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"Jugend erinnert": Mehr Fördergeld für Gedenkkultur

Torsten Landsberg
8. April 2019

Rassismus und Antisemitismus in Deutschland nehmen zu. Mit der Initiative "Jugend erinnert" will die Kulturstaatsministerin 74 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager neue Formen des Gedenkens entwickeln.

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Deutschland Jugendliche in der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald
Jugendliche in der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower WaldBild: picture-alliance/dpa/N. Bachmann

"Wir müssen jungen Menschen vermitteln, was die Geschichte mit ihrer eigenen Lebenswelt zu tun hat." Menschenrechte und Demokratie seien zu abstrakte Begriffe, die erst mit Leben gefüllt werden müssten, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters am Montag (8.4.2019) bei der Präsentation im Anne Frank Zentrum in Berlin.

Weil es immer weniger Holocaust-Überlebende gebe, werde die Annäherung an das Unfassbare der Ermordung von Millionen von Menschen durch die Nazis zunehmend schwieriger. "Die Konfrontation mit der Unmenschlichkeit, zu der Menschen fähig sind, ist als emotionaler Moment nicht zu ersetzen."

Buchenwald Gedenken Deportation Sinti- und Romakinder
Aktion Sühnezeichen: Gedenksteine für deportierte Kinder auf dem Gelände des ehemaligen KZ BuchenwaldBild: picture-alliance/dpa

Das Förderprogramm "Jugend erinnert" soll NS-Gedenkstätten und Dokumentationszentren in Deutschland die Entwicklung auch neuer Bildungsformate ermöglichen. Die Initiative war 2018 im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert worden.

Bis einschließlich 2022 stehen dafür 17 Millionen Euro zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Fördermittel sollen die Einrichtungen neue Kooperationen ausarbeiten. Sie könnten auch ungewöhnliche Wege gehen und Experimente wagen, sagte Grütters.

Gedenkstättenbesuch allein reicht nicht 

Der Besuch einer Gedenkstätte bringe allerdings keine Wunderheilung, mahnte Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie Mitglied im Beirat des neuen Förderprogramms. Deshalb solle "Jugend erinnert" aktiv in die Gesellschaft hinein wirken. Als Beispiele nannte Knigge Patenschaften, Fanprojekte oder Workshops für junge Polizisten, die in ihrer täglichen Arbeit mit Rechtsextremismus konfrontiert seien.

Tor der Gedenkstätte Dachau in Norwegen sichergestellt
Zynismus der Nazi-Ideologie: Eingangstor zum Konzentrationslager DachauBild: picture alliance/dpa/M.Gambarini

Die neuen Konzepte dürften auch scheitern, betonte Knigge, "denn wenn alles funktioniert, fehlt die fachliche Selbstreflexion". Das Programm richte sich auch an kleine Einrichtungen, die derzeit ehrenamtlich arbeiten.

Zuvor hatte sich die Kulturstaatsministerin für verpflichtende Gedenkstättenbesuche als Teil der akademischen Lehrerausbildung ausgesprochen. In den wenigsten fachrelevanten Studiengängen seien Besuche in Gedenkstätten vorgesehen, unterstrich Grütters in Berlin. "Wie sollen Lehrerinnen und Lehrer denn auf dem Schulhof angemessen auf Diskriminierungen reagieren, wenn sie sich im Studium nicht damit auseinander gesetzt haben?"

Ansprache für Jugendliche auf dem rechten Rand

Für Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und für den Kampf gegen Antisemitismus, liegt der Fokus des Förderprogramms weniger darauf, Menschen anzusprechen, die für die Gedenkkultur ohnehin offen seien, sondern auf denjenigen, "die kippeln und in Gefahr sind, abzudriften".

Die Gedenkstätten zeigten doch genau, "wie stark unsere Gesellschaft, unser Kulturland vor 80 Jahren versagt hat. Sich das vor Augen führen, hilft, unseren inneren Kompass heute zurechtzurücken."

Felix Klein - Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung
Wichtige Stimme gegen den zunehmenden Antisemitismus: Bundesbeauftragter Felix KleinBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Auch für Kulturstaatsministerin Monika Grütters schlägt dieser Kompass in der Gesellschaft gegenwärtig zu sehr nach rechts aus. "Die Debatten über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit werden kontroverser", stellt sie fest. Diskriminierende und ausgrenzende Parolen würden immer ungenierter öffentlich kundgetan.

Es sei etwas "ins Rutschen geraten", was auch daran erkennbar sei, dass Rapper wie Kollegah und Farid Bang oder die Rockband Rammstein in ihrem aktuellen Musikvideo "die Kunstfreiheit schamlos und geschmacklos ausnutzen". Grütters kündigte an, das Programm "Jugend erinnert" langfristig durch einen Zweig zur Aufarbeitung der SED-Zeit zu erweitern, der momentan noch entwickelt werde.