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Nach dem Hilfspaket ist vor dem Hilfspaket

Barbara Wesel 27. Februar 2015

Die positiven Prognosen für die Wirtschaftsentwicklung in Griechenland werden bereits nach unten korrigiert. Wenn es aber keinen Überschuss im Haushalt gibt, gehen die Rechnungen nicht auf und Athen braucht neues Geld.

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Diese Aktivistinnen setzen sich für Griechenlandhilfe ein Foto: Tobias Schwartz, Getty Images
Weintrauben, Ouzo und frisches Geld: Diese Aktivistinnen feiern das neue Rettungspaket.Bild: Getty Images/Afp/Tobias Schwarz

Schon jetzt könnten im griechischen Staatshaushalt die Kassen ziemlich leer sein: Bis Ende März muss die Regierung in Athen 6,8 Milliarden Euro aufbringen, um frühere IWF-Kredite und Schuldverschreibungen zu bedienen. Nachdem im Januar das Steueraufkommen um eine Milliarde unter den Erwartungen lag, und das Wirtschaftswachstum bereits im Winterquartal 2014 um 0,4% geschrumpft war, dürfte es auf der Einnahmeseite für Griechenland inzwischen flau aussehen. Und der chaotische Start der neuen Regierung hat vermutlich die Konjunktur weiter ins Minus gedrückt. Gleichzeitig haben die Bürger in Erwartung von Steuersenkungen und einer versprochenen Amnestie vermutlich weiter einen Bogen um die Finanzämter gemacht. Man werde mit der EZB reden, hieß es dazu bislang kryptisch aus Athen. Wohl in der Hoffnung, dass sie wieder griechische Staatsanleihen als Sicherheit für Überbrückungskredite akzeptiert.

Denn bis das erste Geld aus dem verlängerten EU Hilfspaket fließen wird, dauert es noch: Frühestens im April/Mai kommen die Restzahlungen aus Brüssel und vom Internationalen Währungsfonds in Höhe von rund 7,2 Milliarden Euro. Damit könnte die Regierung Tsipras dann die gerade aufgerissenen Löcher wieder stopfen. Bleibt noch eine Kreditlinie über weitere 10 Milliarden Euro, die zu dem ursprünglichen Hilfspaket gehört, und die später in Anspruch genommen werden könnte. Aber reicht das ?

Ein Auto brennt in Athen - Demonstration gegen den Kurs der Regierung - Foto: AP
Erste Demonstrationen in Athen gegen den Kompromisskurs der Regierung TsiprasBild: AFP/Getty Images/L. Gouliamaki

Griechenland kann nicht an den Kapitalmarkt und braucht weiter Hilfe

Die gesamten Verbindlichkeiten des griechischen Staates betragen in diesem Jahr etwa 21 Milliarden Euro – diese Rechnung kann gar nicht aufgehen, sagen jetzt erste Beobachter. Der SPD Haushaltsexperte im Deutschen Bundestag Carsten Schneider rechnet schon im Sommer mit einem dritten Hilfspaket in mittlerer zweistelliger Milliardenhöhe. Damit meint er vermutlich die 30 bis 40 Milliarden Euro, von denen auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung spricht.

Marcel Fratzscher hält es für unausweichlich, so sagte er im Zeitungsinterview, dass die EU Griechenland weiter hilft. Beobachter in Brüssel lassen da noch einen kleinen Funken Hoffnung: "Im Sommer wird Griechenland weiteren Finanzbedarf haben, weil Rückzahlungen an den IWF und die EZB fällig sind. Dieses Geld müsste Griechenland dann am Kapitalmarkt aufnehmen", sagt Guntram Wolff vom Bruegel Institut für Wirtschaftspolitik. Allerdings sei der Start der neuen Regierung dermaßen chaotisch verlaufen, dass nicht nur politisches Vertrauen bei den Partnern, sondern auch am Finanzmarkt zerstört worden sei. Der bestraft die Kreditnehmer dann mit besonders hohen Zinsen. Eine Rückkehr könnte für Athen also zu teuer oder gar unmöglich sein.

