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Ist Hanf wirklich eine Wunderpflanze?

Jennifer Collins
3. Oktober 2019

Im Internet wird Hanf als regelrechtes Wundermittel gehypt, das die Menschen vor Umweltzerstörung und Ernährungsproblemen retten kann. Sollte man den Behauptungen Glauben schenken?

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Hanfpflanzen
Bild: Imago Images/All Canada Photos

Die Produktion von Hanf wurde in den USA 1937 unter dem "Marihuana Tax Act" verboten.

Darunter fiel auch der Nutzhanf, eine Unterart des Cannabis sativa. Da die Pflanze nur wenig Tetrahydrocannabinol (THC) enthält, hat sie keine berauschende Wirkung. Dieser Hanfart werden im Internet stattdessen eine Vielzahl positiver Eigenschaften zugeschrieben. Sie soll unter anderem das Potenzial haben, uns vor Umweltproblemen zu bewahren.

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Im Rahmen eines neuen Agrargesetzes hat die US-Regierung die Produktion dieser Hanfart 2018 wieder erlaubt, so dass Bauern die Pflanze nun großflächig anbauen dürfen. Aber lässt sich dadurch wirklich alles revolutionieren, von der Textilwirtschaft bis zur Bauindustrie?

Forscher vermuten, dass ein Teil des Hypes von der Hanf-Lobby ausgelöst wurde, die es, im Kampf um die Legalisierung der Pflanze, mit der Wissenschaft nicht so genau genommen hat. Doch Studien deuten auch darauf hin, dass Hanf, mit Hilfe von gezielten Investitionen, weniger nachhaltige Materialien ersetzen könnte.

Welche Behauptungen stimmen - und welche nicht?

Behauptung 1: Hanf ist die älteste Nutzpflanze, die bereits vor 12.000 Jahren angebaut wurde.

Die meisten Funde deuten darauf hin, dass Menschen erst vor etwa 10.000 Jahren mit der Pflanzenzucht begonnen haben, und zwar in Mesopotamien. Allerdings gibt es kaum Hinweise darauf, dass Hanf schon so früh angebaut wurde.

Hanfproteine und Hanföl
Hanf ist reich an Proteinen und Omega-Fettsäuren.Bild: Imago Images/Cord

Den Menschen und die Hanfpflanze verbindet aber tatsächlich eine lange Geschichte. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sie bereits vor mehr als 4000 Jahren in China angebaut wurde, um aus den Fasern Papier, Textilien, Seile und aus den Samen Öl herzustellen.

Behauptung 2: Hanf könnte in 25.000 Produkten Verwendung finden.

Hanf ist auf jeden Fall eine vielseitige Pflanze, da verschiedene Teile vom Stängel bis zur Blüte - zumindest  theoretisch - zum "Wohnen und zum Anziehen" verwendet werden können, sagt Lawrence B. Smart, Professor an der Schule für Integrative Pflanzenkunde der Cornell University im US-Bundesstaat New York. Er erforscht, welches Potenzial der Hanfanbau im großen, industriellen Maßstab hat.

Die Pflanze sei auch eine wertvolle gluten- und sojafreie Proteinquelle, reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die sonst vor allem in Fisch vorkomme. Sie eigne sich daher als Nahrungsergänzungsmittel für Veganer und auch als Tierfutter, fügt Smart hinzu.

"Ich denke, dass die Behauptung der vielfachen Verwendbarkeit, zum Beispiel der Fasern oder als medizinisches Produkt, richtig ist", sagt er gegenüber DW. Die Frage sei, ob das "kostengünstiger oder besser oder nachhaltiger ist, als die auf dem Markt vorhandenen Produkte, die wir derzeit verwenden."

Behauptung 3: Biokraftstoffe aus Hanf könnten eine grüne Verkehrsrevolution bewirken.

Hanf ist eine Energiepflanze: Sie kann als Biomasse verwendet werden kann, denn die Stängel sind reich an Zellulose, oder als Öl für Biokraftstoff. Damit könnte sie andere erneuerbare Energiequellen ergänzen. Aber wie bei anderen Energiepflanzen gibt es auch hier Probleme beim großflächigen Anbau. Zwar wird gerne behauptet, dass die Pflanze wenig Dünger braucht, doch für den großflächigen Anbau von Hanf-Monokulturen ist viel Stickstoff nötig - ähnlich wie beim Mais.

Hanfsamen und Hanföl
Das aus Hanfsamen gepresste Öl kann vielseitig verwendet werden, für Salatsoßen und auch als Biokraftstoff.Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

"Ich glaube nicht, dass wir die richtigen Ökobilanzen erstellt haben, um sagen zu können, dass Hanf irgendwelche Vorteile gegenüber der Verwendung von Mais-Biokraftstoffen hat", sagt Smart. "Hanf produziert einen angemessenen Ertrag pro Hektar, aber andere Pflanzen sind weitaus nachhaltiger."

Smarts Forschungsgruppe an der Cornell University untersucht eine Reihe potenzieller Energiepflanzen. Bisher deutet ihre Forschung darauf hin, dass Weide, eine mehrjährige Pflanze, nachhaltiger sein könnte als eine einjährige Pflanze wie Hanf. Das liegt daran, dass Weiden nur einmal gepflanzt werden und das Holz dann regelmäßig geerntet werden kann, ohne den Boden in den folgenden 25 bis 30 Jahren bearbeiten zu müssen. Jedes Mal, wenn ein Feld bestellt oder gepflügt wird, entweicht Kohlenstoff in die Atmosphäre.

Behauptung 4: Hanf wächst auf nährstoffarmen Böden, Pestizide sind nicht nötig.

