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ReiseGlobal

ITB: Nachhaltigeres Reisen nach Corona?

Felix Schlagwein
9. März 2021

Die Corona-Pandemie hat den weltweiten Tourismus lahmgelegt. Viele fordern einen nachhaltigen Neustart der Branche. Auch die Internationale Tourismus-Börse Berlin (ITB) legt in diesem Jahr den Fokus auf das Thema.

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Deutschland | Starnberger See
Sonnenanbeter am Starnberger See in Oberbayern (Archivbild)Bild: Ursula Düren/dpa/picture alliance

Auch wenn die meisten Hotels immer noch geschlossen sind und die Flugzeuge am Boden bleiben: Der Tourismus ist in Bewegung. Die Forderungen nach einem nachhaltigeren Neustart der Reisebranche nach der Corona-Pandemie werden immer lauter. Zu offensichtlich waren die Probleme, die das Wachstum des weltweiten Tourismus in den vergangenen Jahren mit sich brachte: Überfüllte Städte, Umweltzerstörung und hohe CO2-Belastung durch den Flugverkehr.

Die Welttourismusorganisation UNWTO fordert deshalb eine "verantwortungsvolle Erholung des Tourismussektors", um "die Bedürfnisse der Menschen, des Planeten und Wohlstand in eine Balance zu bringen". Auch bei der diesjährigen Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) vom 9. bis zum 12. März steht das Thema "nachhaltiges Reisen" im Mittelpunkt: "Rethink, Regenerate, Restart - Tourism for a Better Normal" lautet das Motto der weltweit größten Reisemesse, die zum ersten Mal in ihrer Geschichte digital stattfindet.

Deutschland Messe ITB in Berlin 2016
Ein Bild aus besseren Zeiten - 2021 findet die ITB zum ersten Mal digital stattBild: Stefan Zeitz/imago images

Umdenken in der Reisebranche?

"Die Corona-Pandemie ist ein globales Schockmoment, das zu einem Umdenken in der erfolgsverwöhnten Tourismusbranche geführt hat", sagt Martin Balaš vom Zentrum für nachhaltigen Tourismus (ZENAT) der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE). Themen wie Klimaschutz und Overtourism, die auch schon vor Corona große Herausforderungen für den Tourismus waren, seien nun noch stärker in den Fokus gerückt, so Balaš im Gespräch mit der DW.

Martin Balas, Tourimusforscher
Tourismusforscher Martin Balaš sieht in der Corona-Krise eine Chance für einen nachhaltigeren TourismusBild: HNE-Eberswalde

Auch beim Deutschen Reiseverband (DRV) sieht man in der Corona-Pandemie eine Chance auf mehr Nachhaltigkeit in der Branche. "Nachhaltiges Reisen ist ein jahrelanger Trend, auf den die Reisewirtschaft schon reagiert hat und auch in Zukunft reagieren wird", sagt Ellen Madeker vom Deutschen Reiseverband im Gespräch mit der DW. Den "Neustart" der Reisebranche werde man mit einer Nachhaltigkeits-Kampagne auf Instagram begleiten, so Madeker. Unter dem Hashtag #reisebewusst sollen Urlauber auf die sozialen und ökologischen Aspekte des Reisens hingewiesen werden.

Mit dem ähnlichen Slogan "Bewusst Reisen" überschreibt Branchenriese DER Touristik sein neues Angebot von nachhaltigen Reisen in Europa, der Türkei und Ägypten. Sobald Fernreisen wieder möglich seien, soll das Angebot an nachhaltigen Reisen insgesamt weiter ausgebaut werden, sagt Ulrike Braun, Leiterin Nachhaltigkeit bei DER Touristik, gegenüber der DW. "Wir haben als Reisebranche eine Verantwortung. Wir hängen stark vom Erhalt der Destinationen, von Land und Leuten ab. Das ist die Grundlage unseres Geschäfts", so Braun.

Berchtesgadener Alpen - Königsee
Umweltfreundlicher Tourismus: Auf dem Königssee in den Berchtesgadener Alpen kommen Elektroboote zum EinsatzBild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Allerdings ist die Reisebranche von der Corona-Pandemie mit am stärksten betroffen. Laut UNWTO verzeichnete sie allein 2020 einen Verlust von 1,3 Billionen US-Dollar. Weltweit stehen außerdem zwischen 100 und 120 Millionen Jobs auf dem Spiel. In Deutschland gingen die Ausgaben für Urlaubsreisen laut einer aktuellen Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) um fast 40 Prozent zurück.

Das könnte einen nachhaltigen Neustart der Branche erschweren, meint Ellen Madeker vom DRV. Insgesamt sähen Reiseveranstalter das gestiegene Bedürfnis nach nachhaltigeren Reisen und würden auch darauf eingehen. "Aber um solche Konzepte umzusetzen und in nachhaltige Infrastruktur zu investieren, muss erst das Geschäft wieder anlaufen", so Madeker.

