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"Kämpfer für Gemeinschaft gleichberechtigter Völker"

22. Oktober 2003

Würdigung von Alija Izetbegovic bei Trauerfeier in Sarajevo

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Bonn, 21.10.2003, DW-radio/Bosnisch, Fabian Schmidt

Am Mittwoch (22.10.) findet in Sarajevo das Begräbnis von Alija Izetbegovic statt. Der erste Präsident des unabhängigen Bosnien und Herzegowina starb am Sonntag nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und ehemalige Mitstreiter von Izetbegovic würdigten dieser Tage sein Lebenswerk. Fabian Schmidt hat die Trauerfeier am Dienstag (21.10.) beobachtet.

"Ein Mensch, der sein Leben lang für eine gerechte und freie Gemeinschaft gleichberechtigter Völker gekämpft hat." Mit diesen Worten würdigte Atif Dudakovic, Kommandant der Armee der Föderation von Bosnien und Herzegowina, bei der zentralen Trauerfeier im Nationaltheater von Sarajevo den ersten Präsidenten des jungen Staates.

Alija Izetbegovic war schon in seiner Jugend wegen politischer und religiöser Ansichten mit dem jugoslawischen kommunistischen Regime in Konflikt geraten. Das erste mal, kurz nach dem zweiten Weltkrieg, verurteilte ihn ein Gericht wegen "pan-islamischer" Untergrundaktivitäten zu drei Jahren Haft. Fast vierzig Jahre später, als gestandener Jurist, unterzeichnete er 1983 mit 13 anderen muslimischen Intellektuellen die "Islamische Deklaration". Auch dafür musste er sechs Jahre in Haft verbringen. Die Deklaration forderte einen stärkeren politischen Einfluss der islamischen Religionsgemeinschaft im ehemaligen Jugoslawien - damit stellten die Unterzeichner das Machtmonopol der Kommunisten in Frage.

Bei der Trauerfeier in Sarajevo stand für die meisten Gäste jedoch Izetbegovics Schlüsselrolle bei der Gründung des unabhängigen Staates von Bosnien und Herzegowina nach dem Zerfall Jugoslawiens im Vordergrund. Dudakovic erinnert sich: "Er war emotional verbunden mit dem Schicksal von Bosnien und Herzegowina, seinen Völkern und seiner Zukunft. Er litt durch die historische Erinnerung und begab sich auf eine unmögliche Mission. Aber er hat sie durch Wunder und durch seine Fähigkeit doch noch möglich gemacht."

In den ersten Mehrparteienwahlen im Jahre 1990 trat Izetbegovic als Kandidat der neugegründeten Partei für Demokratische Aktion an: und das Volk wählte ihn zum ersten postkommunistischen Präsidenten des Landes. Nach dem Kroatienkrieg strebte die Republik Unabhängigkeit an. Der bosnische Serbe, Mirko Pejanovic, ein ehemaliger Mitstreiter von Izetbegovic betont: "Izetbegovic hat in einer historischen Situation, die Anfang der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts drohte, sowohl angesichts der ethnischen Teilung und der Vernichtung von Bosnien und Herzegowina, mutig das Projekt der politischen Unabhängigkeit, Souveränität und internationalen Anerkennung initiiert und umgesetzt. Diese Idee haben die Bürger von Bosnien und Herzegowina durch ein Referendum 1992 unterstützt. Alle politischen Parteien haben das Projekt der Souveränität unterstützt, außer der Serbischen Demokratischen Partei von Radovan Karadzic und ihren Unterstützern aus dem Belgrader Milosevic-Regime."

Und diese erklärten im April 1992 der multiethnischen Zentralregierung in Sarajevo den Krieg. In dem folgenden Vertreibungskrieg schwand ihr Territorium auf wenige Bereiche: Die Hauptstadt Sarajevo, ein Kerngebiet in Zentral- und in Nordbosnien und vier umzingelte Enklaven im Osten und Westen des Landes. Mit Unterstützung der Nachbarstaaten Jugoslawien und Kroatien kämpften die selbst-ernannten Mini-Staaten Republika Srpska und Herzeg-Bosna drei Jahre lang gegen die Regierung in Sarajevo. Die ethnischen Vertreibungen und die Massenmorde erschütterten die Weltöffentlichkeit.

Serbische Truppen belagerten die Hauptstadt Sarajevo. Erst nach einer militärischen Allianz mit Kroatien und mit dem Dayton-Abkommen von November 1995 endete der Krieg. Mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman unterzeichnete Izetbegovic das Dayton-Abkommen.

In den Verhandlungen zu einem Friedensabkommen hatte Izetbegovic stets auf den Erhalt des Gesamtstaates von Bosnien und Herzegowina bestanden. Formal erfüllte das Dayton-Abkommen zwar diese Bedingung. Doch sie war ein schwierig zu akzeptierender Kompromiss und bedeutete, dass das Land in eine muslimisch-kroatisch dominierte Föderation und eine Serbenrepublik zerteilt wurde. Dadurch hatten die Nationalisten ihre Kriegsziele weitgehend erreicht. Christian Schwarz-Schilling, internationaler Streitschlichter für Bosnien und Herzegowina, erinnert sich an Izetbegovics Enttäuschung nach dem Abkommen: "Indem er ganz klar gesagt hat: Es ist immer noch besser, das Dayton-Abkommen als alles zuvor, denn wir konnten den Krieg beenden. Aber der Daytoner Frieden ist ungerecht. Nur: ein gerechterer Frieden war unter den jetzigen Umständen nicht möglich, deswegen haben wir ihm zuzustimmen."

Und Schwarz-Schilling betont zugleich, dass Bosnien mit dem Tode Izetbegovics eine der großen Persönlichkeiten seiner Geschichte verloren hat: "Ich glaube, der Platz in der Geschichte ist ihm sicher und dass er eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des 20. und des Beginns des 21. Jahrhunderts in der ganzen Balkanregion sein wird."

Das sieht auch Dudakovic so. Und während der Trauerfeier wirft er einen Blick in die Zukunft: "Heute können wir traurig und stolz sein. Traurig für alles, was wir verloren haben und stolz, weil die unmögliche Mission geglückt ist. Wir haben Bedingungen geschaffen, in denen die Völker von Bosnien und Herzegowina eine Zukunft in der Gemeinschaft europäischer Staaten haben." (md)