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Ärger um "Jerusalema"-Challenge

Torsten Landsberg
16. Februar 2021

Die "Jerusalema"-Tanzchallenge sollte in der Corona-Pandemie Mut machen. Nun verlangt die Plattenfirma Warner Music Lizenzgebühren für die Nutzung des Songs.

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Auf einem Flugfeld tanzen Flugbegleiter in Schutzwesten, im Hintergrund ist ein Flugzeug zu sehen.
Choreografie mit Abstand: Flugpersonal tanzt auf dem Flughafen in Riga.

Es gab in den vergangenen Monaten nicht viele Gelegenheiten, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Die Menschen sind gezwungen, auf soziale Distanz zu gehen. Das Internet war und ist in der Corona-Pandemie ein Zufluchtsort, um miteinander in Verbindung zu bleiben, in Kontakt zu treten - und Solidarität zu erzeugen.

Zu einem Wir-Gefühl trug besonders im Jahr 2020 auch die "Jerusalema"-Challenge bei: Zum Ende 2019 erschienenen Lied des südafrikanischen Sängers Master KG tanzten Menschen weltweit in selbst gedrehten Videos - in Deutschland vor allem jene, die in dieser schwierigen Zeit in systemrelevanten Berufen arbeiten: Polizeibeamte und -beamtinnen, Pfleger und Pflegerinnen, Feuerwehrleute. Ihre Videos auf YouTube sind millionenfach angeklickt worden, noch immer kommen täglich neue Filme hinzu.

"Jerusalema" ungefragt genutzt

Nun hat die Plattenfirma Warner, bei der Master KG unter Vertrag steht, Lizenzgebühren für die Verwendung des Liedes in den Videos eingefordert. Die Tänzerinnen und Tänzer hatten das Lied meist einfach genutzt, ohne vorab das Einverständnis einzuholen oder die Bedingungen abzufragen. Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen hat die Forderungen für die teilnehmenden Polizei-Dienststellen des Bundeslandes einem "Focus"-Bericht zufolge bereits beglichen.

Die Plattenfirma Warner Germany beschwichtigt: Von Strafzahlungen könne keine Rede sein, sagt eine Unternehmenssprecherin auf DW-Anfrage. Private Personen müssten für die Verwendung von "Jerusalema" im Rahmen der Challenge in Deutschland, Österreich und der Schweiz keine Lizenz einholen. Anders sehe es aus, wenn "ein werblicher oder imagefördernder Effekt zugunsten einer Institution, Organisation oder Firma gegeben ist". Dann gehe es um die Aufnahme von Lizenzverhandlungen.

Moralisch, rechtlich, solidarisch

Die Empörung ist groß. Es kursieren offene Briefe an Warner, und in den sozialen Netzwerken braut sich ein Shitstorm zusammen. Der Tenor: Die Plattenfirma wolle sich mit der viralen Challenge und deren gut gemeintem Charakter wahlweise die Taschen füllen oder diese gute Sache direkt im Keim ersticken.

Moralisch lässt sich darüber streiten, ob das Vorgehen Warners angemessen ist. Bei aller Aufregung und Kritik sollten allerdings die rechtliche und auch die solidarische Komponente nicht unberücksichtigt bleiben.

Rechtlich ist die Sache eindeutig: "Das Lied ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Einverständnis nicht weiterverbreitet werden", sagt Karl-Nikolaus Peifer, Professor für Bürgerliches Recht mit Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz, Neue Medien und Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln. Auch vor der Verwendung in einem neuen Kontext, etwa einem selbst gedrehten und veröffentlichten Video, müsse der Urheber gefragt werden. Sonst entsteht eine Urheberrechtsverletzung.

Das hätte weniger kleinen Feuerwehren, aber durchaus den Justiziaren großer Klinikkonzerne auffallen können, deren Belegschaften sich an der Challenge beteiligt haben. Manche Feuerwehren haben im weiteren Sinne auch an der Challenge teilgenommen, ohne den "Jerusalema"-Song zu verwenden. Sie haben auf lizenzfreie Musik zurückgegriffen.

DJ Master KG und Nomcebo Zikode bei Aufnahmen im Studio.
Zeichen der Hoffnung: DJ Master KG und die Sängerin Nomcebo Zikode bei den Aufnahmen zu "Jerusalema"Bild: Open Mic Productions/dpa/picture alliance

Darüber hinaus muss die ungenehmigte Verwendung solidarisch hinterfragt werden: Es greift zu kurz, hinter dem Fall nur einen raffgierigen Musikkonzern zu sehen. Auch Musikerinnen und Musiker leiden finanziell unter der Pandemie. Bei der ungefragten Nutzung eines Liedes entgehen dem Künstler Tantiemen. "Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass unsere Künstler und Künstlerinnen eine faire Vergütung für die Nutzung ihrer Musik erhalten", heißt es dazu von Warner.

Alternativ hätte Warner die Challenge-Teilnehmer abmahnen und die Löschung der Videos verlangen können, ohne eine Gebühr in Rechnung zu stellen, erklärt der Rechtsexperte Karl-Nikolaus Peifer. Allerdings gingen der Musikindustrie bereits viele Umsätze durch Piraterie verloren. "Bei der Einstellung, dass jeder Content auf YouTube eine Bereicherung ist, geht häufig unter, dass irgendjemand die Künstler bezahlen muss."

Natürlich lässt sich argumentieren, dass Master KG und sein Label Warner von der Challenge profitiert haben, weil diese zur Bekanntheit des Songs beigetragen hat. Nichtsdestotrotz wird Kunst, insbesondere bei Musik und Filmen, immer noch oft als Selbstbedienungsladen interpretiert. Niemand würde auf die Idee kommen, für einen Videodreh ungefragt ein fremdes Auto zu nutzen.