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Noch zu retten?

Jannis Papadimitriou, Athen23. Juli 2012

Griechenland ist mit seinen Reformen deutlich im Rückstand und fordert mehr Zeit für deren Umsetzung. Doch lassen sich die Geldgeber darauf ein? Diese Woche wird wieder die "Troika" in Athen erwartet.

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Antike Statue ohne Kopf in Athen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Troika wird kommen, um zu bleiben", titeln griechische Zeitungen. Mit anderen Worten: Diesmal werden die Kontrolleure der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Reformbemühungen in Griechenland ganz genau und schonungslos unter die Lupe nehmen. Die politische Klasse in Athen hat bisher so manche Reform verschlafen oder wegen des jüngsten Dauerwahlkampfs auf die lange Bank geschoben. Nun soll die Troika Tacheles reden - und das ausgerechnet mit einer labilen Koalitionsregierung, die mit dem Ziel angetreten ist, die Sparauflagen - oder zumindest die Fristen für deren Umsetzung - neu zu verhandeln.  

Vor allem Steuererleichterungen für Geringverdienende und den Mittelstand sollen im Fall einer Neuverhandlung auf den Tisch. Und das sei durchaus realisierbar, glaubt Vassilis Korkidis, Präsident des griechischen Verbandes der Handelsunternehmen (ESEE).

"Die Troika setzt Sparziele, lässt uns aber für ihre Realisierung zum großen Teil freie Hand. Wir können durch Alternativmaßnahmen gleicher Wirkung die Sparziele erreichen, ohne Steuern und Abgaben ständig erhöhen zu müssen", beteuert Korkidis. Durch niedrigere Steuern hätte man sogar die grassierende Steuerhinterziehung in den Griff bekommen können. Jedenfalls wäre es ein tragischer Fehler, wenn die Regierung jetzt schon wieder versuchte, Löhne und Gehälter pauschal zu drücken", glaubt Korkidis.

Vassilis Korkidis (Foto: DW/J. Papadimitriou)
Vassilis KorkidisBild: DW/J. Papadimitriou

Strukturreformen statt Lohnkürzungen?

Nach griechischen Presseberichten ist auch die Troika mit dieser Analyse einverstanden und würde es begrüßen, wenn die Regierung Strukturreformen in Angriff nimmt und Vermögende zur Kasse bittet, anstatt auf Lohnkürzungen und Steuererhöhungen zurückzugreifen. Das weiß wohl auch der neue Finanzminister Jannis Stournaras, der jetzt unter doppeltem Druck steht - denn einerseits drängen Geldgeber zu Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen, damit die Sparvorgaben für 2012 doch noch erreicht werden; andererseits wären neue Pauschalkürzungen politisch nicht durchsetzbar. Deshalb verhandelt Stournaras mit den Ministerkollegen über Etat-Kürzungen in Höhe von elf Milliarden Euro, die den Staat verschlanken und die Troika bei ihrer Ankunft milde stimmen, ja ihr sogar die künftige Neuverhandlung des Sparprogramms schmackhaft machen könnten.

Im Gespräch sind auch ein vereinfachtes Steuerrecht, Privatisierungen sowie Anreize für mittelständische Unternehmen. Es wäre auch höchste Zeit dafür, glaubt ESEE-Chef Korkidis: "Immer wieder bekommen wir zu hören, der Mittelstand sei das Rückgrat unserer Wirtschaft, aber in Wirklichkeit sind wir nur noch das Rückgrat unseres Steuerwesens. Ein einfaches, langfristig angelegtes Steuersystem wäre schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", glaubt Korkidis. Die Mehrwertsteuer müsse gesenkt werden, vor allem bei Grundnahrungsmitteln. Zudem müsse man Löhne, Steuern und Preise in Gleichgewicht bringen.

Finanzspritzen in letzter Minute

Starthilfe für den griechischen Mittelstand gewährt die Europäische Investitionsbank (EIB): Gut 1,4 Milliarden Euro sollen bis 2015 in einen Garantie-Fonds für kleine und mittlere Unternehmen fließen, wie Bankchef Werner Hoyer am Wochenende in Athen mitteilte.

Auch die Regierung erhält im August Überbrückungshilfe, um der Europäischen Zentralbank (EZB) eine fällige Staatsanleihe in Höhe von 3,6 Milliarden Euro auszuzahlen. Für Aufregung sorgte in Griechenland ein Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", wonach dies auch die letzte Hilfe Europas für den klammen Staat sei, der anschließend, möglicherweise schon im September, in die Pleite entlassen werde. Führende griechische Medienvertreter widersprechen dieser Meldung - so etwa Giorgos Papous, Wirtschaftsredakteur des größten Athener TV-Senders MEGA: "In dieser Angelegenheit ist der griechische Finanzminister mit hochrangigen Vertretern des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Kontakt getreten. Sie haben ihm geantwortet, dass der 'Spiegel'-Bericht nicht zutreffend sei."

Emblem Internationaler Währungsfonds (Foto: dpa)
Will der IWF die Zahlungen an Griechenland einstellen?Bild: picture-alliance/dpa

Voraussichtlich am kommenden Freitag (27.07.2012) soll die Troika erstmals beim neuen Premier Antonis Samaras vorstellig werden, dessen Einstellung zum laufenden Sparkurs noch unklar ist: Obwohl der konservative Parteichef im Wahlkampf eine Neuverhandlung in Aussicht stellte, spricht er heute nur noch von der "Nachbesserung" oder "zeitlichen Streckung" des Sparprogramms. Nach Expertenmeinung erhält dadurch der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras weiteren Wählerzulauf, der eine Neuverhandlung auf politischer Ebene fordert. Wie er sich das vorstellt, erklärte Tsipras am Wochenende bei einer Veranstaltung der Europäischen Linken in Nordgriechenland: "Wir würden zum EU-Gipfel reisen und sagen: Leute, legt eure Bleistifte weg, wir machen die Austeritätspolitik einfach nicht mit. Und dann würden wir sagen: Entweder ihr löst heute Europa auf oder wir bleiben im Raum und verhandeln drei, vier Tage lang wenn's sein muss, damit wir einen Ausweg finden."