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Ist die Bundeswehr überlastet?

Sven Pöhle20. Februar 2014

Deutschland will sich international stärker engagieren - auch militärisch. Kann die Bundeswehr neue Auslandseinsätze stemmen? Die Planung ist ambitioniert, doch in einigen Bereichen gibt es schon jetzt Engpässe.

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Bundeswehrsoldaten, die als Pionier-Ausbilder im Rahmen der EUTM Mali ihren Dienst im 1.Einsatzkontingent antreten steigen aus einem Airbus in Bamako (Foto: Sebastian Wilke/ Bundeswehr)
Bild: Sebastian Wilke/Bundeswehr

Mehr Bundeswehrsoldaten für Mali: Der Bundestag hat einer Verlängerung und Ausweitung des Mandats für den Einsatz im westafrikanischen Land zugestimmt. Bis zu 70 zusätzliche Soldaten können dort künftig stationiert werden. Die Bundeswehr beteiligt sich vor allem mit Pionier-Ausbildern und Sanitätern an der EU-Trainingsmission.

Die Bundeswehr ist bereits in mehreren Regionen der Welt im Einsatz - von Afghanistan über das Horn von Afrika bis zum Mittelmeer und im Kosovo. Über die Teilnahme an Missionen in Somalia und Zentralafrika wird nachgedacht. Ebenso über eine Unterstützung bei der Zerstörung syrischer Chemiewaffen im Mittelmeer. Auch in Afghanistan will man weiterhin bei der Ausbildung von Sicherheitskräften helfen. Doch ist die Bundeswehr für weitere Auslandseinsätze personell überhaupt gewappnet?

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei einem Besuch der Bundeswehrsoldaten des Einsatzkontingents in Dakar im Senegal im Februar 2014 (Foto: Peter Steffen/dpa)
Es gibt Kapazitäten für Einsätze, sagt Ursula von der Leyen (CDU)Bild: picture-alliance/dpa

Ja, sagt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU): "Es hat Zeiten gegeben, da waren 11.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Zurzeit sind 5000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, und diese Zahl wird sinken, da der Afghanistan-Einsatz sich dem Ende zuneigt." Für aktuelle und geplante Einsätze gebe es daher Kapazitäten.

"Insgesamt haben die Streitkräfte mit 185.000 Soldaten natürlich Kapazitäten, um weitere Aufgaben wahrzunehmen", bestätigt auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), der DW. Dies gelte aber nicht für alle Bereiche.

Spezialisten im Fokus der künftigen Auslandseinsätze

"Die begrenzte Verfügbarkeit der für die Einsätze wichtigen Spezialisten und deren Belastung darf bei der Gesamtrechnung nicht aus dem Blick geraten", mahnt der Wehrbeauftragte, der als "Anwalt der Soldaten" fungiert.

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus. (Foto: SOEREN STACHE/dpa )
In bestimmten Bereichen ist die Bundeswehr überlastet, sagt Hellmut KönigshausBild: picture-alliance/dpa

Denn gerade in die jüngeren Missionen schickt die Bundesregierung keine Kampftruppen, sondern steht beratend zur Seite, leistet logistische Unterstützung, hilft bei der Ausbildung afrikanischer Sicherheitskräfte oder der medizinischen Versorgung. Benötigt werden dafür vermehrt Piloten und Lufttransportlogistiker, Wartungspersonal, Truppenausbilder sowie Ärzte und Sanitätssoldaten.

Doch besonders die Belastung der Truppenteile, deren Einsatz für künftige Missionen erwogen werde, sei seit Jahren extrem hoch, so Königshaus. Dies sieht der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, genauso: "Beim Lufttransport stößt die Bundeswehr an ihre Belastungsgrenze und auch der Sanitätsdienst kämpft mit Personalnot."

