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Politik

Internationale Medien zu Jamaika-Aus

Mara Bierbach
20. November 2017

Berlin instabil, die Kanzlerin geschwächt - und das alles kurz vor entscheidenden Brexit-Verhandlungen. Internationale Medien zeigen sich besorgt über ein "Deutschland im Schwebezustand".

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Deutschland Jamaika-Koalition Ende Sondierungsgespräche | Angela Merkel
Angela Merkel am Tag nach den gescheiterten SondierungsgesprächenBild: Reruters/A. Schmidt

Merkel ist angeschlagen - und das gefährdet die Stabilität Europas. Dies scheint der Konsens zu sein in den großen europäischen und US-amerikanischen Medien, nachdem der liberale Christian Lindner (FDP) am Sonntagabend die Jamaika-Koalitionsverhandlungen aufgekündigt hatte.

"Noch vor ein paar Monaten galt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als Europas mächtigste Regierungschefin. Manche sagten sogar, sie habe das durch Donald Trump entstandene Machtvakuum gefüllt und sei die mächtigste Person der Welt. Aber im Moment ist sie nicht mal die mächtigste Person in Deutschland", schreibt die "Washington Post" in Bezug darauf, dass die Entscheidung über Neuwahlen beim Präsidenten, Frank-Walter Steinmeier, liegt.

"Die größte Unsicherheit," so wertet die englischsprachige Webseite Politico, sei "Merkel's eigene Zukunft." Schließlich habe ihr Scheitern an einer Koalition mit Grünen und Liberalen ihre Stellung innerhalb der Union noch weiter geschwächt.

"Der Zusammenbruch der Koalitionsverhandlungen nach Wochen intensiver Gespräche lässt Deutschland in einem Schwebezustand zurück zu einer Zeit, in der Europa und der Westen sich von Berlin Führungsimpulse wünschen", befindet die "New York Times". 

Macron statt Merkel 

Weiter geht der britische "Economist": "Das Ende der Ära Merkel hat nun sicherlich begonnen, ob ihr nun Wochen, Monate oder Jahre bleiben, bleibt abzuwarten. Die Ereignisse der letzten Nacht bestätigen Emmanuel Macron in seiner Position als neue Leitfigur Europas, gleichzeitig jedoch sind seine großen Pläne für eine Eurozonen-Reform - für die er ein selbstbewusstes und nach außen gerichtetes Deutschland braucht - nun schwerer zu erreichen. Die Auswirkungen von Herrn Lindners zweifelhafter Entscheidung ziehen Kreise weit über sein Land heraus."

Belgien Brüssel EU-Gipfel
Emmanuel Macron möchte die Euro-Zone grundlegend reformieren - dabei wäre Kanzlerin Merkel eine wichtige strategische PartnerinBild: Reuters/F. Lenoir

Auch die französische Zeitung "Les Echos" sieht Frankreich nun als die leitende Macht der Europäischen Union - und zugleich Macron geschwächt durch Merkels Schwäche:

"Dieses Scheitern droht, das seit den deutschen Wahlen vom 24. September bereits gelähmte Europa in eine nie da gewesene Krise zu stürzen. In den vergangenen Jahren war die Europäische Union von der Führung Angela Merkels geprägt, die gleichzeitig vom wirtschaftlichen Erfolg ihres Landes und dem Mangel an politischen Figuren auf ihrem Level profitierte. Emmanuel Macron, der Europa mit Angela Merkel neu ankurbeln wollte, findet sich so in der ersten Reihe wieder, aber ihm droht ein entscheidender Partner für seine Projekte zu fehlen." Die französische Tageszeitung "Le Figaro" befindet ebenfalls, das Scheitern der Kanzlerin beraube Macron eines wichtigen Partners.

Während der Koalitionsverhandlungen, so "Der Standard" aus Österreich, habe Merkel gewirkt "wie eine Moderatorin, aber nicht wie die gestaltende Kraft". Auch der britische "Guardian" bemerkt, Merkel habe passiv gewirkt in den Jamaika-Sondierungen und anderen Parteifunktionären zu stark das Feld überlassen. 

Schwaches Berlin: schlecht für Brexit?

Britische Medien spekulieren darüber, was die unsichere Lage in Berlin für die Brexit-Verhandlungen bedeutet. Der "Telegraph" schreibt, bei den Verhandlungen um den Exit des Vereinigten Königreichs aus der EU sei damit zu rechnen, dass Hardliner auf beiden Seiten einander provozieren könnten. Bei den Gesprächen sei deshalb wichtig, dass ein "Erwachsener" im Raum Kompromisse forciere. "In den EU-Krisen der jüngsten Vergangenheit war sehr oft die […] Kanzlerin die Erwachsene. Aber ihre Autorität, sogar ihre Anwesenheit bei EU-Verhandlungen, steht nun in Frage."

Auch bei Twitter debattierten britische und anglophile User, ob die Verzögerung der deutschen Regierungsbildung einen Brexit-Deal beeinflussen könne.

"Deutschland's Chaos ist eine schlechte Nachricht für Brexit. [Theresa May] hofft auf Merkels Hilfe - aber die wird schwach und entscheidungsscheu sein für Monate," so ein das Boulevardblatt "The Sun".

"Ein riesiges Geschenk" für die AfD?

Wie viele andere Medien fürchtet die italienische "La Stampa", dass die Situation die Rechtspopulisten in Deutschland und darüber hinaus stärken könnte: "[Es] bleibt nach dem nächtlichen Marathon in Berlin zu hoffen, dass es bald einen positiven Ausgang gibt und dass, trotz notwendiger Kompromisse, die Deutschen nicht das Vertrauen in ihr System verlieren. Ein Kurzschluss wäre nun vor allem ein riesiges Geschenk an diejenigen, die ohnehin gegen das System auf der Lauer liegen: die der extremen rechten und neo-populistischen Alternative für Deutschland."

Tatsächlich feierten auf Twitter Anti-Migrations-Aktivisten das Scheitern von Jamaika als eine Bestätigung ihrer Politik, während andere sich Sorgen um die Zukunft der EU machten.

"Die Menschen in Deutschland haben genug von Merkels Einstellung zu Flüchtlingen und ihrer furchtbaren Integrationspolitik", tweetet ein Trump-Unterstützer.

"Brexit und nun Merkel auf der Kippe in Deutschland, während Anti-Einwanderungsparteien große Gewinne einfahren in Europa. Die EU, so wie wir sie kennen, wird es nicht mehr lange geben", schreibt ein anderer Nutzer.