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'Ich bin ein Berliner'

Andrea Grunau26. August 2009

26. Juni 1963 - US-Präsident Kennedy legt sein berühmtes Bekenntnis zu Berlin ab: "Vor 2000 Jahren war der stolzeste Satz: Ich bin ein Bürger Roms. Heute in der freien Welt ist der stolzeste Satz: Ich bin ein Berliner."

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Vor dem Rathaus Schöneberg in Berlin spricht der amerikanische Präsident John F. Kennedy am 26. Juni 1963 - Foto: dpa/lbn
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Den letzten Satz spricht Kennedy auf Deutsch und wiederholt ihn am Ende seiner Rede noch einmal. Hunderttausende Menschen jubeln John F. Kennedy an diesem Sommertag in Berlin zu. Nicht nur die Berliner hatten unmittelbar nach dem Mauerbau im August 1961 deutliche Worte der Amerikaner vermisst. Zwei Jahre später ist der charismatische US-Präsident, der neben dem 87-jährigen Kanzler Konrad Adenauer besonders jung und dynamisch wirkt, zum 15. Jahrestag der Luftbrücke nach Berlin gekommen.

Begleitet von einer Motorrad-Eskorte fahren der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, und Bundeskanzler Konrad Adenauer (l-r) in einem offenen Wagen am 26.06.1963 durch Berlin. Rund eineinhalb Millionen Menschen säumen die Straßen, winken und jubeln dem amerikanischen Präsidenten zu
Kennedy, Brandt und Adenauer (vorn, v. l.) fahren durch BerlinBild: dpa

"In dieser Stadt Berlin", sagt der Regierende Bürgermeister und spätere Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), "wurde nach dem schrecklichen Krieg die deutsch-amerikanische Freundschaft geboren." Im Juni 1948 waren in West-Berlin die ersten "Rosinenbomber", also die Versorgungsflugzeuge der Alliierten gelandet, mit denen der US-amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay die Blockade der sowjetischen Truppen überbrücken ließ. Kennedy nimmt Clay 1963 mit nach Berlin. Am Ende des Tages ist der US-Präsident überwältigt von der Begeisterung der Deutschen.

Der Kalte Krieg schweißt die einstigen Gegner zusammen

Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU, 1949-63) ist von Anfang an entschlossen, die junge Bundesrepublik eng an den Westen zu binden. Die Koreakrise hat Ängste vor der gefährlichen Konfrontation mit der Sowjetunion geweckt. Jetzt wollen die USA in Deutschland und damit im Zentrum der Ost-West-Konfrontation, die Demokratie stärken, das Land eng an die Westmächte binden und für seine Sicherheit garantieren. Das ist ganz im Sinne Adenauers. Er verknüpft die innenpolitisch sehr umstrittene Wiederbewaffnung mit der Forderung nach größerer Souveränität des westdeutschen Staates. Tatsächlich endet 1955 das westliche Besatzungsstatut und die Bundesrepublik wird Mitglied der NATO.

Konrad Adenauer trägt beim Staatsbesuch 1956 in den USA einen indianischen Federschmuck und teilt mit einem Ureinwohner die Friedenspfeife
"Die Indianer ernennen noch lange nicht jeden zum Indianer", berichtet Adenauer von seiner Auszeichnung in MilwaukeeBild: dpa/pa

Kanzler Adenauer fliegt mehrfach in die USA. 1956 reist er nach Milwaukee in Wisconsin, das sich "die deutscheste Stadt in Amerika" nennt. Die Deutschen sind historisch die größte Einwanderergruppe in den USA. Doch auch die Ureinwohner ehren den Gast. Adenauer wird mit einem indianischen Federschmuck als "Weiser Führer vieler Menschen" ausgezeichnet, raucht die Friedenspfeife und schließt Blutsbrüderschaft.

Das deutsch-amerikanische Bündnis bleibt in den nächsten Jahrzehnten stabil. Zwar sorgen die deutschen Proteste gegen Wiederbewaffnung und die Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden für Spannungen. Aber auch Adenauers Nachfolger im Kanzleramt, Ludwig Erhard (CDU, 1963-66), hält an der engen Partnerschaft mit den USA fest, er weist französische wie sowjetische Annäherungsversuche zurück. Erhard ist überzeugt, dass die Bundesrepublik im Krisenfall nur mit militärischer Unterstützung der USA überleben kann.

Erste Entfremdung durch den Vietnamkrieg

Mitte der 1960er Jahre, während der Großen Koalition unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU, 1966-69), wächst auch in Deutschland die Protestbewegung gegen den Krieg der USA in Vietnam. Die SPD des damaligen Außenministers Willy Brandt fordert öffentlich ein Ende aller militärischen Aktivitäten in Vietnam. Je mehr sich die USA in Vietnam engagieren, desto stärker richtet sich die deutsche Regierung auf Paris aus. Als dann Willy Brandt 1969 als erster Sozialdemokrat Bundeskanzler wird und damit der Mann, den man schon einmal den "deutschen Kennedy" genannt hat, geht er mit seiner Ostpolitik ganz neue Wege. Brandts Bemühen, das Verhältnis zur Sowjetunion zu entspannen, löst zwar in den USA auch Sorgen aus, wird von US-Präsident Richard Nixon aber mitgetragen.

Kanzler Helmut Schmidt (l) und US-Präsident Jimmy Carter (r) 1980 in den USA (Foto: dpa)
Kanzler Helmut Schmidt (l) und US-Präsident Jimmy Carter (r) 1980 in den USABild: dpa

Über Brandts Nachfolger Helmut Schmidt (SPD, 1974-82) und US-Präsident Jimmy Carter erzählt man, dass sie sich nicht sonderlich mögen. Carter spricht bei seinem Besuch in Bonn zwar auch Deutsch und zitiert Schillers Ode an die Freude "Alle Menschen werden Brüder". Doch es gibt Streit zwischen den USA und der Bundesrepublik: über den Dollarkurs, Wirtschaftsfragen, deutsche Exporte von Nukleartechnik und die deutsche Ostpolitik. Trotzdem wird der NATO-Doppelbeschluss zur nuklearen Nachrüstung in enger deutsch-amerikanischer Abstimmung durchgesetzt. In Deutschland allerdings löst die Debatte um die Nachrüstung massive Proteste der Friedensbewegung aus. Die USA-Begeisterung hat Pause.

"Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder"

Carters konservativer Nachfolger Ronald Reagan arbeitet sehr eng mit dem neuen konservativen Kanzler Helmut Kohl (CDU, 1982-98) zusammen. Reagan setzt auf einen harten Kurs militärischer Stärke gegen Kommunismus und Sowjetunion. In die Geschichtsbücher schreibt er sich mit seinem Berlin-Auftritt im Juni 1987 ein. Die Sowjetunion ist bereits deutlich geschwächt, der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow hat Reformen eingeleitet. Reagan, begleitet von Demonstrationen gegen das Wettrüsten, sagt vor 25.000 ausgewählten Zuschauern am Brandenburger Tor: "Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor. Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder."

Ronald Reagan winkt seinen Zuhörern vor dem Brandenburger Tor zu (12.06.1987)
Ronald Reagan vor dem Brandenburger TorBild: AP

Das Tor ist auf - Amerika hilft bei der Wiedervereinigung

Gut zwei Jahre später ist es soweit: Am 9. November 1989 fällt die Mauer und Bundeskanzler Kohl erhält bei seinen Bemühungen um eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten Rückhalt durch US-Präsident George Bush senior. Schon im Mai 1989 hatte Bush bei seinem Besuch in Mainz die Deutschen als "Partners in Leadership" bezeichnet.

