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KI und Gentechnik für mehr Lebensmittelsicherheit?

Tim Schauenberg
17. Juli 2023

Durch die wachsende Bevölkerung und den Klimawandel brauchen wir in Zukunft Pflanzen, die Wetterextreme überleben und trotzdem mehr Ertrag bringen. Genome Editing und künstliche Intelligenz könnten den Job übernehmen.

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Pflanzenzucht im Gewächshaus
Bild: Yang Wenbin/Xinhua/picture alliance

Eine klimaresistente Banane, Reis, der weniger Wasser braucht, oder eine Kartoffel, die die Lebensmittelverschwendung reduziert?

Unsere Lebensmittelproduktion ist eine enorme Belastung für die Umwelt. Gleichzeitig bedrohen Ernteausfälle durch extreme Stürme, Dürren und Hitzewellen die Ernährungssicherheit einer wachsenden Weltbevölkerung. 

Wie aus einem Bericht des World Resources Institute (WRI)  hervorgeht, stehen unsere Gesellschaften deshalb vor einem Dilemma. Zur Ernährung der Weltbevölkerung muss der Mensch mehr produzieren, ohne mehr Ressourcen und mehr Land zu nutzen. "Zwischen den heute produzierten Lebensmitteln und dem, was wir 2050 brauchen, klafft eine Lücke von 50 Prozent, nur um die Menschen ausreichend zu ernähren", so Janet Ranganathan Ernährungsexpertin beim WRI  und Co-Autorin des Berichts.

Weltweit werden ein Großteil der landwirtschaftlichen Flächen für die Fleischproduktion beziehungsweise den Anbau für Tierfutter genutzt. Würde man diese Flächen und Ressourcen für pflanzliche Nahrungsmittel verwenden und jeder auf der Welt wäre Vegetarier, könnten wir genug für alle produzieren - und zwar nachhaltig. Danach sieht es aber derzeit nicht aus.

Man auf Reisfeld
In Italien sind vergangenes Jahre große Teile der Reisernte durch Dürre zerstört wordenBild: Mauro Ujetto/NurPhoto/picture alliance

 "Wenn wir also bei der derzeitigen Ertragsmenge bleiben und einfach so weitermachen, besteht die einzige Möglichkeit, den Bedarf in Zukunft zu decken, darin, die landwirtschaftlichen Flächen noch weiter auszudehnen. Und das bedeutet, dass wir uns von den verbleibenden natürlichen Ökosystemen endgültig verabschieden müssen", so Ranganathan weiter.

Gibt es bald schon dürreresistente Reissorten ?

Um das zu verhindern wollen Wissenschaftler mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und der sogenannten Genschere, CRISPR-CAS9, klimaresistente Superkulturen entwickeln, die höhere Erträge liefern und weniger Ressourcen für den Anbau benötigen. Dazu verändern sie die Gene der Pflanzen mit einer Methode namens Genome Editing

Zum Beispiel bei Reis. Ob in Italien, China oder Pakistan, die extremen Dürren in weiten Teilen der Welt führen zu großen Verlusten bei der Reisernte. Und das ist eine Problem für Reis, der eine sehr durstige Pflanze ist, die normalerweise in Wasser schwimmt. Eine neue Reissorte könnte hier helfen. Sie heißt IR64 und wächst vor allem im globalen Süden, darunter Indien, Indonesien, Mauretanien, Mosambik, Vietnam und der Sahelzone in Westafrika, wird aber in der ganzen Welt verkauft.

Durch die Veränderung seiner Gene ist es gelungen die Pflanze dürreresistenter zu machen. Sie braucht in manchen Wochen bis zu 40 Prozent weniger Wasser als vorher. Und während die Mutterpflanze nach einer Woche ohne Wasser einging, hat die Hälfte der veränderten Pflanzen überlebt.

Infografik Die Gen-Schere CRISPR/Cas9 DE

Gen-Schere: Revolution oder Gefahr?

Genome Editing unterscheidet sich von Grund auf von traditioneller Gentechnik. Es beruht an sich auf einem natürlichen Prozess. Aber es macht die Mutationen viel weniger willkürlich, so Detlef Weigel Biologe der Max-Planck-Gesellschaft.

Den meisten genmanipulierten Produkten, Tieren oder Pflanzen, wurde ein künstliches Gen oder ein Gen eines anderen Organismus eingepflanzt. Insektenresistente Baumwolle oder Mais zum Beispiel enthalten ein Gen, das ursprünglich von einem Bakterium stammt. 

Anstatt fremde DNA zu verwenden, kann Genome Editing den genetischen Code mit der eigenen DNA eines Organismus ändern. Mit speziellen Enzymen, die wie eine Schere funktionieren, können wir Gene der Pflanze löschen, austauschen oder wiederholen. Es würde viele Dutzend Generationen dauern, bis man nur dieses eine Gen durch natürliche Kreuzung übertragen könnte. "Und dann ist es oft nicht mehr zu gebrauchen, weil es einfach zu lange dauern würde. Genome Editing ist deshalb so super leistungsfähig, weil man einfach in ein einzelnes Gen hineingeht, es verändert, und Voila!", erklärt Weigel. 

Während das Kreuzen mehr als zehn Jahre dauern kann, bis man das gewünschte Ergebnis erhält, braucht Genome Editing nur ein paar Monate und die Testphase wenige Jahre.

Risiken und Hype - sind "smarte Bananen" eine gute Idee?

