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Politik

Kalbitz will gegen Rauswurf aus AfD vorgehen

16. Mai 2020

Der brandenburgische Partei- und Fraktionschef dürfte dabei auf kräftige Unterstützung durch viele Mitstreiter in der rechtspopulistischen Partei hoffen können. Hat AfD-Chef Meuthen nur einen Pyrrhus-Sieg errungen?

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Andreas Kalbitz (Foto: Getty Images/AFP/ R. Hartmann)
Bild: Getty Images/AFP/ R. Hartmann

Der brandenburgische Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD, Andreas Kalbitz, will gegen die Entscheidung des Bundesvorstands vorgehen, seine Parteimitgliedschaft für nichtig zu erklären. Auf Anfrage teilte Kalbitz mit, er "werde alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um diese aus meiner Sicht politische Fehlentscheidung anzufechten". Später ergänzte er im ZDF: "Ich bedaure, dass Teile des Bundesvorstandes sich offensichtlich zu Handlagern der politischen Gegner und des Verfassungsschutzes gemacht haben."

In dem Beschluss des AfD-Bundesvorstands heißt es, die Mitgliedschaft sei mit sofortiger Wirkung aufgehoben, "wegen des Verschweigens der Mitgliedschaft in der 'Heimattreuen Deutschen Jugend' "(HDJ) und "wegen der Nichtangabe seiner Mitgliedschaft" bei den Republikanern zwischen Ende 1993 und Anfang 1994. Die HDJ steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD. Wer Mitglied einer Gruppierung war, die auf dieser Liste steht, darf nicht in die rechtspopulistische Partei aufgenommen werden.

Höcke greift Bundesspitze an

Nach dpa-Informationen stimmten der Parteivorsitzende Jörg Meuthen und sechs weitere Mitglieder des Parteivorstandes für den Beschluss. Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, Kalbitz selbst sowie drei weitere Mitglieder waren dagegen. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Parteigrande Alexander Gauland, sagte im Fernsehen, er halte die Entscheidung des Bundesvorstandes "für falsch und für gefährlich für die Partei". Er glaube nicht, dass sie juristisch Bestand habe.

Das war einmal: AfD-Chef Meuthen, Parteigrande Gauland und Kalbitz in trauter Gemeinsamkeit (Foto: DW/J. Thurau)
Das war einmal: AfD-Chef Meuthen, Parteigrande Gauland und Kalbitz (v.l.) in trauter Gemeinsamkeit Bild: DW/J. Thurau

Mehrere Parteikollegen von Kalbitz zeigten sich solidarisch mit ihm. So sagte der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke in einem Video auf seiner Facebook-Seite, er werde eine Spaltung und Zerstörung seiner Partei nicht zulassen. Der Bundesvorsitzende Meuthen und dessen Stellvertreterin Beatrix von Storch wollten offenbar eine andere Partei. Wer sich aber wie diese in einem internen Konflikt auf Argumente von Gegnern der AfD berufe, der begehe – Zitat – „Verrat an der Partei“. 

"Wir stehen zu unserem Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz", schrieb Landes- und Fraktionsvize Birgit Bessin gemeinsam mit den Abgeordneten Dennis Hohloch und Andreas Galau bei Facebook. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner forderte via Twitter "dringend und kurzfristig" die Einberufung eines Bundesparteitages, damit jedes Mitglied des Vorstandes seine Gründe für seine Entscheidung darlegen könne. Er habe zu den fünf Mitgliedern gehört, die gegen diese Entscheidung gestimmt hätten.

Meuthen: "Das halten wir aus"

Trotz solcher Äußerungen befürchtet Meuthen keine Spaltung der AfD. Es gebe im Fall Kalbitz unterschiedliche Positionen, sagte Meuthen im Deutschlandfunk. "Das halten wir aus. Deswegen ist die Partei nicht gespalten." Er sei sehr zuversichtlich, dass die Entscheidung rechtlich Bestand haben werde, weil man substanzielle Gründe dafür gehabt habe. 

Ob der Rauswurf von Kalbitz den Austritt einer größeren Anzahl von AfD-Mitgliedern nach sich ziehen wird, ist noch offen. Eins ist aber jetzt schon gewiss: Diese Entscheidung wird Schockwellen in der Partei auslösen. Zumindest Parteichef Meuthen dürfte, wenn das Ausscheiden von Kalbitz weitere Funktionäre des Rechtsaußen-Flügels aus der Partei treiben sollte, darüber nicht unglücklich sein. Denn er und seine Unterstützer sind zwar auch gegen eine liberale Flüchtlingspolitik. Den zuletzt gewachsenen Einfluss der sogenannten Neuen Rechten auf die Partei sieht der wirtschaftsliberale Volkswirt aber mit großem Misstrauen.

Furcht vor Verfassungsschutz

Außerdem fürchtet Meuthen, ein weiteres Erstarken der rechtsnationalen Kräfte in der AfD könnte langfristig dazu führen, dass die gesamte Partei ein Fall für den Verfassungsschutz wird. Vor allem in den östlichen Landesverbänden, wo die Rechtsnationalen besonders zahlreich sind, können viele diese Sorge nicht verstehen.

Der Inlandsgeheimdienst beobachtet die maßgeblich von Kalbitz und dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gesteuerte Strömung der Partei, die bis vor einigen Tagen noch unter dem Namen "Flügel" firmierte, seit März als rechtsextremistische Gruppierung. Das hat die Kontroverse zwischen den Rechtsnationalen und denen, die sich selbst als Gemäßigte bezeichnen, noch einmal verschärft. Vor allem Beamte in der AfD fragen sich, ob das für sie berufliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Brüder im Geiste: Kalbitz und der "Flügel"-Frontmann Björn Höcke (Foto: picture-alliance/dpa/J. Büttner)
Brüder im Geiste: Kalbitz und der "Flügel"-Frontmann Björn Höcke Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Bei Meuthen, der einst ein gern gesehener Gast bei den alljährlichen "Kyffhäusertreffen" des "Flügels" war, hat das Umdenken schon etwas früher begonnen. Spricht man ihn heute darauf an, dass er Kalbitz vor Jahren noch verteidigt hatte, räumt Meuthen ein, er habe für diesen Erkenntnisprozess wohl etwas länger gebraucht. Dass sich im Parteivorstand jetzt eine Mehrheit gegen Kalbitz gestellt hat, hat auch damit zu tun, wie die Hinweise auf rechtsextreme Bezüge in seiner Vita ans Licht gekommen sind: durch Medienberichte und interne Gutachten des Verfassungsschutzes, die ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden. Kalbitz räumte manches ein, relativierte anderes. Am Schluss wollten Parteifreunde, die sich über diese "Salamitaktik" ärgerten, dann doch lieber alles schriftlich und im Detail von ihm wissen. Nach dem Motto: Wer weiß, was da noch alles kommt.

Auch Kritik an Führungsstil von Kalbitz

"Wer bei seiner Aufnahme vorsätzlich falsche Angaben macht, hat jedes Vertrauen verspielt", betonte etwa Georg Pazderski, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Er wertet den Beschluss des Parteivorstandes als "deutliches Zeichen, dass wir es mit dem Kampf gegen rechtsextremes Gedankengut in den eigenen Reihen sehr ernst nehmen". Doch in der Causa Kalbitz geht es nicht nur um Ideologie. Von einigen Mitgliedern des Bundesvorstandes war in den vergangenen Wochen zu hören, Mitglieder des brandenburgischen Landesverbandes hätten sich bei ihnen über Kalbitz' Führungsstil beklagt, verbunden mit der Hoffnung auf einen Rauswurf.

sti/ml/as (afp, dpa)