Jubel für den Papst, nicht für Politiker
8. Juli 2015Der Zeitpunkt ist perfekt geplant: Einen Tag vor der Ankunft von Papst Franziskus am 8. Juli in Bolivien begann in Santa Cruz das zweite weltweite Treffen der sozialen Bewegungen. Boliviens Präsident Evo Morales und Kardinal Peter Turkson eröffneten das symbolträchtige Treffen - ein ungewohnter Schulterschuss zwischen Kirche und Staat.
"Die Kirche betrachtet die Bedürfnisse und Ziele der sozialen Bewegungen als ihre ureigenen und will sich den vielfältigen Initiativen anschließen", versicherte der Kardinal aus dem Vatikan auf dem Forum mit 1500 Teilnehmern. Ziel sei es, den sozialen Wandel in der Region voranzutreiben.
Ungewohnte Harmonie in den Anden: Noch bis vor kurzem lag Morales im Clinch mit der Kirche. Der erste indigene Präsident Boliviens hatte die katholische Kirche als "ein Symbol des europäischen Kolonialismus" bezeichnet, das aus Bolivien verschwinden müsse.
Doch seit dem Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro erobert Papst Franziskus mit seiner Ausrichtung auf eine Kirche der Armen verlorenes Terrain zurück. Nach der Bekämpfung von Befreiungstheologen in den 1980er und 1990er Jahren, die als marxistisch galten, versucht Papst Franziskus die politische Spaltung der Kirche in Lateinamerika zu überwinden.
Weniger Armut, mehr Aufruhr
Die Reise des Papstes nach Ecuador, Bolivien und Paraguay ist ein Symbol für diese angestrebte Versöhnung. Denn die drei Länder gehören zu den Beispielen für erfolgreiche Armutsbekämpfung und verzeichnen zudem mit rund fünf Prozent die höchsten Wachstumsraten in Lateinamerika.
In Paraguay verringerte sich die Armut in der Bevölkerung zwischen 2011 und 2014 von 32 auf 24 Prozent. In Bolivien sank die extreme Armut zwischen 2006 und 2014 von 38 Prozent auf 21 Prozent, und in Ecuador im selben Zeittraum von 16 Prozent auf sieben Prozent.
"Evo, meine Bewunderung. Ich begleite dich mit meinem Segen", soll Papst Franziskus beim Besuch von Morales im Oktober 2014 im Vatikan erklärt haben. Seitdem betrachtet der sozialistische Präsident Papst Franziskus als Verbündeten seiner "Revolution".
Die neue Verbundenheit zwischen bolivarischen Regierungen und katholischen Klerikern könnte schon bald an ihre Grenzen stoßen. Denn die Erfolge der sozialen Umverteilungsprogramme kontrastieren mit zunehmend autoritär anmutenden Regierungsstilen in Quito und La Paz.
In Quito protestieren seit vier Wochen unzufriedene Bürger. Dabei geht es um den Widerstand gegen geplante Steuererhöhungen, aber auch um Eingriffe in die Meinungsfreiheit. In Bolivien fühlen sich Medien verstärktem Druck seitens der Regierung ausgesetzt.
Beschwerde beim Bischof
Die bolivianische Pressevereinigung ANP überreichte dem Erzbistum Santa Cruz ein Schreiben, in dem sie Papst Franziskus bittet, sich während seines Besuches für Medien und Journalisten einzusetzen, denen der "steuerliche Erstickungstod droht", und deren Kontrolle dazu diene, "Angst und Selbstzensur" zu verbreiten.
Auch der Umgang mit "Pachamama - Mutter Erde" ist in Bolivien, Paraguay und Ecuador ein heikles Thema. "Der Schrei der Armen und der Erde ist notwendig, denn die sozialen und umweltpolitischen Probleme bedürfen einer ganzheitlichen Betrachtung", erklärte Kardinal Peter Turkson laut Presseberichten auf dem Welttreffen der sozialen Bewegungen in Bolivien.
Doch bei der praktischen Umsetzung dieses von allen Teilnehmern des Treffens befürworteten Grundsatzes stehen auch die drei kleinen lateinamerikanischen Länder vor Problemen. Im ecuadorianischen Amazonas wird die Erdölförderung im Yasuní-Nationalpark trotz internationaler Proteste vorangetrieben. Und in Paraguay vertreibt die Ausbreitung der riesigen Sojaplantagen Tausende von Kleinbauern.
In Bolivien schreitet die Verschmutzung des Titicaca-Sees durch unbehandelte Abwässer voran. Für die rund zwei Millionen Menschen, die im Einzugsgebiet des Sees leben, bedeutet dies vielfach die Zerstörung ihrer Existenzgrundlage, denn der Titicaca-See ist der größte Trinkwasserspeicher in Südamerika und aufgrund seines Fischreichtums eine wichtige Nahrungsquelle.
Papst Franziskus nimmt die schwierige Gemengelage gelassen. In Ecuador wehrte er sich mit einem Kompliment gegen die politische Vereinnahmung seines Gastgebers Rafael Correa. "Ich danke dir für deine Übereinstimmung", zitiert die Zeitung "El País" den Papst, "aber vielleicht hast du mich zu oft erwähnt".