Eine weit verbreitete Behauptung ist, dass Hanf im Grunde von alleine wächst. Tatsächlich gibt es nur wenige Studien, die darüber Aufschluss geben, ob das stimmt, denn im 20. Jahrhundert wurde Hanf noch gar nicht im großen Maßstab angebaut.

Erste kleinere Untersuchungen in Italien und den USA kommen zu vielversprechenden Ergebnissen, beispielsweise was die Fähigkeit von Hanf angeht, dem Boden Giftstoffe zu entziehen. Forscher fanden auch heraus, dass die Pflanze - wird sie unter den richtigen Voraussetzungen angebaut - wegen ihres schnellen Wachstums nicht unbedingt mit Herbiziden behandelt werden muss, um Schädlinge abzuhalten.

Hanf enthält Cannabinoide und Terpene, beides Bestandteile, die Insekten abschrecken können. Aber Smart warnt, man solle sich vor Behauptungen hüten, dass deshalb keine Pestizide benötigt werden.

Mähdrescher auf einem Hanffeld
Hanf mag weniger anfällig für Schädlinge sein als andere Pflanzen. Wird die Pflanze jedoch großflächig als Monokultur angebaut, bleibt das nicht ohne negative Folgen für die UmweltBild: Imago Images/A. Müller

"Wir haben eine Reihe von Schädlingen gefunden, die [Hanf] schädigen sowie einige Krankheiten, darunter neue Pilzarten, die derzeit untersucht werden", sagt Smart. Das Labor für Agraranalytik der Pennsylvania State University habe auch festgestellt, dass Schädlinge wie Blattläuse, Schimmel und Schnecken die Pflanze schädigen können.

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"Wenn Sie ein kleinen ca. 6 x 6 Meter großen Garten anpflanzen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie die gesamte Bandbreite an Schädlingen und Krankheitserregern erleben, die Sie auf rund 8000 Hektar erwarten würden", fügt Smart hinzu. Industrielle Landwirtschaft, egal mit welcher Pflanze als Monokultur, führe zu Umweltproblemen. Es hänge immer davon ab, wie eine Pflanze angebaut wird.

Behauptung 5: Hanf könnte Kunststoffe aus Erdöl ersetzen und die Menschen könnten in Häusern aus Hanf leben.

Unternehmen wie Zeoform in Australien und Kanesis in Italien stellen Bioplastik aus Hanf in geringen Mengen her. Derzeit ist die Herstellung jedoch kompliziert, energieintensiv und teuer, so dass Hanfplastik in naher Zukunft noch keine Alternative zu den auf Erdöl basierenden Kunststoffen werden wird.

Doch erweist sich Hanf heute schon als beliebte Alternative zur Glasfaser, beispielsweise in stark komprimierten Materialien. So nutzt der Autobauer BMW Hanf für Türverkleidungen. Auch als nachhaltiger Baustoff kommt er zum Einsatz.

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Ausgestellte Hanfprodukte
Hanf auf einer Handelsmesse in Deutschland, von der unverarbeiteten Pflanze zum BaustoffBild: Imago Images/Cord

Der irreführende Name "Hanfbeton" ist kein Ersatz für Beton, sondern ein Dämmstoff für Fachwerkhäuser. Er ist in Frankreich sehr beliebt, obwohl er teurer ist als herkömmliche Alternativen. Er habe Vorteile, so Pete Walker, Professor an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Bath University in England.

"Es ist ein nachwachsender Rohstoff", sagte Walker. "Sie können Hanf in vier Monaten wachsen lassen, ziehen so Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre und binden es in dem Pflanzenmaterial." Die atmungsaktive Struktur reguliere auch die Temperatur und Luftfeuchtigkeit eines Gebäudes und reduziere so den Energieverbrauch, fügt er hinzu.

Behauptung 6: Der Wasserverbrauch beim Hanfanbau ist 25 bis 50 Prozent niedriger als bei Baumwolle.

Aktuelle Vergleichsstudien für Baumwolle und Hanf sind schwer zu finden. Das Stockholmer Umweltinstitut veröffentlichte 2005 einen der umfangreichsten Berichte und verglich die beiden Naturfasern mit der synthetischen Faser Polyester.

Die Studie ergab, dass Baumwolle innerhalb einer Anbausaison rund 50 Prozent mehr Wasser benötigt als Hanf. Im Gegensatz zu Hanf muss Baumwolle viel mehr bewässert werden und wird häufig in wasserarmen Regionen wie Usbekistan angebaut.

Eine Frau pflückt Baumwolle
Die Baumwollindustrie verursacht viele UmweltproblemeBild: Getty Images/AFP

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Trotzdem kann man nicht einfach eine Faserpflanze durch eine andere ersetzen. Hanf ist zwar extrem strapazierfähig, es ist jedoch ein teurer und energieintensiver Verarbeitungsprozess nötig bis ein weicher, tragbarer Stoff daraus entsteht. Die langen Hanffasern werden ganz anders verarbeitet als kurze Baumwollfasern. Die Branche müsste für die Umstellung grundlegend "umrüsten".

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Behauptung 7: Die Verfassung der USA wurde auf Hanf geschrieben.

Das National Constitution Center in Philadelphia und die Faktencheck-Webseite Politifact widerlegen diese skurrile Behauptung, die im Internet kursiert. Die US-Verfassung, die Unabhängigkeitserklärung und die Bill of Rights wurden alle auf Pergament, also auf Tierhaut, geschrieben.

Das Constitution Center räumt jedoch ein, dass erste Entwürfe dieser Dokumente auf Hanfpapier erstellt worden sein könnten, da die Pflanze damals häufig in Nordamerika für die Herstellung von Seilen und Segeln angebaut wurde. Der Gründervater der USA, Thomas Jefferson, und auch der erste Präsident des Landes, George Washington, bauten beide Hanf an.