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Politik

Kampf gegen sexualisierte Gewalt

23. April 2019

Der UN-Sicherheitsrat hat auf deutsche Initiative hin eine Resolution gegen sexuelle Gewalt in Krisengebieten verabschiedet. Deutschlands Außenminister Maas spricht von einem Meilenstein - trotz eines US-Störmanövers.

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Nigeria - Heimkehr der Chibok Mädchen
Entführte Chibok-Mädchen nach ihrer FreilassungBild: Reuters/A. Sotunde

43 Mädchen entführt und vergewaltigt in Nordost-Nigeria; Genitalverstümmelung in Tansania; Jungfräulichkeitstests in derzeit über 20 Ländern: Das sind nur einige der Missstände, gegen die die Vereinten Nationen in der Resolution 1325 nun vorgehen wollen - und die die Bundesrepublik ganz besonders unterstützt. 

Auf deutsche Initiative hin hatte sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in einer offenen Debatte mit dem Komplex sexuelle Gewalt in Konflikten befasst. In der nun verabschiedeten Resolution fordert der UN-Sicherheitsrat die UN-Mitgliedstaaten auf, ihre Gesetzgebung gegen sexuelle Gewalt in Konfiktgebietn zu stärken und die Verfolgung der Täter auszuweiten. Allerdings wurde der Text auf Druck der USA und anderer Staaten abgeschwächt.

Zugeständnisse an China, Russland und die USA

Die US-Vertreter störten sich an Formulierungen zur sexuellen Gesundheit und den reproduktiven Rechten - sie befürchteten, diese könnten als Ermunterung zu Abtreibungen verstanden werden. Nachdem die US-Delegation mit ihrem Veto gedroht hatte, wurden die Passagen umformuliert. 

Außerdem wurden auf Druck Chinas, Russlands sowie der USA die ursprünglichen Forderungen nach einem festen internationalen Mechanismus zur Verfolgung sexueller Gewalttäter sowie nach Einsetzung einer formellen UN-Arbeitsgruppe zu dem Thema gestrichen. Die Resolution wurde dann vom Sicherheitsrat mit 13 der 15 Stimmen verabschiedet, auch die USA votierten dafür. China und Russland enthielten sich. Trotz des erheblichen Widerstands gegen die ursprüngliche Version würdigte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die "Entschlossenheit" des Sicherheitsrats. 

Wichtiges Thema auf der deutschen Agenda

Die Bundesrepublik hatte zu Beginn ihrer zweijährigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat hat Deutschland einen eigenen Aktionsplan vorgelegt, in dem sie ihre Schritte zur Umsetzung der Resolution 1325 im Zeitraum 2017-2020 beschreibt. 

Deutschland, heißt es auf der Webseite des Auswärtigen Amts, gehöre der "Freundesgruppe der Resolution 1325" bei den Vereinten Nationen an, in der Informationen zur Umsetzung ausgetauscht und gemeinsame Positionen und Initiativen abgestimmt werden können. "Die Bundesregierung begreift die Umsetzung der Resolution 1325 als Querschnittsthema, das bei Entscheidungen, Aktivitäten und Projekten ihrer Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik berücksichtigt wird."

Uganda - Schild gegen FGM
Recht auf körperliche Unversehrtheit. Ein Protestschild gegen Genitalverstümmelung in UgandaBild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Frauen nicht nur als Opfer sehen

Allerdings versteht die Bundesregierung Frauen nicht nur als Opfer von Krieg und Gewalt. Eine solche Auffassung greife zu kurz, heißt es in dem Aktionsplan. "Denn tatsächlich treten Frauen in Konflikten nicht nur als Opfer in Erscheinung. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Friedensschaffung, dem Wiederaufbau und der Transformation von Gesellschaften nach einem Konflikt. Die Potenziale von Frauen bei der Schaffung von Frieden und Sicherheit werden jedoch oft vernachlässigt."

Frauen, so heißt es in dem Papier weiter, könnten entscheidend dazu beitragen, dass Krisen und bewaffnete Konflikte gar nicht erst entstünden, oder dass nach der Beendigung von Konflikten ihr Wiederaufflammen verhindert werde. "Auch bei humanitären, stabilisierenden und entwicklungspolitischen Maßnahmen ist die systematische Einbeziehung der Geschlechterperspektive von zentraler Bedeutung."

