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Jung, modern, Betreuungsgeld?

Jenny Genzmer14. April 2015

Sandra und Christian sind jung, erfolgreich und leben in Berlin, Prenzlauer Berg. Seit einem Monat sind die beiden zu dritt. Wäre das Betreuungsgeld für die Familie eine Option?

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Symbolbild Betreuungsgel (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Brandt

"Als ich anfing, für Martin einen Kitaplatz zu suchen, wusste ich noch nicht mal, wie er aussieht", sagt Sandra. Sie erzählt von zahllosen Anträgen, die sie in den letzten Monaten geschrieben hat, um einen Platz in einer Kindertagesstätte (Kita) für ihren Sohn zu finden. Sie braucht einen Platz für August, im August 2016 wohl gemerkt.

Bis dahin ist Sandra zuhause. Sie sitzt zusammen mit ihrem Mann Christian auf der Couch in der neuen Altbauwohnung. Das Kind auf ihrem Schoß hat noch Schwierigkeiten, seinen Kopf zu halten. Bevor sie in ein Online-Startup wechselte, war sie in einem sozialen Beruf bis zur Filialleiterin aufgestiegen. Hat vielen Klienten durch den Formular-Dschungel der deutschen Sozialsysteme geholfen. Nun ist sie selbst auf der Suche. "Ich würde mir wünschen, dass die Planung von Kinderbetreuung einfacher ist", sagt sie. Die Kitas hätten nicht genug Plätze und man wolle ja auch noch ein Wahlrecht haben, wo das Kind am Ende unterkomme.

Der Sohn steht auf der Warteliste

Als Alternative zum Kitaplatz setzte die CSU das Betreuungsgeld durch. Seit August 2013 haben Eltern Anspruch auf mittlerweile 150 Euro im Monat, wenn sie keine staatlichen Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen und das Kind im zweiten und dritten Lebensjahr zuhause betreuen. Ausgeschlossen sind Hartz-IV-Empfänger. SPD, Grüne und Linke, die mit Vorliebe von der "Herd-" oder "Kitafernhalteprämie" sprechen, scheiterten in der Bundestagsdebatte im November 2012 mit ihren Anträgen, das investierte Geld stattdessen in den Ausbau von Kitaplätzen zu stecken.

Die damalige CSU-Familienpolitikerin Dorothee Bär hatte das Gesetz mit eben jener Wahlfreiheit beworben, die Sandra und Christian sich bis heute nur wünschen. Junge Familien, so Bär, sollten selbst bestimmen können, wo sie ihr Kind betreuen oder betreuen lassen. Dafür hatte der Bund im Dezember 550 Millionen Euro zusätzlich in den Kita-Ausbau gesteckt. Wie in anderen Bundesländern ist die Situation aber auch in Berlin noch angespannt. "Eine Kita hat schon geantwortet", erzählt Sandra. Ihr Sohn stehe auf der Warteliste, sie solle sich im September wieder melden.

Symbolbild - Kita
Die Suche nach einem Kita-Platz ist für viele Eltern schwierigBild: picture-alliance/dpa

"150 Euro würden auch nicht weiterhelfen"

Dem Paar ist es wichtig, dass Martin in eine Krippe geht. Er solle mit anderen Kindern zusammen sein, sich von seinen Eltern abnabeln. Christian streichelt dem mittlerweile dösenden Baby über die Wangen. Er hat einen gut bezahlten Job in der IT. Für uns wäre das Betreuungsgeld nicht attraktiv, sagt er. “Und wenn wir es nötig hätten, würden uns die 150 Euro auch nicht weiterhelfen."

Manche Eltern könnten ihr Kind bei den Großeltern lassen, sagt Sandra. "Das Problem ist nur, die Großeltern von Martin wohnen weit weg und gehen beide arbeiten.“ Dabei muss sie ein bisschen schmunzeln. Christian gefällt die Idee nicht. "Mir ist es wichtig, dass meine Frau wieder arbeiten geht." Es könne doch nicht erfüllend sein, sich den ganzen Tag nur damit zu beschäftigen, ob die Milch noch reiche und welches Waschmittel man kaufe.

Christian sagt auch, man könne es sich nicht leisten, zu lange aus dem Beruf auszuscheiden. Gerade im Online-Bereich verliere man schnell den Anschluss. Sandras Vertrag in dem Startup ist zum Ende ihrer Schwangerschaft ausgelaufen. Sie werde sich darauf einstellen müssen, nächstes Jahr wieder auf Jobsuche zu sein.

"Ich habe eine gute Entscheidung getroffen"

Sandra und Christian legen Wert darauf, sich beruflich zu verwirklichen. Viele Familien in ihrem Kiez sehen das anders. Die Mütter gingen zum Teil bis zu drei Jahren aus ihrem Job; wenn sie danach noch ein zweites Kind bekommen, seien das sechs. Christian findet das problematisch.

Sie selbst mussten sich bisher aber noch nicht rechtfertigen. "Ich glaube, mit einem Jahr habe ich eine gute Entscheidung getroffen", sagt Sandra. Ein Jahr ist ja ein recht gewöhnlicher Zeitraum. Bei drei Jahren sei das was anderes oder wenn sie sich schon nach ein paar Wochen entschlossen hätte, in den Beruf zurückzukehren. Solche Entscheidungen würden Eltern aus ihrer persönlichen Lebenseinstellung und ihrer finanziellen Situation heraus treffen, meinen beide. An der ändere auch ein Betreuungsgeld nichts.

Betreuungsgeld vor dem Bundesverfassungsgericht

Im SPD-regierten Hamburg hält man das Betreuungsgeld noch aus anderen Gründen für problematisch. Das Gesetz missachte das staatliche Gebot, die "tatsächlich Gleichberechtigung von Frauen und Männern" durchzusetzen. Auch würden damit bestimmte Betreuungsformen prämiert. So steht es unter anderem in einer Klage der Hansestadt, die nun vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird. Eine Entscheidung in Sachen Betreuungsgeld wird erst in einigen Monaten erwartet.