Die Wirtschaftsentwicklung verläuft wieder schlechter

Alles hänge jetzt von den Zahlen für den Februar ab, erklärt der Wirtschaftsforscher. Wenn da die Steuereinnahmen unter den Erwartungen bleiben wie schon zu Jahresbeginn, dann werde auch dieses und vermutlich das folgende Quartal verloren sein, und der erhoffte kleine Primärüberschuss im Staatshaushalt ausfallen. Wolff erinnert allerdings auch daran, dass selbst ein erneutes kleines Defizit besser sei als die Lage noch vor Jahren, wo in Athen 15% Neuverschuldung auf dem Programm standen. Die Sparziele müssten dann angepasst werden, das habe man schon immer so gemacht.

Portrait Guntram Wolff, Direktor des Bruegel Instituts
Guntram Wolff, Direktor des Bruegel Instituts für WirtschaftspolitikBild: Bruegel

Allerdings sei das dann auch der Punkt, wo über ein weiteres Hilfspaket verhandelt werden müsse, weil das Land seine laufenden Ausgaben und die fälligen Rückzahlungen nicht mehr leisten könne (dies betrifft vorläufig noch keine EU Gelder, sondern nur Raten an den IWF und die EZB). Und da komme schließlich das Problem mit dem verlorenen Vertrauen erneut ins Spiel: Die griechische Regierung habe nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern viel Porzellan zerschlagen. Solche Verhandlungen könnten extrem schwierig werden. Sogar das Bundesfinanzministerium soll bereits hinter den Kulissen schon eingeräumt haben, dass es zu neuen Gesprächen kommen könnte.

Bleibt weitere Hilfe aus, kommt dann der Grexit ?

Bruegel-Direktor Guntram Wolff hält einen Grexit im Sommer immer noch für weniger wahrscheinlich, als weitere Hilfsmaßnahmen durch die Europäer. Es gebe schließlich auch geopolitische Überlegungen: "Will man Griechenland als EU Mitglied oder will man die Griechen Russland oder China in die Arme treiben?" Diese Frage müssten am Ende nicht die Finanzminister, sondern die Regierungschefs beantworten.

Der CSU Europaabgeordnete Markus Ferber findet zu dem Thema deutliche Worte: "Noch einmal so etwas wie jetzt werden wir uns nicht leisten können", sagt er mit Blick auf die Verhandlungen der letzten Wochen. Besonders sauer ist er auf Finanzminister Varoufakis:"Er soll mehr arbeiten und weniger verquaste Interviews geben", in denen wieder die Rückzahlung der Schulden in Frage gestellt oder Drohungen ausgestoßen würden. Die Regierung Tsipras müsse sich entscheiden, ob sie ihre Wahlversprechen erfüllen oder an den Kapitalmarkt zurückkehren wolle, so der Europapolitiker. Man erwarte, dass Athen jetzt nicht nur Papier, sondern Aktionen liefere. Dazu gehöre z.B. das Steuersystem so zu gestalten, dass auch die vielen selbständigen Griechen endlich Steuern zahlten und die Mehrwertsteuer abgeführt werde. Auch müsse im Beamtenapparat weiter gespart werden –so wie es eben in den Auflagen der früheren Troika steht. Und wenn Griechenland einen Primärüberschuss erzielt, wie ursprünglich erwartet, sei der dazu da, die laufenden Verpflichtungen zu erfüllen. Darüber hinaus will Ferber "überhaupt keine Diskussion über ein neues Hilfspaket". Sein Parteikollege Hans-Peter Friedrich hat das schon so formuliert: "Entweder Reformen oder Drachme". Spätestens im Juni dürfte ein Ungeheuer namens Grexit wieder auf der Brüsseler Bühne erscheinen.

Markus Ferber
Markus Ferber, CSU, sitzt im Wirtschaftsausschuss des EuropaparlamentesBild: picture-alliance/dpa