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Jemens brüchiger Frieden

Kersten Knipp22. September 2014

Die Konfliktparteien im Jemen haben einen Friedensvertrag unterzeichnet. Ob das die politische Lage des Landes beruhigen wird, ist offen. Denn noch immer gibt es Kämpfe in der Hauptstadt Sanaa.

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Unterzeichnung des Friedensvertrags in Sanaa, 21.9.2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/M. al-Sayaghi

Dieser Unterschrift war ein harter Kampf vorausgegangen. Über Wochen hatten sich Milizen der schiitischen Huthis und Regierungstruppen schwere Gefechte geliefert. In der vergangenen Wochen fanden Huthis und Vertreter der großen Regierungsparteien aber zu einem Kompromiss, der den jetzt geschlossenen Friedensvertrag in die Wege leitete. Dieser Vertrag soll nun die Grundlage für die Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit" bilden. Vermittelt hatte das Abkommen der UN-Sondergesandte für den Jemen, Jamal Benomar.

Ebenso sollen sich beide Parteien auch auf einen neuen Ministerpräsidenten einigen. Der bisherige Amtsinhaber Mohammed Basindawa war am Sonntag (21.09.2014) aus Protest gegen die Einigung zurückgetreten.

Der unterzeichnete Vertrag sieht außerdem vor, dass der Präsident zwei Berater ernennt - einen aus dem Norden und einen aus dem Süden des Landes. Auch soll eine neue Verfassung erarbeitet werden. In der neu zu bildenden Regierung sollen die Huthis ebenso viele Minister stellen wie ihr größter Widersacher, die Vertreter der sunnitschen Al-Islah-Partei, die im politischen Sanaa den Ton angibt.

Der Friedensvertrag sieht auch vor, dass sich die Milizen der Huthis in den Norden des Landes, das Siedlungsgebiet der jemenitischen Schiiten, zurückziehen. Dort haben sie bereits zwei Provinzen, Sa´ada und Amran, unter ihre Kontrolle gebracht.

Der UN Sondergesandter für den Jemen Jamal Benomar während der verhandlungen, 17.9.2014 (Foto: AFP)
Engagiert: UN Sondergesandter für den Jemen Jamal Benomar während der verhandlungenBild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Friedensvertrag von begrenztem Wert

Ob die Huthis sich tatsächlich zurückziehen, ist allerdings zweifelhaft. "Angesichts der massiven militärischen Siege, die die Huthis auch in den letzten Tagen errungen haben, ist es nur schwer vorstellbar, dass sie die von ihnen eroberten Gebiete zurückgeben, ohne dafür substantielle Gegenleistungen zu erhalten", erklärt der Jemen-Experte Adam Baron beim Online-Portal von "Al Jazeera". "Solche Gegenleistungen will oder kann die Regierung nicht geben."

Die nun geschlossene Vereinbarung sei darum nicht unbedingt entscheidend, so Baron. Das Problem sei vielmehr, dass der jemenitische Übergangsprozess am Rande eines Kollaps stehe. Jetzt käme es darauf an, das Schlimmste zu verhindern.

Tatsächlich wird in Teilen der jemenitischen Hauptstadt Sanaa weiterhin gekämpft. Die Huthis liefern sich dort Gefechte mit Kämpfern der Islah-Partei und mit Truppen des ehemaligen Generals Ali Mohsen al-Ahmar, dem es 2010 gelang, die Huthis nach jahrelangen Gefechten zurückzuschlagen.

Ursprünge der Huthi-Bewegung

Die Huthi-Bewegung geht auf das Jahr 1990 zurück. Damals gründete Hussein Bader Al-Din Al-Huthi - nach ihm benannte sich die Bewegung - die Al-Haq-Partei, die sich für die Belange der Schiiten in den über weite Teile wenig entwickelten Nord-Provinzen einsetzen sollte. Als zaiditische Schiiten bilden sie im Islam eine besondere Minderheit - und fühlten sich daher im mehrheitlich sunnitischen Jemen immer schon unterdrückt.

Kämpfer der Huthis, 21.9. 2014 (Foto: AFP)
Entschlossen: Kämpfer der HuthisBild: AFP/Getty Images

Konflikt mit der Zentralmacht

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 in den USA wuchs im Jemen die Zahl der Extremisten. Auf der Suche nach einem militärischen Gegengewicht nahm der damalige Präsident Ali Abdullah Saleh Verbindungen zu den schiitischen Huthis auf. Das Bündnis hielt bis zum Beginn der amerikanischen Irak-Invasion im März 2003, die Al-Huthi auf das Schärfste verurteilte. Präsident Saleh bezeichnete er als Agenten im Dienste Israels und der USA. Saleh veränderte daraufhin seine Politik: Er suchte das Gespräch mit den Sunniten und setzte deren Prediger in vielen Moscheen im Norden des Landes ein.

Die Spannungen zwischen Huthis und der Regierung in Sanaa stiegen. Im Juni 2004 sollte Al-Huthi unter dem Vorwand eines Putschversuches verhaftet werden, doch der Plan scheiterte. Die Huthis reagierten darauf mit Angriffen auf Einrichtungen der Regierung – der Beginn eines mehrjährigen Krieges der knapp 7000 Huthis und 4000 Soldaten das Leben kostete. Hussein Al-Huthi selbst kam unmittelbar nach Ausbruch der Kämpfe, im September 2004, ums Leben.

Der Jemen und seine Nachbarn

Trotz internationaler Vermittlungsbemühungen zogen sich die Kämpfe bis kurz vor das Revolutionsjahr 2011 hin. Die Anliegen der Revolutionäre in der arabischen Welt versuchten die Huthis auch für ihre Interessen zu nutzen. So nahmen ihre Vertreter auch an der im März 2013 einberufenen "Konferenz des Nationalen Dialogs" teil. In jener Zeit bezeichnete sich die Gruppe bereits mit einem anderen Namen": Ansar Allah, "Unterstützer Gottes."

Kampf um Sanaa, 20.09.2014 (Foto: Reuters)
Umkämpft: Jemens Hauptstadt SanaaBild: Reuters/Khaled Abdullah

Die Rolle der Huthis wird unterschiedlich bewertet. Den einen gelten sie als Sozialrevolutionäre, denen es vor allem um die Entwicklung des wirtschaftlich abgeschlagenen Nordens und der Rechte seiner Bewohner gehe. Andere widerum sehen sie als fundamentalistische Bewegung, die sich um rechtstaatliche Belange wenig schere. Die Journalistin Maysaa Shuja al-Deen schreibt in ihrem Artikel beim Internet-Portal "Al-Monitor", in den von ihnen beherrschten Gebieten, hätten die Huthis das Musikhören verboten. Auch die Frauen genössen bei ihnen wenig Rechte.