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Politik

"Kaczynski-Tapes" sorgen für Eklat

31. Januar 2019

Geheime Audioaufnahmen enthüllen das Engagement von PiS-Chef Kaczynski in lukrative Bauvorhaben. Das Image der Partei wird angekratzt. Ein Mitgrund ist die Klage eines Österreichers, der sich betrogen fühlt.

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Jaroslaw Kaczynski
Bild: imago/Eastnews

"In die Politik geht man nicht für's Geld", lautete die Devise von Jaroslaw Kaczynski. Für viele Polen galt der PiS-Chef tatsächlich als Politiker, der vor allem für seine Ideologie lebt und sich von jeglichen Geschäften fernhält. Die vom Oppositionsblatt Gazeta Wyborcza veröffentlichten Tonaufnahmen - von den polnischen Medien "Kaczynski-Tapes" getauft - zeigen erstmals das persönliche Engagement des Parteichefs für Bauinvestitionen des Unternehmens Srebrna, das der Partei nahesteht.

Das ambitionierte Bauvorhaben

Die polnische Kapitalgesellschaft Srebrna wurde Mitte der 1990er Jahre von der konservativen Partei PC (Porozumienie Centrum) gegründet, einer Vorgängerin der derzeitigen Regierungspartei PiS. Srebrna gehört mehrheitlich zum Lech-Kaczynski-Institut, das das Gedenken an den 2010 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Präsidenten Lech Kaczynski pflegt. Im Aufsichtsrat des Instituts sitzt der Zwillingsbruder des Verstorbenen, Jaroslaw Kaczynski.

Als Srebrna beschloss, im Zentrum von Warschau zwei Hochhaustürme zu bauen, hat der PiS-Chef mit seiner Unterschrift das Vorhaben gebilligt. Darin sollte das Lech-Kaczynski-Institut seinen neuen Sitz bekommen, die anderen Räumlichkeiten sollten vermietet werden. Ein Drittel des jährlichen Gewinns der "K-Towers", die in Warschau nach dem Namen des PiS-Chefs bezeichnet werden, sollte auf die Konten des Lech-Kaczynski-Instituts fließen.

Die Seilschaften werden enthüllt

Mit der Umsetzung des Projektes im Wert von 400 Mio. Euro wurde der österreichische Unternehmer Gerd Birgfellner beauftragt, der mit einem von Kaczynskis Cousins verwandt ist. Dafür soll der Österreicher von der polnischen Staatsbank PKO Bank Polski einen Kredit von 15,5 Millionen Euro bekommen haben. Obwohl die Baugenehmigung fehlte, steckte er schon 1,5 Millionen Euro ins Projekt in dem Glauben, dass Kaczynski das Projekt durchsetzen wird. Doch als er seine Rechnungen vorlegte, wollte ihn die Firma Srebrna nicht bezahlen, weil Jaroslaw Kaczynski inzwischen beschloss, die ganze Investition zu stoppen.

Im Juli 2018 fand in dieser Sache ein Treffen zwischen dem Österreicher und Kaczynski statt. Das Gespräch wurde aufgezeichnet. Die Aufnahmen kommen angeblich vom Österreicher selbst. Am 25. Januar 2019 hat er bei der polnischen Staatsanwaltschaft eine Klage gegen das Unternehmen Srebrna eingereicht. Wie aus den Tonaufnahmen hervorgeht, hat ihm Kaczynski selbst geraten, sich an die Gerichte zu wenden und die oppositionell gesinnte Stadtregierung für das Baufiasko verantwortlich zu machen. Das sei der einzige Weg, dass er sein Geld zurück bekomme.

Kaczynski hat das Sagen

In dem aufgezeichneten Gespräch spielt Kaczynski die Hauptrolle. Bei Srebrna hat er seine vertrauten Mitarbeiter, darunter seine Sekretärin und seinen Fahrer untergebracht. "Das wäre der einfachste Weg. Ich könnte den Vorstand überzeugen, mit euch ein Übereinkommen zu finden", erklärt er dem Österreicher und zeigt damit, dass in der Praxis er die Person ist, die bei Srebrna das Sagen hat. 

