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PolitikJapan

Japan: Ist es sicher, Fukushima-Wasser ins Meer zu leiten?

7. Juli 2023

Die japanische Regierung erhöht ihre Anstrengungen, das Land und seine Nachbarn davon zu überzeugen, dass das Reaktoren-Wasser von Radioaktivität gereinigt wurde und keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt.

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Japan Okuma | Kernkraftwerk |
Lagertanks für kontaminiertes Wasser neben dem zerstörten Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi Bild: Philip Fong/AFP/Getty Images

Die japanische Regierung beabsichtigt, mehr als 1,2 Millionen Tonnen Wasser aus dem Kernkraftwerk Fukushima Daiichi ins Meer abzuleiten. Am 4. Juli nahm der Plan von Tokio Fahrt auf, als er schließlich von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) genehmigt wurde. Die IAEA erklärte, dass die Entsorgungsmethode den internationalen Sicherheitsstandards entspreche. Der IAEA-Bericht kam außerdem zu dem Schluss, dass das abgeleitete Wasser "keine nennenswerten radiologischen Auswirkungen" auf die Umwelt habe. Sowohl die japanische Regierung als auch der Betreiber der Anlage, die 2011 durch ein Erdbeben und einen Tsunami zerstört wurde, begrüßten die Erklärung der IAEA.

Die Mehrheit der japanischen Bevölkerung scheint die Darstellung akzeptiert zu haben, dass das Wasser praktisch vollständig von Radioaktivität gereinigt worden sei und die Ableitung in den Pazifischen Ozean daher die beste Lösung sei. Es gibt aber immer noch viele Menschen, die anderer Meinung sind, insbesondere in den Nachbarländern.

Japan Chiyoda | IAEA Leiter besucht Japan - Rafael Mariano Grossi und Fumio Kishida
Rafael Grossi, Generaldirektor der (IAEA), überreicht dem japanischen Premierminister Fumio Kishida den IAEA-BerichtBild: Masanori Genko/AP/picture alliance

Südkoreanische Oppositionspolitiker haben am Donnerstag eine Sitzblockade vor der Nationalversammlung des Landes geplant, um gegen die Entscheidung Tokios zu protestieren. Auch die Demokratische Partei plant eine Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude für den Samstag, 8. Juli.

China drückt seinen Unmut aus

Der chinesische Botschafter in Tokio, Wu Jianghao, betonte auf einer Pressekonferenz am 4. Juli, dass Peking den Plan aufs Schärfste kritisiere: "Es ist beispiellos, dass kontaminiertes Wasser aus einem Atomunfall ins Meer geleitet wird." Wu wies darauf hin, dass China bereits den Import sämtlicher Lebensmittel aus zehn Präfekturen im Nordosten Japans verboten hat. Sie seien nach der Kernschmelze in drei Reaktoren des Kernkraftwerks Fukushima infolge des Erdbebens der Stärke 9 und des Tsunamis im März 2011 am stärksten betroffen gewesen. Er deutete an, dass das Einfuhrverbot auf den Rest des Landes ausgeweitet werden könnte.

"Die Maßnahmen, die China ergreifen wird, und wie wir in der nächsten Phase vorgehen werden, hängen von den Entwicklungen in Bezug auf Japans Entsorgungsplan ab", kündigte er an.

Sorgen um die Umwelt werden laut

Auch Umweltgruppen haben sich deutlich gegen den Plan ausgesprochen. Am 5. Juli forderten Demonstranten in Seoul die Rücknahme des IAEA-Berichts, der den Plan der japanischen Regierung unterstützt. Greenpeace warf Tokio zudem vor, gegen das UN-Seerechtsübereinkommen zu verstoßen.

Hajime Matsukubo, Generalsekretär des in Tokio ansässigen Citizens' Nuclear Information Center, äußert ebenfalls Bedenken. Er betonte, dass es eine Reihe von alternativen Lösungen gebe, die für Tokyo Electric Power Co (TEPCO), den Betreiber des havarierten Kraftwerks, umsetzbar seien.

"Wir sind mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und glauben, dass der Regierung viele bessere Möglichkeiten zur Verfügung standen", sagte er gegenüber DW. "Es gibt keinen Grund, warum nicht mehr Tanks am Standort hätten gebaut werden können, sowie unterirdische Reservoirs und bessere Aufbereitungssysteme, um mehr Radionuklide zu entfernen", fügte er hinzu.

