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Politik

Istanbuls Bürgermeister spricht von Verrat

7. Mai 2019

Die Annulierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul hat wütende Proteste der türkischen Opposition ausgelöst. CHP-Kandidat Ekrem Imamoglu zeigt sich auch verärgert, schaltet dann aber gleich wieder auf Wahlkampfmodus um.

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Türkei, Istanbul: Bürgermeister Ekrem Imamoglu hält Ansprache
Bürgermeister Ekrem Imamoglu will auch die zweite Wahl gewinnen Bild: Getty Images/B. Kara

Istanbuls Bürgermeister für wenige Tage, Ekrem Imamoglu, hat die Entscheidung der türkischen Wahlbehörde, die Abstimmung in der Millionenmetropole am 23. Juni zu wiederholen, als "Verrat" verurteilt. "Sie versuchen die Wahl, die wir gewonnen haben, zurückzunehmen", beschwerte sich Imamoglu vor tausenden Anhängern in Istanbul. Gleichzeitig versuchte er seine Wähler zu beruhigen. "Vielleicht seid ihr aufgebracht, aber verliert nie eure Hoffnung."

Proteste mit Töpfen und Pfannen

Imamoglu zog sich im Laufe seiner 20-minütigen Rede das Jacket aus, krempelte die Hemdsärmel hoch und begann umgehend wieder mit dem Wahlkampf. Er rief: "Ihr werdet sehen, wir werden gewinnen." Die Menge skandierte "Recht, Gesetz, Gerechtigkeit" und forderte die Mitglieder der Wahlkommission zum Rücktritt auf. In mehreren Bezirken Istanbuls standen die Menschen an geöffneten Fenstern und schlugen auf Töpfe und Pfannen ein - eine Protestform, die sich während der regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 etablierte hatte.

Oppositionskandidat Imamoglu von der Republikanischen Volkspartei (CHP) hatte die Wahl zum Bürgermeister Ende März knapp vor dem Kandidaten der Regierungspartei AKP, dem früheren Ministerpräsidenten Binali Yildirim, gewonnen. Am Montag, mehr als einen Monat nach der Kommunalwahl, annullierte die Hohe Wahlkommission (YSK) die Abstimmung und ordnete eine Wiederholung an. Damit gab sie einem Antrag der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan statt. Die Kommission veröffentlichte zunächst keine offizielle Erklärung zu ihrem Beschluss.

Türkei, Istanbul: Bürgermeister Ekrem Imamoglu hält Ansprache
CHP-Anhänger protestieren in Istanbul gegen die Entscheidung der Wahlkommission Bild: Reuters/M. Sezer

Sieben für Neuwahl, vier dagegen

Recep Özel, AKP-Mitglied der Wahlkommission, sagte, sieben Kommissionsmitglieder hätten für eine Wiederholung der Wahl gestimmt, vier dagegen. Die Behörde habe unter anderem festgestellt, dass zahlreiche Vorsitzende der Wahlräte und deren Mitglieder keine Beamten gewesen seien. Das verstoße nach einer Änderung des Wahlgesetzes vom vergangenen Jahr gegen die Vorschriften.

Die AKP hatte damals trotz eines Einspruchs der Opposition durchgesetzt, dass nur noch Staatsbedienstete Vorsitzende der Wahlräte sein dürfen. Imamoglu machte jetzt darauf aufmerksam, dass dieselben Wahlräte bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen im vergangenen Jahr im Dienst gewesen seien und auch beim Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems. Diese Abstimmungen, die Erdogan und seine Partei gewonnen hatten, seien dann ja wohl auch fehlerhaft, sagte er.

Türkei |  Recep Tayyip Erdogan in Ankara
Er sieht sich bestätigt: Präsident Recep Tayyip Erdogan Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/Pool/Presidential Press Service

"Gewinnen ist verboten"

CHP-Vizechef Onursal Adigüzel zeigte sich empört. "Gegen die AKP bei der Wahl anzutreten ist erlaubt, aber gewinnen ist verboten", schrieb er auf Twitter. "Dieses System, das den Willen des Volkes mit Füßen tritt und die Justiz ignoriert, ist weder demokratisch noch legitim. Das ist schlicht und einfach eine Diktatur."

EU will Begründung wissen

Die Europäische Union rief die Wahlkommission dazu auf, unverzüglich die Gründe für ihre Entscheidung bekannt zu geben. EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini und Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn betonten in einer Stellungnahme, freie, faire und transparente Wahlen seien essenziell für jede Demokratie und auch für die Beziehung zwischen der EU und der Türkei.

Es sei wichtig, dass die Istanbuler Wahlkommission ihre Arbeit "in einer unabhängigen, offenen und transparenten Art ausüben kann". Internationale Wahlbeobachter müssten auch bei der Neuwahl willkommen sein.

se/gri (dpa, afp, rtr, ap)