Kaczynski war laut Gazeta Wyborcza Vorsitzender der Sonderversammlung der Aktionäre der Firma Srebrna. Das soll er aber als Abgeordneter verheimlicht haben, was illegal ist. Formal gesehen ist das ein Rechtsverstoß. Das investigative Portal OKO Press berichtet, dass die linke Partei "Zusammen" vom Sejmmarschall, dem Parlamentspräsidenten, ein Disziplinarverfahren gegen Kaczynski fordert. Laut Gesetz muss man als Abgeordneter nicht nur alle Gewinne anmelden, sondern auch über die Mitgliedschaft in Gremien von Stiftungen, Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften offen legen, "auch wenn keine Gewinne damit verbunden sind". Die Tatsache, dass er es nicht angemeldet hat, sei schon Rechtsverstoß, meint der Rechtsanwalt der Partei. 

Das Unternehmen wird gestoppt

Das Bauunternehmen stößt aber nicht nur auf den Gegenwind im Warschauer Rathaus, sondern wird auch für Kaczynski zur Last. Offenbar schreckt er vor den Attacken eines linken Bürgermeisterkandidaten zurück, der in seinem Wahlkampf vor den Kommunalwahlen 2018 die Geschäfte der PiS-nahen Firmen ins Visier nahm. Kaczynski wird klar, dass sein persönliches Engagement in die Geschäfte der Firma Srebrna, mit der er formal nichts zu tun hat, durch eine "mediale Attacke" von der Opposition ausgenutzt werden kann und "nicht zu verteidigen" sei. Er sorgt sich masiv um sein Image. In den veröffentlichen Aufnahmen ist das deutlich zu hören. 

Polen Warschau Lokawahlen Mateusz Morawiecki und Jaroslaw Kaczynski
Hält seinen Förderer für "ehrlich und fair": Polens Premier Mateusz Morawiecki (li.)Bild: Imago/A. Iwanczuk

Solche Befürchtungen hegt der polnische Regierungschef, Mateusz Morawiecki, nicht. "Es gibt in dem Gespräch keinen Schatten von irgendwelchen Beweisen für unangemessenes Verhalten der PiS-Politiker, es ist eher eine volle Bestätigung der Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Fairness."

Im Sommer 2018 beschließt Kaczynski für das umstrittene Bauvorhaben nicht mehr zu kämpfen und die Investition vorerst zu stoppen. Der erwartete Einzug der PiS in das Warschauer Rathaus bei den Wahlen im Herbst 2018 erscheint ihm als ideale Gelegenheit, das Projekt dennoch umzusetzen. Doch die PiS verliert die Kommunalwahlen in der Hauptstadt.

Die Opposition ist empört

Kaczynskis Verstrickungen sorgen für Empörung bei der Opposition. "Institute, die Verwaltung und die Banken werden von Kaczynski wie Lakaien behandelt", twitterte die Abgeordnete der Bürgerplattform (PO) Kamila Gasiuk-Pihowicz.

Die PiS versucht dagegen, die Geschichte zu ihrem Vorteil umzuwandeln und die regierungskritischen Medien als unglaubwürdig darzustellen. Der stellvertretende Justizminister Patryk Jaki meint, dass sich Kaczynski anständig verhalten habe. Die PiS-Sprecherin Beata Mazurek spricht von einer "Pseudo-Sensation" und der Bildungsminister Jaroslaw Gowin von "ganz normalen Businessverhandlungen".

Das Image der PiS

Das aufgezeichnete Gespräch verleiht dem PiS-Chef erstmals ein Image eines kühlen und geschickten Geschäftsmanns, was viele Polen überrascht. Für seine Wähler, aber auch bei vielen politischen Gegnern galt er in erster Linie als Ideologe, der die Hauptrichtung angibt und das Alltagsgeschäft den Mitarbeitern überlässt. Zudem hat auch die PiS der Korruption und den Verflechtungen zwischen Macht und Politik einen bitteren Kampf angesagt und versucht sich damit zu einer unbefleckten Partei zu profilieren.

Die Enthüllungen dürften für Kaczynski womöglich keine rechtlichen Konsequenzen haben. Doch um sein Image wird die PiS jetzt wieder kämpfen müssen. 

Porträt einer Frau mit kurzen blonden Haaren und blauen Augen
Monika Sieradzka DW-Korrespondentin in Warschau