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Deutsche Bank streicht Tausende Jobs

Henrik Böhme, z.Zt. Frankfurt29. Oktober 2015

Der radikale Umbau bei der Deutschen Bank wird Tausende Jobs kosten, kündigte Co-Chef John Cryan auf seiner ersten Pressekonferenz an. Die Aktionäre stimmte er auf magere Jahre ein. Aus Frankfurt Henrik Böhme.

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Deutschland PK Deutsche Bank John Cryan
Bild: Getty Images/T. Lohnes

Radikaler Konzernumbau bei Deutscher Bank

Die Erwartungen waren riesig an den ersten öffentlichen Auftritt des seit Sommer amtierenden Co-Chefs der Deutschen Bank, John Cryan. Entsprechend groß war die Zahl der Kamerateams, der Fotografen und Journalisten, die den Weg in das Hauptquartier der Bank nach Frankfurt am Main gefunden hatten. Als Cryan den Saal am Donnerstagmorgen (29.10.2015) kurz vor neun Uhr betrat, entlud sich ein ordentliches Blitzlichtgewitter: Denn aktuelle Bilder von ihm, erst recht mit dem Logo der Deutschen Bank im Hintergrund, die gab es bislang schlichtweg nicht.

Bekanntes und Neues

Dann wurde es spannend, auch wenn vieles schon länger bekannt war. Denn den Verlust von über sechs Milliarden Euro im dritten Quartal - so viel hat die Bank noch nie in einem Quartal verloren - hatte man schon vor drei Wochen verkündet. Auch der Neuzuschnitt der Geschäftsbereiche einschließlich der neuen Führungsmannschaft war keine Neuigkeit mehr. Und schließlich hatte man am Abend vor der Pressekonferenz auch noch die schlechte Nachricht für die Aktionäre verbreitet: Zwei Jahre lang werden sie auf die Dividende verzichten müssen. Ein Novum in der jüngeren Geschichte der Deutschen Bank, das gab es zuletzt vor mehr als fünf Jahrzehnten.

Was also hatte der Neue zu verkünden? Noch mehr schlechte Nachrichten, zum Beispiel konkrete Zahlen zum Personalabbau: Cryan will die Bank "einfacher und effizienter machen", und das heißt eben auch: schlanker. Um fast ein Drittel will das Geldhaus beim Personal schrumpfen. Von den heute noch rund 100.000 Mitarbeitern sollen bis 2018 noch 77.000 übrig bleiben. 9000 Stellen werden direkt bei der Bank gestrichen, 4000 davon in Deutschland. Dazu kommen 6000 Jobs bei externen Dienstleistern, das sind satte 20 Prozent derer, die bislang für die Bank von außen gearbeitet haben. Außerdem verschwinden mit der schon geplanten Abspaltung der Postbank weitere 15.000 Mitarbeiter von der Gehaltsliste der Frankfurter. "Dies ist nie eine einfache Aufgabe und wir tun dies auch nicht leichten Herzens", sagte Cryan und sicherte zu, diesen "Prozess auf faire Art und Weise und gemeinsam mit den Betriebsräten" anzugehen.

Weniger Ausland, mehr Eigenkapital

Auch ihr Auslandsgeschäft wird die Deutsche Bank verschlanken. Aus zehn Ländern will man sich komplett zurückziehen, zum Beispiel aus Argentinien, Norwegen und Neuseeland. Das alles soll die Kosten um rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr drücken, aber erst mal kostet der ganze Umbau eine Menge Geld, geschätzt bis zu 3,5 Milliarden Euro. Und gleichzeitig hat die Bank am Vorabend auch ehrgeizige Finanzziele verkündet. So soll das sogenannte "harte Kernkapital" bis 2018 auf eine Quote von 12,5 Prozent geschraubt werden, die Europäische Bankenaufsicht verlangt eigentlich nur acht Prozent. Das heißt: Eine riskante Position in den Büchern von 100 Euro muss mit acht Euro an eigenem Geld abgedeckt sein. Aber die Bank, die zuletzt heftig im Kreuzfeuer der Bankenaufsicht stand, kann gar nicht anders, als sich geläutert zu geben: Sonst wären alle Pläne, die Cryan heute verkündet hat, direkt Makulatur.

"Wollen wieder normale Bank werden"

Überhaupt stimmte der neue Mann, der ab kommenden Sommer die alleinige Verantwortung übernimmt, die Investoren und Aktionäre auf zwei harte Jahre ein: Keine Dividende, aber auch keine glänzenden Zahlen seien zu erwarten. 2018 werde das Jahr der Wahrheit, so Cryan, dann wolle man wieder eine "normale Bank" sein. Dann müsse die neue Strategie 2020 erste Früchte tragen. Diese Strategie stammt übrigens in ihren Grundzügen nicht von ihm, sondern von seinen Vorgängern Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Aber beide konnten die Aktionäre eben nicht mit der Umsetzung der Pläne überzeugen. Jain musste im Sommer gehen, Fitschen begleitet Cryan noch für ein dreiviertel Jahr. Der konnte sich freilich eine Spitze in Richtung seines Vorgängers nicht verkneifen: Wir haben kein Strategieproblem. Wir wissen sehr genau, wohin wir wollen", sagte Cryan. "Jedoch hat die Deutsche Bank seit vielen Jahren ein gravierendes Problem, diese Strategie auch umzusetzen."

Bescheiden im Auftreten

Doch nun muss John Cryan beweisen, dass er der Richtige ist, die neue Strategie auch umzusetzen. Die Aufräumarbeiten ist er mit einem beeindruckenden Tempo angegangen, daher habe er eben auch keine Zeit gehabt für Pressekonferenzen. Auch habe er viel Zeit damit verbracht, das Gespräch mit den Aufsichtsbehörden zu suchen. Offenbar war da eine Menge Porzellan zu kitten. Und er hat sich offenbar auch eine Menge Zeit genommen, die Bank genau unter die Lupe zu nehmen. Was er entdeckte, dürfte ihm den Schlaf geraubt haben: Die IT-Systeme beispielsweise seien in einem dramatisch schlechten Zustand, wenigstens 35 Prozent der Hardware sei veraltet oder hätte ihren Lebenszyklus längst überschritten. Um das auf Vordermann zu bringen, werden Hunderte Millionen investiert werden müssen.

Anders als sein Vorgänger Anshu Jain hielt Cryan seinen Vortrag vor der Presse auf Deutsch, nur Fragen beantwortete er auf Englisch. Doch auch hier rutschten ihm mehr als einmal deutsche Vokabeln heraus, "Vergütungskontrollausschuss" zum Beispiel oder "that is unser Kerngeschäft". Doch das machte Cryans Auftritt aus: keine Show, keine Attitüden, sondern ein bescheidener Arbeiter, der einen Plan hat und eine Menge Arbeit vor sich. Denn die Pressekonferenz heute dürfte für eine Weile der letzte öffentliche Auftritt gewesen sein. Es gibt dramatisch viel zu tun auf der Großbaustelle Deutsche Bank.