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Italiens verlorene Ackerterrassen

Guia Baggi
31. Juli 2021

Im Kampf der Kleinbauern gegen die industrielle Landwirtschaft sind Ackerterrassen mit all ihrem Charme und den ökologischen Vorteilen aus Italiens Landschaft verschwunden. Können sie zurückgewonnen werden?

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Italien Landwirtschaft Valbrenta
Studenten der Universität Padua besuchen restaurierte Terrassen in NorditalienBild: Guia Baggi/DW

"Dort gibt es Terrassen - und sogar dort oben", sagt Cinzia Zonta und deutet auf einen Hügel oberhalb des Flusses Brenta im Nordosten Italiens.  

Solche Terrassenfelder, die aus der Bronzezeit stammen, findet man unter den UNESCO-Welterbestätten wie Machu Picchu in Peru und den Honghe Hani Reisterrassen in China. Die schrägen, aufeinanderfolgenden Ebenen, die aussehen wie in die Erde geschlagene Stufen, mindern Bodenerosion und stabilisieren die Hänge, sodass auch auf bergigem Gelände Getreide angebaut werden kann.  

Jahrhundertelang legten Tabakbauern im Brentatal ihre Terrassen an, bis zu einer Höhe von 700 Metern über dem Meeresspiegel. Mit Sorgfalt positionierten sie jeden Stein und bewirtschafteten den Boden. Da sie jedoch mit der groß angelegten mechanisierten Landwirtschaft nicht mithalten konnten, ging der Tabakanbau auf den Terrassenfeldern seit den 1960er-Jahren stetig zurück. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verließ außerdem etwa die Hälfte der Bevölkerung das Tal, um ihr Glück in den Städten oder im Ausland zu suchen.

Historisches Foto der Terrassen in Valstagna
Terrassenwirtschaft in Valstagna im frühen 20. Jahrhundert Bild: Museo etnografico del Canale del Brenta

Die brachliegenden Terrassen wurden nach und nach von Bäumen und Sträuchern vereinnahmt und überwuchert.  

Im Jahr 2013 kehrte Cinzia Zonta nach über einem Jahrzehnt im Ausland ins Tal des Brenta zurück und sah eine deutliche Veränderung in der Landschaft ihrer Kindheit. Sie beschloss, sich "Adopt a Terrace" anzuschließen - einer wachsenden Gemeinschaft von inzwischen rund 100 Bergfreunden und Landschaftsschützern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese kleinbäuerlichen Strukturen und Anlagen zu erhalten. Bislang hat die Gruppe auf rund 110 Terrassen die unerwünschte Vegetation entfernt und die bröckelnden Trockenmauern saniert.

Gemeinde unterstützt Kleinbauern 

Motivation der Gruppe sind die ökologischen Vorteile des nachhaltigen agrarökologischen Ansatzes der Terrassenbewirtschaftung sowie ihr kultureller und praktischer Wert. Zwar ist der Terrassenanbau arbeitsintensiver als die industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen, aber es können sehr viel mehr Pflanzensorten angebaut werden und der Anbauprozess benötigt weniger Dünger. Man vermutet, dass sich dadurch auch die Bodenqualität verbessert und die Artenvielfalt erhöht.  

Die in Italien beobachteten Veränderungen spiegeln den globalen Wandel in der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider, hin zu flachem Land, auf dem durch den Einsatz moderner Maschinen größere Mengen an Nutzpflanzen angebaut werden können. 

Weltweites Engagement für Ackerterrassen 

Zonta und ihre Gemeinschaft von Terrassen-Pflegern sind nicht allein mit ihrer Mission. Seit einigen Jahrzehnten gibt es auf der ganzen Welt eine Bewegung von Forschern, Architekten, Landwirten und Enthusiasten, die sich für den Erhalt von Terrassenfeldern einsetzen. 

In Japan sind seit den 1990er-Jahren mehrere Initiativen entstanden, die sich für den Erhalt der veralteten Reisterrassen, der sogenannten Tanada, einsetzen. Eiji Yamaji, emeritierter Professor für Umweltstudien an der Universität Tokio und Präsident der Tanada Research Association, besucht seit 20 Jahren mehrmals jährlich Oyama Senmaida in der Präfektur Chiba, um auf Terrassenfeldern Reis zu pflanzen, zu jäten, zu dreschen und zu ernten.  

