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Vom Helden zum Problemfall

Jeanette Seiffert19. August 2014

Seit über zwei Jahren sitzt Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. Jetzt will er seinen Zufluchtsort verlassen: Wie der Wikileaks-Gründer vom Freiheitshelden zum diplomatischen Problem wurde.

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Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London. Foto: REUTERS/John Stillwell/pool
Bild: Reuters

Vier Jahre ist es her, da war der Mann mit den silberweißen Haaren und dem sanften Blick für die USA noch Staatsfeind Nummer eins: Das war auf dem Höhepunkt der Aufregung um die brisanten Enthüllungen auf der Internetplattform Wikileaks, die der Programmierer und Computerhacker mitbegründet hat. Dort wurden Hunderttausende vertrauliche Diplomatenberichte veröffentlicht, unter anderem Depeschen US-amerikanischer Botschaften sowie interne Militärdokumente. Der so genannte "Cablegate" brachte Washington, aber auch andere Regierungen, außenpolitisch in Bedrängnis. Deshalb droht dem gebürtigen Australier bis heute in den USA eine Anklage wegen Beilhilfe zur Spionage.

Doch von seinem einstigen Ruhm als Whistleblower ist nur noch wenig übrig geblieben. Seine Rolle als Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit ist längst umstritten. In die Fänge der Justiz geriet er aber durch eine andere pikante Angelegenheit: Die schwedischen Behörden ermitteln gegen den 43-Jährigen wegen sexueller Nötigung und Belästigung zweier Frauen. 2012 wollte ihn deshalb sein Gastland Großbritannien nach Schweden überstellen. Um der Auslieferung zu entgehen, flüchtete Assange schließlich am 19. Juni in die ecuadorianische Botschaft in London, wo er ein so genanntes "diplomatisches Asyl" erhielt. Seitdem lebt er dort als Dauergast auf wenigen Quadratmetern, ohne das Gebäude verlassen zu können. 11.000 Euro pro Tag kostet den britischen Staat die Bewachung des Botschaftsgeländes.

Von dort aus koordiniert Assange nach wie vor die Arbeit der Enthüllungsplattform Wikileaks. Doch diese kämpft insbesondere seit Bekanntwerden der Snowden-Dokumente gegen die Bedeutungslosigkeit. Außerdem setzen interne Streitigkeiten und Geldprobleme der Organisation zu. Wie Besucher berichten, arbeitet Julian Assange in seinem winzigen Arbeitszimmer in der ecuadorianischen Botschaft aber noch immer wie besessen an Wikileaks-Dokumenten, angeblich oftmals bis spät in die Nacht. Seit Wochen wird über Assanges gesundheitlichen Zustand spekuliert: Journalisten berichten über sein blasses Aussehen, zitternde Hände und Husten. Die britische Presse vermutet Lungen- und Herzprobleme.

Journalisten vor der ecuadorianischen Botschaft. Foto: EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA
Ein Mann im Belagerungszustand: Journalisten vor der ecuadorianischen Botschaft in LondonBild: picture-alliance/dpa

Wie eine Exit-Strategie für Julian Assange aussehen könnte, ist nach wie vor völlig offen. Er würde vermutlich verhaftet, sobald er das Gebäude verlässt. Sein Aufenthalt in der Botschaft hat ein diplomatisches Patt verursacht, eine Einigung zwischen Ecuador, Großbritannien und Schweden ist bisher nicht in Sicht.