"Stattdessen haben sie sich für die einfachste und billigste Option entschieden", sagte er. "Ich denke, dass dies immer der Plan war, da die Freisetzung des Wassers immer weniger kostspielig sein würde als die Alternativen."

IAEA unter Beschuss

Matsukubo kritisierte auch die japanische Regierung dafür, die Unterstützung der IAEA zu nutzen, um die Freisetzung des Wassers voranzutreiben, die mit ziemlicher Sicherheit noch vor Ende des Sommers beginnen werde. Gleichzeitig gebe es jedoch keinen klaren Fahrplan für die endgültige Stilllegung des Kraftwerks. "TEPCO hat behauptet, dass die Freigabe des Wassers für den gesamten Stilllegungsplan von entscheidender Bedeutung ist, aber es gab nie einen detaillierten Zeitplan für die Stabilisierung und Stilllegung des Kraftwerks. Warum ist dies also notwendig?", merkte er an.

Fukushima: Wohin mit dem strahlenbelasteten Kühlwasser?

Matsukubo stellte auch die Unabhängigkeit der IAEO in Frage und wies darauf hin, dass sie von Ländern finanziert wird, die Atomkraftwerke betreiben, und im Wesentlichen die Aufgabe hat, die Atomenergie zu fördern. Angesichts der Misserfolge im japanischen Nuklearsektor, nicht zuletzt im Atomkraftwerk Fukushima, müsse man sich auch Fragen nach dem Wahrheitsgehalt der von TEPCO und der japanischen Regierung vorgelegten Informationen stellen, fügte er hinzu. "Die Regierung behauptet, das ALPS [Advanced Liquid Processing System] entferne die verschiedenen Radionuklide aus dem Wasser, damit es verdünnt und dann ins Meer geleitet werden kann. Aber es wurden keine unabhängigen Tests des Wassers durchgeführt. Wie können wir also sicher sein?"

Aus einem von TEPCO Anfang Juni veröffentlichten Bericht geht hervor, dass mehr als 70 Prozent des Wassers, das freigesetzt werden soll, selbst nach der Behandlung mit dem ALPS-System nicht den gesetzlichen Normen für die Dekontaminierung von Strahlung entspricht. Damals spielte das Unternehmen die Bedenken herunter und erklärte, das Wasser werde so lange gereinigt, bis es die geforderten Standards erfülle.

Dennoch hofft die japanische Bevölkerung mehr als zwölf Jahre nach der zweitschlimmsten Nuklearkatastrophe der Welt, dass die Freisetzung des Wassers aus den Lagertanks am Standort ein weiterer Meilenstein im langwierigen Stilllegungsprozess sein wird. Dieser Prozess wird voraussichtlich mindestens 40 Jahre dauern und erfordert die Entwicklung einer Technologie zum sicheren Auffangen und Entfernen von Kernbrennstoffen.

Lokaler Widerstand

"Die örtliche Bevölkerung und die Fischer im Nordosten Japans haben sich stets gegen diesen Plan ausgesprochen, da sie davon ausgehen, dass er ihre Geschäfte und damit ihre Lebensgrundlage ernsthaft beeinträchtigen werden. In anderen Teilen Japans hat man jedoch das Gefühl, dass die Kapazität für die Lagerung von Wasser am Standort erreicht ist und nur noch wenige gute Optionen zur Verfügung stehen", sagte Hiromi Murakami, Politikprofessorin am Tokioter Campus der Temple University.

"Tief in ihren Herzen wissen die Menschen, dass dies nicht die ideale Lösung ist. Aber mit der Unterstützung der IAEA für diese Politik,  fühlen sie sich nun etwas erleichtert", sagte in Gespräch mit der DW.

"TEPCO hat noch einen langen Weg vor sich, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen, und es wird immer Fragen zu den engen Beziehungen zwischen Japans Politik und Wirtschaft geben, aber das ist die Situation, in der wir uns jetzt befinden", fügte sie hinzu. "Wir müssen hoffen, dass dies wirklich die beste Lösung ist."

 

Freiberufliche Mitarbeiter, Julian Ryall
Julian Ryall Korrespondent und Reporter in Tokio