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PolitikAsien

Japan: Premier Kishida droht ruhmloser Abgang

Martin Fritz aus Tokio
5. Juli 2024

Die Gouverneurswahl und Nachwahlen in Tokio am Sonntag werden zum Lackmustest für die dauerregierende Liberaldemokratische Partei.

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Japans Premier beim trilateralen Gipfeltreffen zwischen Südkorea, Japan und China in Seoul am 27.05.2024
Japans Premier KishidaBild: JEON HEON-KYUN/Pool/REUTERS

In Japan wächst der Druck auf Premierminister Fumio Kishida, im September keine weitere Amtszeit als Vorsitzender der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) anzustreben. Kishida müsste dann nach drei Amtsjahren als Regierungschef das Handtuch werfen, da man gemäß der LDP-Tradition dafür Parteichef sein muss. Der 66-Jährige hat seine erneute Kandidatur um die LDP-Führung bislang nur angedeutet. Er wolle sich vorrangig um politische Fragen kümmern, die keinen Aufschub dulden, erklärte Kishida. Aber politische Beobachter bezweifeln, ob der liberalorientierte Politiker für eine Wiederwahl noch genug Rückhalt in der von Konservativen dominierten Regierungspartei hat.

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Kritiker: "LDP soll Marke erneuern"

Altgediente Parteigrößen fürchten, dass die LDP mit ihm an der Spitze die nächste Parlamentswahl, die bis Oktober 2025 stattfinden muss, verliert, weil die Umfragewerte von Kishida so katastrophal sind. Sein Vorgänger als Regierungschef, Yoshihide Suga, sägt seit Kurzem offen am Stuhl des Partei- und Regierungschefs. Die LDP müsse "ihre Marke erneuern", um das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen, sagte Suga. Kishida hätte die Verantwortung für den jüngsten Spendenskandal übernehmen müssen. "Wann wird er es tun? Wann wird er darüber sprechen?", fragte Suga.

Viele LDP-Abgeordnete hatten Provisionszahlungen von insgesamt mindestens 3,3 Millionen Euro aus dem Kartenverkauf für Spendenpartys ihrer fraktionsinternen Gruppierungen, der sogenannten Faktionen, erhalten und damit an der Steuer vorbei schwarze Kassen gefüllt. Auch Kishidas eigene Faktion war dieser Praxis gefolgt.

Darauf zwang der Premier die Parlamentarier der LDP-Fraktion, ihre Faktionen als vermeintliche Quelle des Übels aufzulösen. Vergangene Woche verabschiedete das Parlament mit der Mehrheit von LDP und ihres Koalitionspartners Komeito einige Änderungen am Gesetz für die Parteienfinanzierung. Nur wenige Abgeordnete wurden parteiintern bestraft, die Verantwortlichen für diese langjährige Methode der Geldbeschaffung blieben im Dunkeln.

Zweifel an Kishidas Reformwillen

Doch die Versuche von Kishida, sich als Saubermann darzustellen, scheinen gescheitert zu sein. Die liberale Zeitung Mainichi kritisierte die Gesetzesänderungen wegen ihrer Schlupflöcher scharf: "Die Revision ist eine bloße Notlösung, die den Namen politische Reform nicht verdient und die Menschen in Japan nur verhöhnt", schrieb die Zeitung.

Laut der jüngsten Umfrage der Nikkei-Zeitung steht nur noch jeder vierte Wähler hinter Kishida. Der Premier zieht auch seine Partei mit nach unten. Bei einer Wahl würde die LDP gemäß einer Umfrage der Zeitung Asahi nur noch 24 Prozent bekommen, die größte Oppositionspartei CDP dagegen schon 19 Prozent.

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Wahlkampf in der Hauptstadt Tokio

Als Lackmustest für die Wechselbereitschaft der Wähler gelten die Gouverneurswahl und die Nachwahl von neun Stadtabgeordneten in der Hauptstadt Tokio am kommenden Sonntag (7. 7.24). Die LDP-nahe Gouverneurin Yuriko Koike, Japans mächtigste Politikerin, bewirbt sich um eine dritte Amtszeit. Wegen ihrer frauen- und familienfreundlichen Politik würde die 71-jährige Koike die Wahl unter normalen Umständen klar gewinnen. Aber überraschend hat Renho Saito, die bekannteste Oppositionspolitikerin, ihren Hut in den Ring geworfen.

Bei ihren Auftritten im Wahlkampf erhielt die 56-jährige Renho, die nur ihren Vornamen benutzt, großen Zulauf. Die frühere kurzzeitige Chefin der damaligen größten Oppositionspartei DPJ versprach tiefgreifende Reformen für Tokio und Mietzuschüsse für Haushalte mit mehreren Kindern. Alle Regierungsprojekte sollen auf den Prüfstand kommen. Renho will auch ein umstrittenes Entwicklungsprojekt für eine beliebte Grünanlage stoppen. Koike wollte nicht dementieren, dass sie Spenden von an dem Projekt beteiligten Firmen erhalten hat. Ihr Vorsprung in Vorwahlumfragen schrumpfte.

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Opposition meldet sich zurück

Zwar dürfte es Renho schwerfallen, jenseits des linksliberalen Milieus neue Wähler zu gewinnen. Aber ihre Kandidatur zeigt, dass Japans Opposition nach zwölf Jahren der Bedeutungslosigkeit Morgenluft wittert. Bei Nachwahlen von Parlamentssitzen im Frühjahr konnte die Konstitutionelle Demokratische Partei (CDP), der auch Renho angehört, drei LDP-Hochburgen übernehmen. Kishidas Partei wird daher besonders die neun Nachwahlen zum Stadtparlament beobachten. In acht davon tritt die LDP mit eigenen Kandidaten an. 

Sollte Renho am Sonntag die Amtsinhaberin Koike stürzen, was eine Sensation wäre, und die LDP, bisher die führende Kraft im Stadtparlament vor der Koike-Partei "Tokioter Bürger zuerst", bei den Nachwahlen schlecht abschneiden, dann dürften die Rufe nach einem vorzeitigen Abgang des ungeliebten Kishida noch lauter werden.