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Ist TTIP noch zu retten?

6. Oktober 2016

Vor Unternehmern in Berlin dekliniert die Bundeskanzlerin den Begriff Weltoffenheit. Dazu gehören für Merkel auch die EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada. Abschottung lehnt sie ab.

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Brüssel Anti TTIP CETA Demonstration
Bild: picture-alliance/dpa/T. Roge

Geschäfte machen: rund um den Globus, über alle Landesgrenzen hinweg. Der freie Handel ist das große Thema der Exportwirtschaft und somit vieler deutscher Unternehmer. Mehr als 15 Millionen Arbeitsplätze hängen in Deutschland direkt oder indirekt vom Außenhandel ab. Das ist fast jeder zweite Job. In diesem Jahr werden Waren für rund 1220 Milliarden Euro von Deutschland aus in alle Welt verkauft.

Da verwundert es nicht, dass die Exporteure den gewachsenen gesellschaftlichen Widerstand gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (Ceta) nicht gut heißen. "Wer in diesem Land den Freihandel ablehnt, der kämpft gegen die Sicherung und Verbesserung des Lebensstandards seiner Landsleute an", kritisiert Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA. "Der erweist aber auch Millionen von Menschen weltweit einen Bärendienst, die versuchen, sich von ihrer Armut zu befreien."

Wer setzt die Standards?

Die Bundeskanzlerin hat Börner auf seiner Seite. "Ich plädiere dafür, TTIP weiter zu verhandeln", sagte Angela Merkel auf dem BGA-Unternehmertag, einem Dialogforum, zu dem der Verband alle zwei Jahre einlädt. "Wir könnten Globalisierungsgeschichte schreiben, wenn wir das vernünftig weiterführen." 

Deutschland Berlin - Angela Merkel auf dem Unternehmertag BGA
Angela Merkel hielt auf dem Unternehmertag eine wirtschaftspolitische GrundsatzredeBild: picture-alliance/dpa/ M. Gambarini

Ziel sei nicht nur, Zölle abzuschaffen und einheitliche technische Normen in der Europäischen Union und den USA zu schaffen, sondern auch Standards etwa in sozialen und Umweltfragen zu setzen. "Ceta hat Maßstäbe gesetzt, die in keinem anderen Freihandelsabkommen jemals erreicht wurden und wir werden in den Verhandlungen über TTIP niemals unter die europäischen Standards zurückfallen, die wir uns heute schon gesetzt haben."

Das sehen die Kritiker allerdings ganz anders. "Jede Seite greift die jeweils höheren Standards der anderen Seite an und das ist das Problematische in den Verhandlungen", kritisierte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, auf dem Unternehmertag. "Die Aussage, es gehe darum, gemeinsam hohe Standards einzuführen, die stimmt leider unserer Erfahrung nach nicht."

Rote oder gelbe Blinker?

Wer gegen TTIP und Ceta protestiere, sei gar nicht grundsätzlich gegen den Freihandel oder gegen Weltoffenheit, so Hofreiter. "Oder können sie sich eine Demonstration für oder gegen rote oder gelbe Auto-Blinker vorstellen?"
Mit der Angleichung von technischen Standards habe kein Bürger ein Problem. Wenn allerdings in entwickelten Rechtsstaaten mit einer funktionierenden Verwaltungsgerichtsbarkeit für wenige Einzelne eine privilegierte private Schiedsgerichtsbarkeit eingeführt werde, dann verstehe das niemand.

Als Exportnation gegen Freihandel?

Der Grünen-Politiker plädiert dafür, in den Verhandlungen inhaltlich sowohl ab- als auch umzurüsten. "Wenn es um reine Freihandelsverträge geht, dann rate ich dazu, da weiterzuarbeiten, wo man in der Vergangenheit erfolgreich war, nämlich bei technischen Standards." Wie es mit TTIP weitergehe, darüber müsse wieder "nüchterner und entspannter" geredet werden. Und ohne Zeitdruck. "So zu tun, als fahre kein Containerschiff mehr von Hamburg nach New York, wenn TTIP erst einmal nicht kommt, das halte ich für massiv übertrieben."

Neustart mit den USA?

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geht noch einen Schritt weiter. Er plädiert für einen neuen Anlauf in den Verhandlungen zwischen der EU und den USA. Er glaube nicht daran, dass TTIP noch in diesem Jahr fertig werde, bekräftigte Gabriel auf dem Unternehmertag. "Ich vermute, dass wir nach den amerikanischen Wahlen einen Neustart brauchen." Vorbild müsse das Abkommen zwischen der EU und Kanada sein. Ceta sei ein "Schutz gegen ein schlechtes europäisch-amerikanisches Abkommen".

Kanada Sigmar Gabriel und Justin Trudeau
Reden über Ceta: Gabriel mit dem kanadischen Premier TrudeauBild: Reuters/C. Muschi

Bleibt abzuwarten, ob sich die US-Amerikaner auf völlig neue Verhandlungen einlassen würden. BGA-Präsident Anton Börner geht jedenfalls davon aus, dass Europa bei TTIP möglicherweise das letzte Mal die Chance haben könnte, sich an einem Abkommen zu beteiligen, "über das wir die Standards für den Welthandel mitbestimmen können". Diese Standards würden vielleicht nicht immer allen Wünschen gerecht. "Aber sie werden definitiv besser sein als diejenigen, die andere Regionen der Welt ohne Demokratie und Achtung der Menschenrechte ohne unser Zutun aufschreiben würden."