Janukowitschs schwindende Millionen
5. März 2019Die EU hat die Sanktionen gegen Viktor Janukowitsch und seine Vertrauten um ein weiteres Jahr verlängert. Vor genau fünf Jahren, am 5. März 2014, hatte der Rat der Europäischen Union Kontosperren gegen den Ex-Präsidenten der Ukraine, seine Söhne und 15 weitere Personen aus seinem engsten Umfeld verhängt.
Die EU macht den ehemaligen Machthaber und seinen Clan für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine und illegale Bereicherung verantwortlich. Auch wenn sich Janukowitsch und seine Riege nach der blutigen Niederschlagung des Maidan-Aufstandes nach Russland abgesetzt haben - einen Großteil ihres heimlich angehäuften Vermögens vermutet man im Westen. Erklärtes Ziel: dieses Vermögen aufzuspüren und der Ukraine zurückzugeben. Neben der EU haben auch die Schweiz und Liechtenstein Sanktionen verhängt.
Sanktionsliste wird immer kürzer
Doch nur ein Bruchteil der vermeintlichen Janukowitsch-Millionen konnte bisher aufgespürt werden. Das meiste Geld wurde auf Konten in der Schweiz eingefroren: circa 145 Millionen Franken, wie das Schweizer Bundesamt für Justiz auf Anfrage der Deutschen Welle mitteilte. Dieses Geld kann aber erst beschlagnahmt und an die Ukraine zurückgegeben werden, wenn dessen illegale Herkunft vor ukrainischen Gerichten bewiesen wird. Bisher kam es aber in keinem einzigen Fall von mutmaßlicher illegaler Bereicherung zu einer Anklage. In vielen Fällen, das zeigen DW-Recherchen im ukrainischen Gerichtsregister, dauerte es zwei bis drei Jahre, bis ukrainische Ermittlungsbehörden bei europäischen Kollegen überhaupt nach Informationen über Geldflüsse und Konten fragten.
Weil die Ermittlungen in der Ukraine aber zu lange dauern, ist die EU-Sanktionsliste in den zurückliegenden fünf Jahren um ein Drittel geschrumpft. Mehrere Betroffene klagten erfolgreich gegen die Kontosperren vor dem Europäischen Gerichtshof. Mit schuld an schleppenden Ermittlungen ist wohl auch die ukrainische Justiz. Gerichtsdokumente, die die DW auswertete, zeigen, dass ukrainische Richter, die noch unter Janukowitsch ernannt wurden, mehrere Anträge der Staatsanwaltschaft auf Zugang zu Bankunterlagen im Ausland oder auf Kontosperren ablehnten, teilweise mit absurdesten Begründungen. So wurde einem Ermittler Einsicht in Bankunterlagen in der Schweiz verwehrt, weil seinem Antrag angeblich schlecht lesbare Kopien von Dokumenten beigefügt waren.
Doch die Chancen für die Ukraine, jemals Janukowitsch-Geld aus dem Ausland zurückzuholen, stehen auch aus einem anderen Grund schlecht: Es ist immer weniger von dem Geld übrig. Die Inhaber von gesperrten Konten können nämlich aus eingefrorenen Mitteln ihre Anwälte bezahlen, die sie bei Klagen gegen die Sanktionen unterstützen. Und der Ex-Präsident und sein Sohn Olexandr gönnen sich ein ganzes Team von britischen Staranwälten, wie DW-Recherchen in den Akten des Europäischen Gerichtshofs ergaben. Stundenhonorar: 1500 Pfund.
Geld des Janukowitsch-Clans: auch in Deutschland
Zum Teil tun sich EU-Länder aber auch schwer, überhaupt auf die Spur des Janukowitsch-Geldes zu kommen, so auch Deutschland. Seit 2014 hat die DW mehrmals über Geschäfte berichtet, die Ukrainern von der Sanktionsliste zuzuordnen waren: dem Oligarchen Sergij Kurtschenko und Oleksij Asarow, Sohn von Janokowitschs Premierminister Mykola Asarow und damals Parlamentsabgeordneter. Beide hatten 2012 die Autogasfirma "Sparschweingas" in Deutschland gekauft. Ihre Namen als Eigentümer versteckten sie, den Firmenregistern zufolge, hinter einem Konstrukt aus Briefkastenfirmen in den Niederlanden, Österreich und in Steuerparadiesen. Deutsche Ermittler brauchten mehr als zwei Jahre, um herauszufinden, wer die wirtschaftlich Berechtigten hinter dem Firmengeflecht sind.
Zu diesem Zeitpunkt war Oleksij Asarow bereits fein raus: Der EU-Rat hatte seinen Namen von der Sanktionsliste gestrichen, da die ukrainischen Ermittler lange keinerlei Hinweise auf eine kriminelle Herkunft seiner Gelder zu liefern vermochten. Auch die Geldwäscheermittlungen in Deutschland wurden aus diesem Grund eingestellt. Bewegung kam erst 2017 in die Sache.
Millionen aus Postenhandel in Kiew?
Auf die deutsche Spur des Janukowitsch-Clans kamen ukrainische Ermittler über die Schweiz. Laut einer der DW vorliegenden Entscheidung, verfügte ein Gericht in Kiew am 15. August 2017 die Sperrung von zehn Konten in der Schweiz, auf die über Asarows Briefkastenfirmen knapp 18 Millionen US-Dollar geflossen waren. Dieses Geld, vermuten Ermittler, bekam er als Bestechung von einem anderen Vertrauten von Präsident Janukowitsch - Andrij Kljujew. Kljujew wurde 2010 stellvertretender Premierminister im Kabinett von Asarows Vater Mykola. Am Tag vor der Ernennung, geht aus den Akten hervor, kaufte eine zypriotische Briefkastenfirma von Asarow-Junior eine ukrainische Firma von Kljujew für circa 5000 Dollar. Zwei Monate später verkaufte Asarow die Firma zurück, an eine andere Scheinfirma des frischgebackenen Vize-Regierungschefs - für satte 17,8 Millionen Dollar.
Als die Gerichtsverfügung zur Sperrung dieser Gelder erlassen wurde, waren auf den Schweizer Konten gerade einmal 600.000 US-Dollar greifbar. Für den Rest des Geldes, fanden Ermittler heraus, kaufte Asarow Junior Immobilien in der EU und - gemeinsam mit Sergij Kurtschenko - das Tankstellennetz in Deutschland. Kurtschenkos Geld stammte Ermittlern zufolge aus illegalen Geschäften mit Kraftstoffen. Für eine Stellungnahme waren die Ukrainer nicht erreichbar.
Tricks gegen EU-Sanktionen
Heute sind die deutschen Firmen von Kurtschenko und Asarow pleite. Dennoch floriert das Tankstellengeschäft - es läuft bloß über andere Firmen. Das Geschäft wurde teilweise von Kurtschenkos Freund Kostjantin Piwowarow übernommen. Die Geschäfte laufen, wie den Firmenbüchern zu entnehmen ist, über die Garda Handels- und Beteiligungs GmbH, einer Firma Piwowarows in Österreich. Diese Firma bekam er vor fünf Jahren samt zahlreichen ihr gehörenden Immobilien in Österreich und Italien von Asarow - geschenkt. Die Umschreibung, das geht aus einer der DW vorliegenden ukrainischen Gerichtsakte hervor, erfolgte am 21. Februar 2014 - einen Tag nach der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Maidan und wenige Tage, bevor die EU Sanktionen gegen Asarow verhängte.