Und es geht nicht nur um dürreresistenten Reis. Einige Studien zeigen, wie man die Erträge von Tomaten um bis zu 70 Prozent  steigern kann. Andere versuchen, Sojabohnen in kargen und salzigen Böden wachsen zu lassen oder den Methanausstoß von Reis zu verringern. Und kenianische Wissenschaftler entwickeln eine "smarte Banane", wie sie sie nennen. In ihrem Labor ist es ihnen gelungen, ein Gen zu aktivieren, das das pflanzeneigene Immunsystem vorbeugend gegen ein Virus einschaltet, das bei Trockenheit aktiv wird.  

Der Schein einer Methode, die schnell und völlig frei von Risiken und Unwägbarkeiten ist, trügt jedoch. Viele der Pflanzen befinden sich noch in der Forschungsphase und die Datenlage ist extrem dünn. Dies sei ein gefährliches Experiment mit der Natur kritisieren Genforschungsgegner.  

Einige Experten verweisen auf Fälle, in denen es zu genetischen Veränderungen kam ohne, dass diese beabsichtig waren, oder auf Fälle, in denen viel mehr genetische Informationen gelöscht wurden als geplant. 

Dazu kommt, dass Gene, die in bestimmten Dürreperioden zu einer Ertragssteigerung beitragen, in feuchten Jahren für einen Ertragsrückgang sorgen. Und da eine große Anzahl von Genen an diesen Eigenschaften beteiligt ist, reicht es meist nicht aus, ein oder zwei Gene einfach an- oder auszuschalten.

China Genmanipulation DNA gene-editing
China und die USA investieren massiv in Genome EditingBild: Wei Liang/dpa/HPIC/picture alliance

Kann künstliche Intelligenz helfen?

Je weniger optimiert eine Nutzpflanze ist, desto leichter lässt sie sich verbessern. Deshalb liegt das meiste Potenzial wohl darin, alte Sorten, die bisher nicht in industriellem Maßstab angebaut und gezüchtet werden, mit CRISPR weiterzuentwickeln. Beispielsweise Hirse, Einkorn oder Yuca sind bereits von Natur aus widerstandsfähiger gegen den Klimawandel, die Züchtung steckt aber noch in den Kinderschuhen.

"Wir können diese Pflanzen sehr schnell auf einen Stand bringen, auf dem sie agronomisch sinnvoll genutzt werden können, und so unsere Ernährung weiter diversifizieren", erklärt William Pelton CEO des Start-Ups Phytoform. 

Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz versucht Phytoform, noch mehr Optimierungsmöglichkeiten in den Genen zu erkennen. Ihre Algorithmen können in kurzer Zeit Datenmengen verarbeiten, für die ein einzelner Mensch Jahre brauchen würde. Die Technik ist schon so weit, dass heute einige Algorithmen DNA-Datensätze bereits wesentlich besser verstehen als der Mensch.

"Die künstliche Intelligenz kann feststellen, welche Abschnitte sich auf der DNA wiederholen, und daraus eine Bedeutung ableiten", so Pelton "Und das heißt, dass es die DNA verstehen kann, aber es kann auch Änderungen vorschlagen, die vorgenommen werden könnten, um ein Ergebnis zu beeinflussen."

Phytoform arbeitet derzeit an einer Kartoffel, die nicht braun wird, wenn sie eine Macke bekommt. So sollen weniger Kartoffeln weggeworfen werden, obwohl sie noch essbar sind. Außerdem arbeiten sie an Lupinen. Eine Kulturpflanze, die schon seit Jahrtausenden genutzt wird, aber bisher kaum in den Regalen zu finden ist. 

Violettes Lupinenfeld
Lupine könnten in Zukunft als Fleischersatz genutzt werdenBild: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images

Die Lupine ist sehr protein- und nährstoffreich und könnte für Fleischalternativen genutzt werden. Die Algorithmen von Phytoform sollen herausfinden, wie die Pflanze ertragreicher wird und Qualitätsprobleme gelöst werden können. Die Firma hofft, in zwei bis drei Jahren die ersten Nutzpflanzen auf den Markt bringen zu können.

Die Welt bereitet sich auf die Genschere vor

Weltweit hat die Forschung mit gen-editierten Pflanzen inzwischen Fahrt aufgenommen. Während 2011 gerade mal eine Handvoll Patente angemeldet wurden, sind es 2019 schon fast 2000. Die meisten davon stammen von privaten Firmen oder öffentlichen Forschungseinrichtungen.

Die USA, China, aber auch multinationale Firmen investieren massiv in die Technologie, auf deren Basis bis zum Ende der Dekade ein Multi-Milliarden-Dollar-Markt entstehen soll. In der EU sind gen-editierte Nutzpflanzen als genmodifiziert gekennzeichnet und daher streng reguliert.  Es wird jedoch darüber diskutiert, ob die Kennzeichnung als gentechnisch verändert noch angemessen ist. Befürworter sprechen eher von einer neuen Züchtungsmethode anstelle der klassischen Genmanipulation.

In den USA, China und vielen lateinamerikanischen Ländern müssen genom-editierte Pflanzen nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet oder kontrolliert werden, und der Sektor wird in den kommenden Jahren eine Reihe von Pflanzen auf den Markt bringen. Auch Indien hat dieses Jahr beschlossen, seine Vorschriften zu lockern. So fortschrittlich die Methode auch sein mag, konventionelle Züchtung wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Weder die eine noch die andere Methode wird allerdings allein die enorme Belastung unserer Ökosysteme wettmachen können. Auch wenn sie ihren Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten könnten.

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