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Kalifornien, Vorbild bei der Entschädigung für Sklaverei?

30. Juni 2023

Sollten die Nachfahren von Sklaven für das verursachte Leid entschädigt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Task Force in Kalifornien. Doch die Mehrheit der US-Amerikaner ist gegen Entschädigungszahlungen.

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California Reparations
Mitglieder der California Reparations Task Force im Dezember 2022Bild: Jeff Chiu/AP/picture alliance

Kalifornien ist der erste US-Bundesstaat, der Schritte unternimmt, um schwarze Amerikaner für die Zeit der Sklaverei und die mehr als hundertjährige Diskriminierung danach zu entschädigen.

Die California Reparations Task Force, die im Jahr 2020 gegründet wurde, berät derzeit über mögliche Reparationen an die Nachkommen der Sklaven, die zum Aufbau der USA beigetragen haben. Einige Berechnungen gehen von bis zu 1,2 Millionen US-Dollar (1,1 Millionen Euro) pro Person aus. Die Task Force will ihre Empfehlungen am 1. Juli veröffentlichen. Sollte Kalifornien ihren Empfehlungen folgen, könnten auf den Staat Zahlungen in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar zukommen für das Leid, das den damaligen Sklaven in Kalifornien zugefügt wurde und für die Diskriminierung, die ihre fast 2,5 Millionen Nachkommen seitdem erdulden mussten.

Der von Kalifornien eingeschlagene Weg könnte den Kurs der Debatte über Entschädigungen in den gesamten Vereinigten Staaten bestimmen. "Wenn Kalifornien das nicht schafft, wird es auf nationaler Ebene schwer werden", sagt der demokratische Senator Steven Bradford der DW. Sein Bundesstaat ist für ihn die Nagelprobe, ob eine nationale Entschädigungspolitik Aussichten auf Erfolg haben kann, eine Politik, zu der es für ihn keine moralische Alternative gibt.

Mehrheit gegen Entschädigungen

Laut einer Umfrage des Pew Research Center sind 68 Prozent der US-Amerikaner gegen jede Art von Kompensationen. Angesichts dieser überwältigenden Mehrheit ist es umso erstaunlicher, dass Kalifornien eine entsprechende Task Force eingerichtet hat. Wenig überraschend ist hingegen, dass die Hautfarbe der Befragten bei der Bewertung eine Rolle spielt.

Während 77 Prozent der schwarzen US-Amerikaner die Zahlung von Reparationen befürworten, sind es bei den weißen US-Amerikanern lediglich 18 Prozent. Der Graben, der zwischen diesen beiden Gruppen verläuft, ist also so groß wie die gesellschaftliche Spaltung, die jedes Mal wieder aufbricht, wenn einmal mehr ein Schwarzer Opfer von Polizeigewalt wird.

Riskantes Thema für Politiker

Diese landesweite Abneigung gegen Zahlungen für erlittenes Unrecht könnte auch erklären, warum der Mann, der die Reparations Task Force ursprünglich ins Leben rief, nun eine politische Hinhaltetaktik zu verfolgen scheint. Der demokratische Gouverneur Kaliforniens, Gavin Newsom, unterzeichnete 2020 das Gesetz zur Bildung der Task Force, doch jetzt, kurz vor Veröffentlichung ihres Berichts, lässt er sich nicht darauf festlegen, ob er Empfehlungen zu Entschädigungszahlungen umsetzen wird.

California Reparations
"Wir sagen den Leuten auch nicht, sie sollten den Holocaust vergessen", sagt der demokratische Senator Steven BradfordBild: Jeff Chiu/AP/picture alliance

Mit einem entsprechenden Vorstoß könnte Newsom seine weiße und lateinamerikanische Wählerschaft verärgern, bleibt er jedoch untätig, könnte er dasselbe mit seinen schwarzen Anhängern tun. Newson ist einer der aussichtsreichsten Kandidaten der Demokraten für eine Präsidentschaftskandidatur nach dem Ende der Ära Biden und hat gute Gründe, die Debatte am Leben zu erhalten, ohne tatsächlich Gelder fließen zu lassen.

"40 Morgen Land und ein Maultier"

Wie fast alles in den USA sind auch Entschädigungszahlungen ein Konflikt, der die Gesellschaft spaltet, insbesondere entlang der Republikaner und Demokraten. Es sei schlicht kein Thema, sagt Byron Donalds zur DW, der Florida als einer von lediglich fünf schwarzen republikanischen Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus vertritt. Wie sein republikanischer Amtskollege Ralph Norman aus South Carolina ist er der Meinung, dass sich die USA diese Politik finanziell einfach nicht leisten können. Ein Gesetzentwurf zur Bildung eines nationalen Komitees, das sich mit Entschädigungen befassen soll, steckt schon seit Jahren im Kongress fest.

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Für den republikanischen Abgeordneten Byron Donalds sind Reparationen "kein Thema"Bild: DW

Letztendlich wird das von den Demokraten geführte Parlament Kaliforniens das letzte Wort darüber haben, ob und wie viel Geld tatsächlich ausgezahlt wird. Doch unabhängig davon, wann sich die Abgeordneten zusammensetzen, um die Vorschläge zu erörtern, hat die Reparations Task Force neues Terrain erschlossen. In einer schwierigen und für manche auch abstrakten Debatte über eine gerechte Entschädigung hat sie konkrete Zahlen genannt. Zum ersten Mal hat ein Gesetzgeber auf Ebene der Bundesstaaten versucht, einen Plan auszuarbeiten, mit dem Ziel, die historische und systematische Diskriminierung seiner schwarzen Bürger anzugehen und diese möglicherweise zu entschädigen.

Bislang hat landesweit lediglich eine Handvoll Städte und Kommunen in irgendeiner Form Reparationen für die Sklaverei geleistet. Die Entschädigungen reichen dabei von einem Wohngeld in Höhe von 25.000 US-Dollar (23.000 Euro) für schon seit Langem ansässige schwarze Einwohner von Evanston, Illinois, bis zu einem projektbezogenen Budget in Höhe von 10 Millionen US-Dollar (9,2 Millionen Euro) in Providence, Rhode Island. Auch in San Francisco und Chicago wird darüber debattiert, Opfern und ihren Nachfahren Gelder in irgendeiner Form zur Verfügung zu stellen.

Deutliches Wohlstandsgefälle

Ein Grund, warum über das Thema kontrovers diskutiert wird, ist das Wohlstandsgefälle zwischen weißen und schwarzen US-Amerikanern. Statistiken zufolge ist das mittlere Einkommen weißer US-Bürger fast achtmal so hoch wie das schwarzer US-Bürger.

Der Besitz eines Eigenheims war in den USA schon immer ein klassischer Weg zur Bildung von Wohlstand, der dann weitervererbt werden kann. Daten der National Association of Realtors (NAR), einem Berufsverband der Immobilienmakler, zufolge besitzen jedoch nur 44 Prozent der schwarzen US-Amerikaner eine Immobilie, bei den weißen US-Amerikanern sind es hingegen 72 Prozent.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie führt dieses Missverhältnis direkt auf die Sklaverei zurück. "Die wichtigste Ursache für diese deutliche und anhaltende Ungleichheit zwischen schwarzen und weißen US-Amerikanern ist in den Bedingungen zu Zeiten des Bürgerkriegs zu finden", hält das National Bureau of Economic Research, ein Thinktank aus Cambridge, Massachusetts, fest.

Weiße Siedler erhielten bei ihrer Ankunft in den USA häufig ein Stück Land. Als die Sklaven jedoch endlich als freie Menschen in eine Gesellschaft entlassen wurden, die sie selbst mit aufgebaut hatten, wurden ihnen die Mittel verwehrt, eigenen Wohlstand zu schaffen. Die während des Bürgerkriegs versprochenen "40 Morgen Land und ein Maultier" wurden schnell vergessen, für schwarze Familien blieben sie ein Traum. Weiße Siedler hingegen profitierten nicht nur von besseren Startbedingungen, ihr Rassismus ließ auch wenig Raum für die wirtschaftliche Entwicklung schwarzer US-Bürger.

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Im weißen Amerika wurde das Massaker von Tulsa schnell wieder vergessenBild: Michaela Küfner/DW

Tulsa, das vergessene Massaker

Es gab jedoch auch Ausnahmen. Die schwarzen Bewohner des Greenwood District in Tulsa, Oklahoma, hatten es in den frühen Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts zu einigem wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand gebracht, so dass der Stadtteil den Beinamen "Black Wall Street" erhielt. Im Viertel florierten Hunderte Geschäfte schwarzer Unternehmer und machten es zu einem wohlhabenden schwarzen Mikrokosmos mit eigenen Ärzten, Theatern und Schulen. Das Gerücht, ein schwarzer Schuhputzer sei gegenüber einer weißen Fahrstuhlführerin übergriffig geworden, löste jedoch das schlimmste rassistische Massaker in der Geschichte der USA aus.

Kaum Hoffnung auf Wiedergutmachung

Am 31. Mai und 1. Juni 1921 griff ein Mob bewaffneter weißer Männer das Viertel an. Unterstützung kam durch private Flugzeuge, aus denen selbst gefertigte Bomben abgeworfen wurden. Bei dem Massaker gab es zwischen 100 und 300 Tote, der Greenwood District wurde dem Erdboden gleichgemacht.

Vor zwei Jahren sagte eine der drei letzten Überlebenden des Massakers, die damals 107-jährige Viola Fletcher, vor dem Justizausschuss für Bürgerrechte des US-Repräsentantenhauses aus. Sie erzählte dem Ausschuss, dass sie an jenem Tag "alles verloren" habe. Der zweite Versuch Fletchers und der beiden anderen Überlebenden, die Stadt und den Bundesstaat wegen der Rolle, die sie bei dem Massaker spielten, zu verklagen, wird gegenwärtig von einem Bezirksrichter blockiert.

USA | Tulsa | Gedenken an Greenwood Massaker 1921
Viola Fletcher hat das Massaker von Tulsa als Siebenjährige überlebtBild: Andrew Caballero-Reynolds/AFP/Getty Images

"Sie warten darauf, dass die Überlebenden sterben", meint Eric Miller, der zu Fletchers Anwaltsteam gehört. Zwar hat Tulsas Bürgermeister G.T. Bynum Gelder bewilligt, um das Massaker genauer zu untersuchen, Aussagen zu möglichen Reparationen vermeidet er jedoch. Eine Interview-Anfrage der DW lehnte er ab.

Rechtsexperten haben wenig Hoffnung, dass die Überlebenden von Tulsa erfolgreich sein könnten, geschweige denn, dass landesweit ein Umgang mit Entschädigungen gefunden wird. Doch für schwarze US-Bürger könnte der Wert der Debatte darin liegen, dass sie das Narrativ ändert.

"Es gibt das Narrativ, dass diese Menschen einfach keine Verantwortung übernehmen und es ist eben Pech, wenn es ihnen wirtschaftlich nicht gut geht", sagt Thomas Mitchell, Professor an der Rechtsfakultät des Boston College, zur DW. "Diese Leute haben keine Hilfen vom Staat kassiert", betont er und weist darauf hin, wie wirkungsvoll es ist, Gegenargumente zu liefern.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.