Vorrang für Prävention

Der Aktionsplan 2017–2020 greift in leicht veränderter Form Ansätze und Themenschwerpunkte auf, die bereits in dem vorhergehenden Plan der Jahre 2013-2016 verfolgt wurden. Dieser umfasste insgesamt sechs zentrale Schritte: den Aufbau einer gendersensiblen Krisenprävention sowie Förderung der gleichberechtigten Teilhabe und Mitwirkung von Frauen; die Einführung einer umfassenden Genderperspektive in die Vorbereitung und Fortbildung von Einsatzkräften der Bundeswehr und Bundespolizei; die aktive Beteiligung von Frauen in allen Phasen der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung; Maßnahmen zum Schutz von leicht verletzlichen Gruppen und Opfern sexualisierter und anderer Formen geschlechterspezifischer Gewalt; Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen beim Wiederaufbau von Nachkonfliktgesellschaften wie auch die Betreuung von traumatisierten Opfergruppen; und schließlich die Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit und eine Beendigung von Straflosigkeit in Zusammenhang mit sexualisierten Gewaltverbrechen sowie systematischen Verletzungen der Rechte insbesondere von Frauen und Mädchen.

Irland Dublin Kunstwerk zur Solidarität mit Opfern sexueller Gewalt
Auch in Europa ein Problem: Gewalt gegen Frauen. Ein Protest-Kunstwerk in Dublin, November 2018Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak

Stärkung der Zivilgesellschaft

Besonders will die Bundesregierung in dem neuen Plan auch Akteure der Zivilgesellschaft stärken: "Vor dem Hintergrund einer weltweit zunehmenden Reduzierung des Handlungsspielraums für die Zivilgesellschaft in vielen Staaten ("shrinking spaces") gewinnt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht nur in Deutschland, sondern auch auf bilateraler und multilateraler Ebene noch stärker an Bedeutung", heißt es in dem Aktionsplan.Die deutsche Initiative entspricht ganz dem Anliegen der Europäischen Union, die sich ebenfalls für die Rechte und Stärkung der Frauen einsetzt. Wie dringend das Anliegen ist, erläuterte im Oktober 2018 Mara Marinaki, die Botschafterin und Hauptberaterin der Europäischen Union für Frauen, Frieden und Sicherheit, im UN-Sicherheitsrat.

"Die EU fördert als weltweit führende Kraft und VN-Partnerin bei der vollständigen Umsetzung der Agenda für Frieden und Sicherheit der Frauen konsequent die Gleichstellung der Geschlechter, die Stärkung der Rolle der Frauen und die Rechte der Frauen in unserem auswärtigen Handeln, da sie im Mittelpunkt unserer europäischen Werte stehen", so Marinaki. Investitionen in die wirtschaftliche Stärkung von Frauen seien nicht nur eine Frage der Fairness, so Marinaki weiter. "Die wirtschaftlichen und unternehmerischen Vorteile der Stärkung von Frauen sind beträchtlich. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eine Voraussetzung für Frieden, Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit, die sich alle positiv auf unsere globale, regionale und nationale Wirtschaft auswirken."

Bundesaussenminister Heiko Maas und UNHCR-Sondergesandte Angelina Jolie
Gemeinsam gegen sexualisierte Gewalt: die Schauspielerin Angelina Jolie und der deutsche Außenminister Heiko MaasBild: imago images/ Photothek/T. Imo

Maas und Jolie ziehen an einem Strang

Vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrats riefen Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und die US-Schauspielerin Angelina Jolie in der "Washington Post" gemeinsam zu einem entschlossenen Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch in Krisengebieten auf. "Vergewaltigung und andere Formen der sexuellen Gewalt werden als Kriegs- und Terrortaktik in Konflikten weltweit eingesetzt", so Maas und Jolie in einem Gastbeitrag für die Zeitung. Zwar gebe es erste internationale Bemühungen, die Verbrecher zu Verantwortung zu ziehen, Straffreiheit bleibe aber die Norm.

Angelina Jolie kämpft seit Jahren gegen sexuelle Gewalt in Krisengebieten und arbeitete dazu auch mit dem früheren britischen Außenminister William Hague zusammen. Für die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR ist sie seit vielen Jahren tätig und wurde 2012 zur Sonderbotschafterin ernannt.

Maas und Jolie fordern zudem, Sexualstraftäter konsequent zur Verantwortung zu ziehen. Dabei spielten auch internationale Justizsysteme eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus brauche es eine bessere Kontrolle in den Krisenregionen. "Resolutionen des UN-Sicherheitsrates bleiben bloß Papier, wenn wir die Regelbefolgung nicht sicherstellen", mahnen sie. Zudem brauche es eine bessere Unterstützung der Überlebenden von sexueller Gewalt.

Eine App gegen sexuelle Gewalt in Indien

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika