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Nye: "Trump hat keine Außenpolitik"

Michael Knigge8. August 2016

Die NATO in Frage zu stellen, ist Donald Trumps gefährlichste außenpolitische Position, sagt der Politikwissenschaftler Joseph Nye im DW-Interview. Nye erklärt auch, warum der Wahlkampf dem Image der USA schadet.

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USA Republikaner Donald Trump in Anaheim
Bild: Reuters/J. Ernst

DW: Führende europäische Politiker haben in ungewöhnlich deutlicher Weise ihre Bedenken gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump geäußert und betont, dass seine außenpolitischen Ideen die transatlantischen Beziehungen gefährden. Dagegen heben andere Beobachter hervor, dass die Sorge, ein Präsident Trump könne im Alleingang die internationale Ordnung aushebeln, übertrieben sei, da dies sowohl durch die politischen Kontrollmechanismen in den USA, aber auch durch internationale Opposition gegen seine Pläne verhindert würde. Wer hat recht?

Joseph Nye: Beide. Trump ist eine Abweichung vom Normalzustand, in dem Sinne, dass seit 70 Jahren niemand in Frage gestellt hat, dass Bündnisse ein Fundament von zentraler Bedeutung für die amerikanische Außenpolitik sind. Trump ist der erste Kandidat einer der beiden großen Parteien, der dies in Frage gestellt hat.

Gleichzeitig ist es jedoch auch zu wohlwollend zu sagen, Trump habe ein außenpolitisches Programm. Er hat Einstellungen. Aber wenn man fragt, was eigentlich seine Strategien sind, dann bleiben die Einzelheiten völlig unklar. Zudem hat er auch keine Berater, die klare Vorstellungen bei diesen Themen haben. Wenn er also - wie er selbst behauptet - ein Mann ist, der die Kunst des Verhandelns liebt, dann kann man sich vorstellen, dass er für die verschiedenen Kontroll- und Druckausübungsmechanismen empfänglich ist, sollte er Präsident werden. Also ja, man sollte über Trumps Einstellungen besorgt sein. Aber über seine konkrete Politik kann man noch nichts sagen. Seine Erfahrung besteht jedenfalls im Aushandeln von Deals.

Joseph Nye Jr ehemaliger Verteidigungsminister
Joseph Nye ist Professor an der Harvard University.Bild: Getty Images/A. Wong

Trumps zentrale politische Grundaussage ist, dass der internationale Status und die Macht der USA schwindet. Die Verantwortung dafür liegt demnach in der mangelnden Führungsstärke in Washington, was dazu geführt habe, dass die USA von ihren Verbündeten ausgenutzt und von ihren Gegnern nicht mehr Ernst genommen wird. Das schade der amerikanischen Bevölkerung, weshalb Trump verspricht, Amerika wieder groß und stark zu machen. Was ist denn falsch an Trumps Befund und seinem Versprechen?

Es ist faktisch inkorrekt. Ich habe vergangenes Jahr ein Buch mit dem Titel "Is the American Century over" geschrieben, in dem ich versuche zu analysieren, ob Amerika sich im Niedergang befindet oder ob die amerikanische Vormachtstelllung in den kommenden zwei oder drei Jahrzehnten schwinden wird. Alle Indizien sprechen dafür, dass die Antwort auf diese Fragestellung nein ist. Aber für einen Kandidaten, der Protestwähler anspricht, ist es Teil der politischen Rhetorik, wenn er behauptet, dass der Status Quo schrecklich und Amerika im Niedergang ist und dass man deshalb für ihn stimmen soll, damit er Amerika wieder stark macht.

Es besteht also ein großer Unterschied zwischen den Fakten, die ich versucht habe in meinem Buch darzustellen, und der politischen Rhetorik, mit der man versucht, ungefähr 30 bis 35 Prozent der Wähler anzusprechen. Dieses Wählersegment fühlt sich vom wirtschaftlichen Fortschritt zurückgelassen und ist geschockt von kulturellen Veränderungen. Man könnte dieses Segment als unzufriedene Wähler bezeichnen, die für den Protestkandidaten stimmen werden.

Was ist ihrer Ansicht nach Donald Trumps bislang gefährlichste außenpolitische Positionierung, zum Beispiel seine Bemerkungen über Russland, Terrorismus, NATO oder auch Einwanderung, um nur einige zu nennen?

Es sind so viele, dass es schwer ist nur eine Position hervorzuheben. Aber das Infragestellen der Bündnisstruktur ist wahrscheinlich seine insgesamt gefährlichste Position. Trump glaubt, dass er ein besseres Ergebnis bekommt, indem er Ungewissheit andeutet. Er schockt die Verbündeten, indem er sagt: ich bin nicht sicher, ob ich euch verteidige. Bei einer Immobilienverhandlung mag die Drohung, die Verhandlung abzubrechen, tatsächlich zu einem günstigeren Deal führen. Aber wenn es um Bündnisse und Versprechungen in der internationalen Politik geht, dann ist das Schaffen von Unsicherheit durch das Herbeiführen von Ungewissheit ein großer Fehler. Dies spielt genau in die Hände von Putin. Für mich ist die Infragestellung der Bündnisstruktur und die Ungewissheit, die dies auslöst, der bislang größte Schaden, den er angerichtet hat.

Hillary Clinton stellt ihre außenpolitische Ausrichtung im Prinzip als Weiterführung von Obamas Außenpolitik dar. Bei wichtigen Themen, wie zum Beispiel der Haltung gegenüber Russland oder dem syrischen Präsidenten Assad vertritt sie aber eine deutlich härtere Linie. Clinton wird generell als aufgeschlossener für militärische Interventionen als Obama angesehen. Zudem hat sich kürzlich auch ihre Haltung gegenüber internationalen Handelsabkommen revidiert. Mit Blick auf diese Unterschiede, ist es legitim Clintons Außenpolitik als Fortsetzung der Politik Obamas zu beschreiben?

Es gibt immer die Frage, wie viel Wandel ist ein bedeutender Wandel. Wird es einige Veränderungen gegenüber Obama geben? Ganz sicher. Was den Einsatz von militärischer Gewalt angeht, wird der Wandel jedoch wohl relativ moderat sein. Ich denke nicht, dass sie eine Invasion nach dem Vorbild vom Irak in Syrien durchführen würde. Könnte sie eine Flugverbotszone einrichten oder die Bombardierungskampagne intensivieren? Möglicherweise. Aber ich betrachte das nicht als große Veränderung.

Einen bedeutendenderen Wandel hat sie beim internationalen Handel und mit ihrer Abkehr von der Transpacific Partnership (TPP) vorgenommen, einem Abkommen, dass teils in ihrer Zeit als Außenministerin ausgehandelt wurden. Dies ist eine wichtigere Veränderung. Wenn sie das umsetzen will, sollte Obama TPP nicht noch durch den Kongress bekommen. Nachdem, was sie im Wahlkampf gesagt hat, ist es schwer vorstellbar, wie Hillary TPP zu einer ihrer Prioritäten machen könnte.

Sie haben den Begriff Soft Power in den internationalen Beziehungen geprägt. Er bezeichnet die Fähigkeit, andere zu überzeugen, das zu tun, was man will, ohne den Einsatz militärischer Gewalt oder wirtschaftlichen Drucks. Gerade im Internetzeitalter ist ihrer Ansicht nach Glaubwürdigkeit die Grundlage für den effektiven Einsatz von Soft Power. Welche Auswirkungen auf die künftige Fähigkeit der USA Soft Power einzusetzen hat die Tatsache, dass die zwei Präsidentschaftskandidaten Trump und Clinton die historisch unbeliebtesten Kandidaten sind denen viele Amerikaner nicht vertrauen?

Ich denke, es hat einen negativen Effekt. Die Wahl von Barack Obama 2008 hat viel dazu beigetragen, die amerikanische Soft Power wiederherzustellen, die durch George W. Bushs Irak-Invasion beschädigt wurde. Die Tatsache, dass die Amerikaner ihren ersten afro-amerikanischen Präsidenten gewählt haben, hat die Attraktivität der USA und das Vertrauen in den politischen Prozess wiederhergestellt. Die Qualität des politischen Diskurses in diesem Jahr führt dazu, dass Menschen außerhalb der USA auf das Land schauen und sagen, vielleicht ist es doch nicht so attraktiv wie wir zuerst dachten.

Das bedeutet, dass die Wahl von Trump oder Clinton der internationalen Attraktivität oder Glaubwürdigkeit Amerikas schaden könnte?

Ich denke nicht, dass dies im Falle der Wahl Clintons, also dem wahrscheinlichsten Ausgang, passieren wird. Denn sie ist eine international erfahrene Politikerin, sie wird über sehr gute internationale Kontakte verfügen und kennt bereits viele andere führende Politiker. Sie wird in der Lage sein, ein Gefühl von Vertrauen zu entwickeln. Deshalb glaube ich nicht, dass die einheimischen Umfragen verhindern werden, dass sie zum Beispiel effektiv mit Angela Merkel zusammenarbeitet.

Joseph Nye ist Professor an der John F. Kennedy School of Government der Harvard University. Er gilt als einer der einflussreichsten Politwissenschaftler auf den Feldern Internationale Beziehungen und US-Außenpolitik.

Das Interview führte Michael Knigge.