Luftbild der Reisterrassen von Oyama Senmaida in Japan
Reisterrassen von Oyama Senmaida in JapanBild: Ryohei Moriya/AP Photo/picture alliance

Er kümmert sich um eine von 150 Parzellen, die die Oyama Senmaida Preservation Society Stadtbewohnern zur Pflege überlässt, unter Anleitung der wenigen verbliebenen Experten für diese Anbaupraxis.

Pia Kieninger besuchte Oyama Senmaida zum ersten Mal 2004 als Doktorandin der Universität für Bodenkultur Wien, um die Pflanzen- und Tierarten zu erforschen, die in den Reisterrassen leben. Die Stadtbewohner, die umgerechnet 300 Euro pro Jahr zahlten, um auf der Tanada für einen Anteil an der Reisernte zu arbeiten, machten dies vor allem aus Liebe zur Landschaft, berichtet sie. 

Blühende Orte der Artenvielfalt  

Viele Menschen sind von der Artenvielfalt fasziniert, die es hier gibt: Eltern kommen mit ihren Kindern, um Frösche und Insekten wie das Heike-Glühwürmchen zu sehen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 leben in den Reisfeldern Japans schätzungsweise 5668 Tier- und 2075 Pflanzenarten. 

In Valbrenta, der Gemeinde, die sich entlang des Brentatals erstreckt, sind einige Terrassen so stark überwuchert, dass die Frage im Raum steht, ob es noch sinnvoll ist, die Pflanzen dort zurückzuschneiden, um das Land und die Steinmauern zu sanieren. Kieninger plädiert dafür, sowohl natürliche Umgebungen als auch Kulturfläche zu erhalten. "Ein Mosaik aus verschiedenen Lebensräumen ist das Beste für die Artenvielfalt", sagt sie.

Antike landwirtschaftliche Terrassen in Machu Picchu, Peru
Antike landwirtschaftliche Terrassen in Machu Picchu, Peru Bild: Sergi Reboredo/picture alliance

"Terrassenbasierte Agrarsysteme tragen zum Erhalt der Artenvielfalt bei, sowohl der von Nutzpflanzen als auch der von natürlichen Arten", sagt auch Antonio Sarzo. Der Geografielehrer, der nicht weit von Zontas Heimatregion lebt, produzierte einen Dokumentarfilm über die zahlreichen Lebewesen, die die trockenen Steinmauern bewohnen. Insekten und Reptilien nutzen die Spalten als Nester und können sich schnell an der Wand entlang bewegen, um an Orte zu gelangen, die sonst unerreichbar sind.  

Terrassen rentabel machen  

Terrassenfelder fördern die Artenvielfalt und bieten dem Ökosystem noch weitere Vorteile, aber um den vollen Nutzen aus den Terrassenfeldern ziehen zu können, ist es entscheidend, sie wirtschaftlich rentabel zu machen, argumentiert Mauro Varotto, Professor für Geografie an der Universität Padua, der mit seinen Studenten die restaurierten Terrassen in Valbrenta zur Feldforschung besucht.

 "Die gesündesten Terrassen [in Europa] sind heute die, die der Weinproduktion gewidmet sind, weil die Erträge die hohen Arbeitskosten für ihre Instandhaltung decken", sagt Varotto. Er schätzt, dass etwa drei Viertel der 320 Hektar Terrassen, die einst das Brentatal bedeckten, unter einer dicken Vegetationsdecke verschwunden sind.  

Italien Landwirtschaft Valbrenta
Cinzia Zontas Weinreben auf ihrer Wahlterrasse in ValbrentaBild: Guia Baggi/DW

In Valbrenta wird Zonta täglich Zeugin, wie viel Leben es in den Terassen gibt. Fast jeden Morgen findet sie ein schlafendes Reh auf der Terrasse, um die sie sich kümmert. Sie baut alte und seltene Sorten an - Pfirsiche, Erbsen, Reben und Safran - und verzichtet auf Pestizide und industriellen Dünger. Zonta ist stolz, wenn sie Bienen herumfliegen sieht. 

Sie hofft, dass die Bemühungen ihrer Organisation, Terrassen wiederzubeleben, auch die lokale Wirtschaft und die Umwelt positiv beeinflussen werden. Zusammen mit anderen Terrassenpaten baut sie neben zahlreichen Bildungs- und Kulturprojekten ein Unternehmen auf, das auf den heimischen Terrassen angebauten Safran, Früchte und Gemüse verkauft. "Wir wollen, dass die Menschen zurückkehren, um im Tal zu leben."