Bundeswehrsoldaten ruhen sich nach einer anstrengenden Nacht im Distrikt von Charrah Darreh nahe Kundus aus (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Überlastet? Bundeswehrsoldaten ruhen sich nach einem Einsatz ausBild: picture alliance/dpa

In bestimmten Bereichen sei Personal eine knappe Ressource, heißt es dazu aus dem Bundesverteidigungsministerium. "Derzeit führen aber keinerlei Engpässe zu Einschränkungen in der Auftragswahrnehmung - nicht bei Piloten, nicht bei Pionierausbildern und nicht bei Sanitätspersonal", sagte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage der DW.

Einsatzsystematik 4/20

Um die Belastung der Soldaten im Auslandseinsatz möglichst gering zu halten sollen diese - so ist es in den Leitlinien der Bundeswehrreform als Ziel festgelegt - eigentlich nicht länger als vier Monate am Stück im Einsatz sein. Danach ist eine Regenerationszeit von 20 Monaten vorgesehen.

Eine Untersuchung des Verteidigungsministeriums für den Zeitraum von Januar 2010 bis Dezember 2012 ergab jedoch, dass es in vielen Bereichen der Streitkräfte zu längeren Einsätzen kommt und auch die vorgesehene Regenerationszeit in jedem zweiten Fall unterschritten wird. In seinem Bericht für das Jahr 2013 schreibt der Wehrbeauftragte Königshaus, das Verteidigungsministerium habe eingeräumt, dass die angestrebte Regenerationszeit für die Spezialpioniere der Streitkräftebasis und die Feldnachrichtenkräfte des Heeres nicht erreicht werden kann.

Entlastung könnte auch die Ausbildung weiterer Spezialisten bringen. Dies würde aber einige Jahre in Anspruch nehmen, meint Harald Kujat, General a.D. und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. Zudem müsste man dann angesichts der dünnen Personaldecke andere Bereiche vernachlässigen. "Ich persönlich finde den derzeitigen Ansatz - Breite statt Tiefe - richtig. Das heißt, dass man auf möglichst viele Fälle vorbereitet ist. Aber das bedeutet eben auch, dass man Einschränkungen bei den Auslandseinsätzen hinnehmen muss", so Kujat im Gespräch mit der DW.

Gewappnet für die Zukunft?

Breite vor Tiefe beschreibt den verteidigungspolitischen Ansatz Deutschlands. In Zukunft - so die Zielsetzung, festgehalten in denVerteidigungspolitischen Richtlinien 2011 - soll die Bundeswehr in der Lage sein, zu jeder Zeit bis zu zwei Brigaden, das sind bis zu 10.000 Bundeswehrsoldaten, für multinationale Missionen zu unterhalten.

Bundeswehrsoldaten warten am 04.10.2013 auf den Transport zum Abflug aus dem Feldlager Kundus in Afghanistan (Foto: Michael Kappeler/dpa)
Mehr Truppen zur Verfügung? Ende 2014 soll die ISAF-Mission in Afghanistan beendet seinBild: picture-alliance/dpa

Derzeit befindet sich mit 4750 Bundeswehrsoldaten weniger als die Hälfte der zum Ziel gesetzten 10.000 im Auslandseinsatz. Etwa ein Neuntel ist um und in Afrika stationiert. Die Mehrheit der deutschen Soldaten (2938) ist immer noch in Afghanistan. Von dort zieht sich die Bundeswehr bis Ende 2014 größtenteils oder sogar komplett zurück.

Dies bedeute aber nicht, dass in der Folge direkt zusätzliche personelle Ressourcen für weitere Auslandseinsätze zur Verfügung stünden, sagt Hellmut Königshaus: "Die Spezialisten brauchen irgendwann auch einmal eine Atempause und können nicht nahtlos von Afghanistan nach Zentralafrika geschickt werden." Für den Wehrbeauftragten ist hinsichtlich neuer möglicher Einsätze klar: "Bei der Planung konkreter Einsatzvorhaben geht es nicht vorrangig um die Frage, ob wir solche Fähigkeiten zur Verfügung stellen wollen. Nicht einmal, ob wir dies könnten, sondern um die Frage, ob dies ohne eine unvertretbare Überlastung der Soldatinnen und Soldaten möglich ist."