Showkampf der Religionen
23. Januar 2015In der arabischen Welt hört der Spaß bei Karikaturen über Mohammed auf, in China verbieten Machthaber Wortspiele und Witze auf ihre Kosten, in den USA ruft TV-Satiriker Jon Stewart zum Weitermachen auf. Und in Deutschland? Auch dort wird vehement diskutiert, wo Satire aufhört und reine Provokation beginnt. Weltweit hat das schreckliche Attentat auf die Pariser Satirezeitung "Charlie Hebdo" Anfang Januar 2015 für Trauer und Fassungslosigkeit gesorgt und die Diskussion rund um Satire und ihre Grenzen angeheizt.
Zwei, die sich schon lange humorvoll mit dem Kulturkampf von Islam und Christentum auseinandersetzen, sind die beiden Kabarettisten Lutz von Rosenberg Lipinsky und Kerim Pamuk. Der eine bezeichnet sich als "Protestant mit ostwestfälischem Migrationshintergrund", der andere als "muslimischer Orientalist vom Schwarzen Meer". Am 22. Januar feierte ihre neue Show "Brüder im Geiste - Kabarett zwischen Kreuz und Koran" in Berlin Premiere. Die aktuelle Diskussion halten die Kabarettisten schon lange für überfällig: "Wir haben uns auf einen pseudofriedlichen Toleranzpegel eingelassen. Aber woran wir eigentlich glauben und für welche Werte wir einstehen, darüber haben wir nie gesprochen", sagt Lutz von Rosenberg Lipinsky.
Ein mulmiges Gefühl?
In ihrer zweistündigen Show beziehen Pamuk und von Rosenberg Lipinsky auch Stellung zu aktuellen Ereignissen, etwa zum Trauermarsch in Paris oder den Pegida-Demonstrationen in Dresden. Entschärft haben sie ihr Programm nicht und sie wollen sich auch nicht einschüchtern lassen: "Gerade mit der Art und Weise, wie wir es anlegen, haben wir keine Angst", so von Rosenberg Lipinsky. "Bei uns wird niemand schreiend den Saal verlassen, weil es eben auch nicht so provokant ist. Wir machen keine Polemik. Das war bei 'Charlie Hebdo' anders."
Einen "interreligiösen Showkampf" nennen die in Hamburg lebenden Kabarettisten ihren Auftritt. Und so geht es zu Beginn des Abends erst einmal darum, wer mit seiner Religion den anderen übertrumpfen kann, und zwar nach Kategorien geordnet: "Bodycount! Da kommt einiges zusammen. Wo fange ich an? Kreuzzüge, Ausrottung der Indianer, Inquisition, Bauernkriege, Bartholomeus-Nacht...", zählt Lutz von Rosenberg Lipinsky in der Show auf. "Reicht, reicht! Wir haben 11. September, Islamischer Staat, Boko Haram", erwidert Kerim Pamuk.
"Sticht - im wahrsten Sinne des Wortes", schließt von Rosenberg Lipinsky ab.
Mein Gott, dein Gott
Pamuk und von Rosenberg Lipinsky gehen sichtlich auf in ihren Rollen als DER Muslim und DER Protestant. Und sie wissen genau, wovon sie sprechen: der eine ist Orientalist, der andere studierter Theologe. Beim gegenseitigen Ausfragen über die jeweilige Religion liefern sie sich dabei einen bitterbösen verbalen Schlagabtausch. Ihre Antworten sind wohl recherchiert und ihnen gelingt der Balanceakt zwischen Humor und Information. Denn im Prinzip wollen die beiden Männer aufklären und die großen Zusammenhänge zwischen Religion, Macht, Geld und Krieg beleuchten: "Uns geht es nicht um die schiere Provokation, es geht auch nicht um Versöhnung, die Religionen sind zu unterschiedlich. Aber wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir damit auf eine andere Art und Weise umgehen", so Kerim Pamuk.
Und dieser Ansatz geht auf: "Mir war vorher nicht klar, wie etwa der IS finanziert wird", sagt eine Zuschauerin. "Die beiden haben es auf humorvolle und sehr krtische Weise erklärt." Allerdings stoßen die humoristischen Einlagen des Duos auch auf Gegenwind: "Mir ging das an manchen Stellen zu weit. Den ein oder anderen Witz über das Christentum fand ich übertrieben und geschmacklos", so ein anderer Zuschauer.
Keine Show für Dogmatiker
Dass jeder mit ihnen einverstanden ist, sei auch gar nicht gewollt, so die Kabarettisten. Sie begrüßten andere Meinungen, forderten ja auch den Dialog. Einzig fanatische Haltungen könnten und wollten sie nicht nachvollziehen: "Nimm alle Dogmatiker dieser Welt, sie haben alle eine Gemeinsamkeit", sagt Kerim Pamuk. "Sie wissen ganz genau, was richtig ist und vor allem haben sie alle grundsätzlich keinen Humor!"
Einem Kabarettisten sollte nichts heilig sein, führen Pamuk und von Rosenberg Lipinsky weiter aus. Oft müsse man allerdings in der Situation entscheiden, wie weit man gehen könne: "Die Frage ist, wie sehr willst du dein Publikum provozieren und wo verschreckst du es und erreichst es gar nicht mehr", erklärt von Rosenberg Lipinsky.
Die beiden Kabarettisten stellen die richtigen Fragen zur richtigen Zeit. Ihre Gags sind nicht immer von der gleichen Qualität - mal spitzfinding und erhellend, mal naheliegend, aber ihnen gelingt der Balanceakt zwischen Aufklärung, Kritik und Humor. Und sie machen deutlich: Die Frage, ob in der Satire alles erlaubt sei, kann man weder stellen noch beantworten.