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Zweite Infektion mit dem Coronavirus möglich?

25. August 2020

Monate nach der ersten COVID-19-Erkrankung sind Patienten in Hongkong, den Niederlanden und Belgien erneut positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden. Hat man nach überstandener Infektion doch keinen Immunschutz?

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Deutschland Corona-Teststelle am Flughafen Schönefeld
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Über mögliche Zweitinfektionen wurde im Laufe der Pandemie immer wieder berichtet. Meistens aber wurde dafür fehlerhafte Testverfahren, falschnegative Tests oder Virenreste der ersten Infektion verantwortlich gemacht.

Nun gibt es aber dokumentierte Neuinfektionen aus Hongkong, den Niederlanden und Belgien. In allen Fällen hätten sich bereits genesene COVID-19-Patienten Monate später erneut an einer offenbar mutierten Variante von SARS CoV-2 infiziert.

Unterschiedliche Fälle - ähnliche Verläufe

Der 33-Jährige aus Hongkong hatte Mitte März leichte COVID-19-Symptomen und war am 26.März positiv auf SARS CoV-2 getestet worden. Er blieb im Krankenhaus, bis er am 14. April nach zwei negativen PCR-Tests wieder entlassen wurde. 

Während einer Dienstreise nach Spanien muss sich der Mann erneut angesteckt haben. Entdeckt wurde dies eher zufällig, als der 33-Jährige am 15.August am Flughafen von Hongkong routinemäßig getestet wurde und der Test positiv ausfiel. Vorsichtshalber wurde er erneut in ein Krankenhaus gebracht, obwohl er keinerlei  Symptome zeigte.

Genanalysen zeigten, dass es sich nicht um die erste Infektion handelte, sondern dass er sich tatsächlich an einer mutierten Virusvariante angesteckt hatte. "Die Analysen zeigten, dass das erste virale Genom zu einem anderen Stamm von SARS-CoV-2 gehörte als das zweite", sagte Dr. Kelvin Kai-Wang To, Clinical Associate Professor vom Department of Microbiology der University of Hong Kong (HKU). Demnach unterschieden sich beide Virenvarianten in 24 Nucleotiden - Bausteinen des Erbguts.

Hongkong Coronavirus | Menschen mit Mundschutz
Hongkong lockert gerade einige Corona-Maßnahmen. Im Freien sind Atemschutzmasken nicht mehr obligatorischBild: Reuters/T. Siu

Seit längerem ist bekannt, dass - wie bei Viren üblich - auch SARS-CoV-2 im Verlauf der Pandemie mehrfach mutiert ist und dabei immer wieder Teile seiner Proteinstruktur verändert hat. 

Für die chinesischen Forscher handelt es bei diesem Fall demnach klar um eine erneute Infektion. Auch nach überstandener COVID-19-Erkrankung können man sich also erneut an einem SARS CoV-2-Erreger anstecken. Solche Re-Infektionen kommen auch bei anderen saisonalen Erkältungs-Coronaviren wie bei den Coronaviren 229E, OC43, NL63 und HKUI24 häufiger vor, so die Forscher aus Hongkong.

Zwei Fälle auch in Europa

Auch bei dem Patienten in den Niederlanden, einem älterem Mann mit schwachem Immunsystem, unterscheide sich laut Marion Koopmans, Virologin und Beraterin der niederländischen Regierung, der genetische Code der zweiten Infektion deutlich von dem der ersten. Das spreche gegen ein Wiederaufflammen der ersten Infektion.

Symbolfoto Coronavirus
Haben Mutationen des SARS CoV-2 die neuen Infektionen ausgelöst?Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress

Die mögliche Neuinfektion habe sie nicht verwundert, sagte Virologen Koopmans im niederländischen Radio. "Von anderen Infektionen der Atemwege wissen wir, dass man nicht lebenslang geschützt ist, und das erwarten wir auch nicht von COVID-19". Allerdings müsse jetzt geklärt werden, ob solche Zweitinfektionen  tatsächlich häufiger vorkommen oder ob es um Einzelfälle handele.

In Belgien war eine Patientin nach drei Monaten erneut erkrankt. Auch bei ihr wurde bei einer Gensequenzanalyse festgestellt, dass das Virus bei der zweiten Erkrankung elf Mutationen aufwies. "Das ist keine gute Neuigkeit", sagte Virologe Marc Van Ranst im belgischen Sender VTM. 

Viele offene Fragen

Sollten sich die Zweitinfektionen bestätigen, spricht viel dafür, dass die Immunität gegen das neuartige Coronavirus SARS CoV-2 nur von kurzer Dauer ist. Auch nach überstandener COVID-19-Erkrankung verfügen demnach zumindest einige Patienten nur über einen Teilschutz. Nicht alle entwickeln offenbar schützende Antikörper.

Aber auch acht Monate nach Ausbruch der Pandemie sind viele Fragen ungeklärt und es ist auch für die Forschenden schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen, weil weltweit unter Hochdruck geforscht wird und viele Ergebnisse schnell und ohne die notwendige Prüfung durch Fachkollegen veröffentlicht werden.

Detaillierte Studien zu den Fällen in den Niederlanden und Belgien liegen bislang nicht vor. Und auch zu der dokumentierten Zweitinfektion in Hongkong gibt es bislang nur Auszüge eines Fachartikels, den eine Reporterin der Zeitung South China Morning Post bei Twitter veröffentlicht hat. Entsprechend sind auch diese Ergebnisse noch nicht von Fachkollegen in einem Peer-Review begutachtet worden.

Was bedeutet das für einen Impfstoff?

Weltweit werden aktuell mehr als 150 Impfstoffe gegen SARS CoV-2 getestet. Vor kurzem hat  Russland den Impfstoff "Sputnik V" zugelassen, daneben befinden sich noch sieben weitere Impfstoffkandidaten in den entscheidenden klinischen Phase-III-Tests.

Sollten sich Re-Infektionen tatsächlich bestätigen, wird SARS CoV-2 durch eine wirksame Herdenimmunität wohl kaum verschwinden. Möglicherweise bieten auch die derzeit noch in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe keinen lebenslangen Schutz vor dem aggressiven Coronavirus.

Bis die klinischen Phase-III-Tests abgeschlossen sind und aussagekräftige Langzeitstudien vorliegen, lässt sich nicht verlässlich sagen, wie wirksam diese Impfstoffe tatsächlich sind, ob sie auch bei Virus-Mutationen schützen und wie lange der Impfschutz anhält.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund