

Denn auch für sie steht viel auf dem Spiel: Auch für sie ist das Jordantal der Obstkorb eines künftigen Staates Palästina. Zwar können die palästinensischen Bauern heute nur einen Bruchteil des Bodens bewirtschaften, weil ein Großteil des Tals nach den Osloer-Verträgen zum sogenannten C-Gebiet gehört, das unter israelischer Militärverwaltung steht. Doch für sie geht es vor allem um ihre Souveränität. In einem künftigen Staat Palästina wollen sie ihre Grenze zum jordanischen Nachbarn selbst sichern. Aber man könne sich mit einer bis zu fünfjährigen Übergangszeit arrangieren, in der israelische Soldaten im Jordantal verbleiben, zeigte sich der palästinensische Präsident Mahmud Abbas zuletzt kompromissbereit. Und auch gegen die Stationierung von Nato-Truppen habe man nichts einzuwenden.

Doch beides stößt auf wenig Gegenliebe. "Wir haben das ja schon mehrfach gesehen: Wenn es ernst wird, sind die internationalen Truppen weg", sagt Uzi Dayan und meint damit den Abzug der österreichischen Blauhelme aus dem Golan im vergangenen Sommer. Unterstützung bekommt er dabei von Dani Dayan, Auslandschef des Siedlerrats, der seit Monaten gegen die Kerry-Initiative mobil macht: "Die strategische Wichtigkeit des Jordantals liegt in der unüberwindbaren Bergkette um das Tal im Westen. Ohne diese natürliche Barriere wäre Tel Aviv nicht von einem muslimischen Gebiet getrennt, das dann bis nach Kabul in Afghanistan reicht."

Sorge um "Boykottmaßnahmen"

Auch Kräuterbauer Arie Shahar kann sich einen Abzug des israelischen Militärs nicht vorstellen: "Man braucht sich doch nur anzuschauen, was in der Nachbarschaft, in Syrien, Ägypten, dem Irak oder Libyen passiert. Unsere Armee muss hier bleiben, da führt kein Weg daran vorbei." Sorgen bereiten ihm aber derzeit noch ganz andere Entwicklungen: die Diskussion um mögliche "Boykottmaßnahmen" einzelner europäischer Staaten, die Produkte aus Siedlungen kennzeichnen oder gar nicht mehr importieren wollen, sollte es in Sachen Frieden nicht vorangehen. "Das beginnt, uns schon etwas zu schmerzen", sagt der Landwirt und zuckt etwas ratlos mit den Schultern. Zahlen könne man dazu nicht nennen. "Aber wenn das erstmal anfängt, weiß man nicht, wo es wieder aufhört."

Landwirt Arie Shahar exportiert seine Kräuter nach Europa (Foto: DW/Krämer)
Landwirt Arie Shahar exportiert seine Kräuter nach EuropaBild: DW/T. Krämer

Er empfindet die Haltung der EU-Länder als einseitig und zeigt auf seine Angestellten. Im Lager machen palästinensische Arbeiterinnen aus den benachbarten Dörfern die Kräuter versandfertig. "Kräuter - Made in Israel" steht auf den Verpackungskartons, die für den Export bestimmt sind. "Wir beschäftigen hier 40 Palästinenser und arbeiten in Harmonie miteinander, und jeder ist glücklich damit", sagt Arie Shahar. Natürlich wolle auch er eine Lösung für den Konflikt. Aber ohne eine starke Armee gehe das eben nicht.