Initiativen und Visionen in Berlin, Amsterdam und Venedig

Konzept für die Zukunft: Reisen im eigenen Land?

Wie nachhaltigerer Tourismus schon jetzt aussehen kann, hat der vergangene Sommer gezeigt. Viele setzten auf Urlaub im eigenen Land. Laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) unternahmen die Deutschen rund vier Millionen mehr Inlandsreisen als noch 2019. Die Zahl der Flugreisen und Kreuzfahrten ging drastisch zurück, die Nachfrage nach Campervans, Wohnmobilen und Fahrrädern stieg. Ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiges Reisen, denn: An- und Abreise machen den mit Abstand größten Anteil am CO2-Ausstoß einer Reise aus.

Auch bei der Wahl der Unterkunft setzten viele aufgrund der Corona-Pandemie auf nachhaltigere Alternativen: Viele Reisende zogen die Ferienwohnung oder den Campingplatz dem Hotel vor, auch aus Sicherheitsgründen. Damit verbesserten sie - ob gewollt oder nicht - die Klimabilanz ihres Urlaubs und verringerten Wasserverbrauch und Müllproduktion.

Dreye | Frühlingswochenende - Alte Weser in Weyhe
Nachhaltig Reisen - Mit dem Fahrrad raus in die NaturBild: Hauke-Christian Dittrich/dpa/picture alliance

Wegen anhaltender Reisebeschränkungen und Unsicherheit im Bezug auf Auslandsreisen wird der diesjährige Reisesommer wohl ähnlich ausfallen. Doch hält dieser Trend auch nach Corona an? Tourismusforscher Martin Balaš glaubt nicht daran. Ganze Reiseströme werde die Corona-Pandemie auf Dauer nicht verändern können. "Es kann aber sein, dass wir in Zukunft ab und zu lieber im Inland verreisen werden", so Balaš.

Mehr nachhaltige Angebote müssen her

Vor allem ein Dilemma rund um das nachhaltige Reisen wird wohl auch die Corona-Krise erst einmal nicht lösen können: Viele Menschen wollen nachhaltiger reisen, tun es aber nicht. "Das Thema Nachhaltigkeit setzt bislang noch keinen großen Buchungsimpuls bei den Kunden", bestätigt Ulrike Braun von DER Touristik. Aus Sicht von Tourismusforscher Balaš liegt das auch am mangelnden Angebot. Nur zwei bis fünf Prozent der touristischen Angebote in Deutschland seien zertifiziert nachhaltig.

Pilotprojekt des deutschen Start-Ups MyCabin
Das Start-Up MyCabin will Gastgeber und Outdoor-Touristen zusammenbringenBild: MyCabin

Das Start-Up MyCabin will das ändern. Das Unternehmen aus Konstanz verbindet naturverbundene Reisewillige mit passenden Gastgebern. So kann beispielsweise ein Bauer seine Wiese für Wanderer und Camper zur Verfügung stellen. Die Pilotphase im vergangenen Sommer sei trotz Corona-Pandemie ein voller Erfolg gewesen, sagt Lene Haas von MyCabin im DW-Gespräch. Ab April können Kunden regulär Übernachtungen auf der Website buchen. "Wir sehen uns in der Verantwortung, nachhaltigen Tourismus neu zu denken und aktuelle Themen anzupacken", sagt Haas. "Die Leute sind praktisch gezwungen, Reisen neu für sich zu entdecken und zu erkennen, wie viel Mehrwert in dieser Art des Reisens steckt", so Haas.

Doch auch wenn Reisekonzerne ihr nachhaltiges Angebot ausbauen, neue Initiativen wie MyCabin entstehen und mit der ITB die größte Reisemesse der Welt das Thema "nachhaltiges Reisen" in den Mittelpunkt stellt: Bis zu einem weltweit nachhaltigen Tourismus ist es noch ein langer Weg. Urlauber müssen vermehrt nachhaltige Reisen buchen und während der Reise selbst mehr auf ihre Umwelt achten, damit der Wandel hin zu einem besseren Tourismus in Zukunft gelingen kann. "Der Bewusstseinswandel muss alle mitnehmen", sagt Ellen Madeker vom DRV. Martin Balaš sieht das ähnlich. Er nimmt jedoch vor allem die Reisebranche in die Pflicht: "Jetzt ist die Zeit, Weichen zu stellen", sagt Balaš. Ansonsten sei die einmalige Chance die Corona-Pandemie zu nutzen, um das Reisen langfristig nachhaltiger und krisensicherer zu machen, verspielt.