Der frühre sowjetische Präsident Michail Gorbatschow, Ex-US-Präsident George Bush und Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU, l-r) stehen am 17.06.2005 in Geisa an der hessisch-thüringischen Grenze lachend nebeneinander
Gorbatschow, Bush und Kohl im Jahr 2005Bild: dpa

Während die westeuropäischen Verbündeten Frankreich und Großbritannien die Übermacht eines vereinten Deutschlands fürchten, begrüßt Bush Deutschlands Wunsch nach Wiedervereinigung. Er besteht aber darauf, dass auch ein vereintes Deutschland NATO-Mitglied bleibt. "Die Unterstützung unserer amerikanischen Freunde werden wir nie vergessen", verspricht später Kanzler Kohl. Gemeinsam mit Bushs Nachfolger Bill Clinton schreitet er 1994 durch das geöffnete Brandenburger Tor.

Am 11. September 2001 schockieren die Terroranschläge von New York und Washington auch die Deutschen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der 1998 Helmut Kohl abgelöst hat, versichert den USA "uneingeschränkte Solidarität". Vor dem Bundestag bezieht er sich ausdrücklich auf den Berlin-Besuch Kennedys von 1963. Die Aussage "Ich bin ein Berliner", sagt Schröder, sei "Ausdruck einer unglaublichen Solidarität mit Deutschland" gewesen. Jetzt wolle man solidarisch mit dem amerikanischen Volk sein. Zwei Tage später gehen in Berlin fast eine Viertelmillion Menschen auf die Straßen, um sich an die Seite der USA zu stellen.

Solidarität ja, Irak-Krieg nein

Deutschland unterstützt die USA nach dem Angriff auf Afghanistan und stellt mehrere tausend Soldaten für den Anti-Terror-Krieg zur Verfügung. In Washington regiert mittlerweile George W. Bush, der Sohn von George Bush senior. Als sich die US-Pläne für einen Angriff auf den Irak abzeichnen, macht Schröder klar, dass Bush dabei nicht auf deutsche Unterstützung rechnen kann. Auch die deutsche Bevölkerung ist mehrheitlich gegen einen Krieg im Irak. Als Schröder im Herbst 2002 wiedergewählt wird, gratuliert Bush ihm nicht. Im Januar 2003 demonstrieren in Berlin 500.000 Menschen gegen den drohenden Irak-Krieg. In den nächsten Jahren bleibt das deutsch-amerikanische Verhältnis kühl und distanziert. Völlig abgeschirmt besucht Bush im Februar 2005 Mainz. Er fährt durch menschenleere Straßen.

US-Präsident George W. Bush legt Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Barbecue-Abend in Trinwillershagen am 13.07.2006 ein Stück gegrilltes Wildschwein auf den Teller (dpa)
Beziehungen wieder erwärmt: Bush und Merkel beim Wildschwein-GrillenBild: picture-alliance/dpa

Erst unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, seit 2005) werden die deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder enger. Bei Merkels Antrittsbesuch Anfang 2006 in Washington zeigt sich Bush fasziniert von der ostdeutschen Vergangenheit der Kanzlerin: "Sie ist klug und sie liebt die Freiheit", lobt er Merkel. Die deutsch-amerikanischen Staatsbesuche werden wieder häufiger und persönlicher. Merkel empfängt Bush zum Wildschwein-Grillen in ihrer mecklenburgischen Heimat, Bush lädt sie im Gegenzug auf seine Ranch in Texas ein. Allerdings bleibt man bei Themen wie Klimaschutz oder Menschenrechtspolitik uneins.

"Yes we can" – Deutsche Begeisterung für Obama

Die deutsche Bevölkerung kann sich erst wieder für die US-Politik begeistern, als Präsidentschaftskandidat Barack Obama auftritt. "Der schwarze Kennedy" ist ein Etikett, das man für ihn findet. Noch nicht gewählt kommt Obama im August 2008 nach Berlin und redet an der Siegessäule vor 200.000 Menschen, die ihn mit seinem Wahlkampfruf "Yes, we can!" empfangen. Zum ersten Mal seit dem Besuch Kennedys sind die Berliner und die Deutschen wieder absolut begeistert von einem US-Staatsmann. Genau wie bei Kennedy ergeben die Umfragen, dass die Deutschen diesen Mann wählen würden, wenn sie dürften. Und das, obwohl Obama von seinen Bündnispartnern wie Deutschland mehr Unterstützung einfordern will.