Haftstrafe für Kanadier in China
11. August 2021Das Urteil gegen einen kanadischen Geschäftsmann wegen Spionage sorgt für diplomatische Spannungen zwischen China und Kanada. Ein Gericht in der nordostchinesischen Stadt Dandong sprach Michael Spavor der "Spionage und der illegalen Weitergabe von Staatsgeheimnissen" schuldig und verurteilte ihn zu elf Jahren Haft. Der kanadische Botschafter in China, Dominic Barton, sagte nach der Urteilsverkündung vor dem Gericht: "Wir verurteilen diese Entscheidung."
Zusammenhang zum Huawei-Fall
Der Fall Spavor ist kein Gewöhnlicher. Der Geschäftsmann wurde im Dezember 2018 zusammen mit seinem Landsmann Michael Kovrig - einem ehemaligen kanadischen Diplomaten - in Gewahrsam genommen. Das Besondere daran: Die Festnahme erfolgte kurz nachdem in Kanada die Finanzchefin des chinesischen Telekom-Riesen Huawei, Meng Wanzhou, festgenommen worden war. Peking wird deshalb "Geiseldiplomatie" vorgeworfen. China bestreitet hingegen, die beiden Kanadier als Verhandlungsmasse zu benutzen.
Wanzhou ist die Tochter des Huawei-Gründers. Ihr wird in den USA Bankbetrug im Zusammenhang mit Verstößen gegen Iran-Sanktionen vorgeworfen. In Kanada befindet sich ein Verfahren in der Endphase, in dem über die Auslieferung der Geschäftsfrau an die USA entschieden wird.
Im Zuge der Urteilsverkündung gegen Spavor versammelten sich aus Solidarität mit Kanada rund 50 Diplomaten aus 25 Ländern in der kanadischen Botschaft in Peking. Laut Botschafter Barton hat der kanadische Geschäftsmann die Möglichkeit, in Berufung zu gehen. "Das wird er mit seinen Anwälten besprechen", sagte Barton.
Kritik von Premier Trudeau
Selbst der Ablauf des Verfahrens sorgt für Kritik. Spavor und sein Landsmann Kovrig wurden im Juni 2020 der Spionage angeklagt, ihre Prozesse fanden im März statt. Spavors Gerichtsverhandlung dauerte nur drei Stunden. Beobachter waren nicht zugelassen. Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte damals die "willkürliche Inhaftierung" der beiden Männer und die "mangelnde Transparenz" der chinesischen Behörden während des Prozesses angeprangert. Im Fall von Kovrig wurde noch kein Urteil gesprochen.
Hinzu kommt: Seit ihrer Inhaftierung hatten Spavor und Kovrig fast keinen Kontakt mehr zur Außenwelt. Angeblich wegen der Corona-Pandemie durften kanadische Diplomaten die beiden vergangenes Jahr neun Monate lang nicht sehen. Erst im Oktober konnten sie die beiden wieder besuchen - allerdings nur virtuell.
Breite Entrüstung im Westen
Das Urteil stieß in westlichen Ländern auf breite Entrüstung. US-Außenminister Antony Blinken forderte die "sofortige und bedingungslose" Freilassung Savors. "Die Praxis, Personen willkürlich festzunehmen und damit Druck gegen ausländische Regierungen auszuüben, ist komplet unakzeptabel", hieß es in einem Statement seines Ministeriums.
Deutschland sicherte Kanada Unterstützung zu. "Die Urteile gegen zwei kanadische Staatsbürger sind ein weiterer schwerer Schlag gegen das selbstgesteckte Ziel der chinesischen Führung, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas laut einer Mitteilung. "Der Prozess gegen Michael Spavor wurde hinter verschlossen Türen abgehalten und seine konsularischen Rechte wurden auf völkerrechtswidrige Weise eingeschränkt."
Auch die EU kritisiert die Verurteilung. Ungeachtet wiederholter Appelle der Europäischen Union habe Spavor kein faires Verfahren erhalten, erklärte eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel. Spavor habe seine Verteidigung nicht frei wählen dürfen, und die konsularische Betreuung durch Kanada sei stark eingeschränkt worden.
Gute Kontakte zu Nordkorea
Dabei ist Spavor kein Unbekannter. Der Geschäftsmann ist Nordkorea-Experte und hat sich mehrfach mit dem Regierungschef Kim Jong Un getroffen. Spavor hat die Besuche des ehemaligen US-Basketballspielers Dennis Rodman in Pjöngjang organisiert. Dank seiner Kontakte zu Nordkoreas Führungsriege spielte der Kanadier die Rolle eines Vermittlers zwischen ausländischen Gesprächspartnern und den Behörden des international isolierten Landes. Seine Familie hat beteuert, dass Spavor unschuldig sei und als Geschäftsmann viel für den Aufbau "konstruktiver Beziehungen" zwischen Kanada, China und Nordkorea getan habe.
Es gibt noch weitere Fälle, die die Beziehungen zwischen Kanada und China belasten. Seit der Festnahme der Huawei-Finanzchefin wurden in China mindestens drei kanadische Drogenschmuggler zum Tode verurteilt. Erst am Dienstag hatte ein Berufungsgericht das Todesurteil gegen den kanadischen Drogenschmuggler Robert Lloyd Schellenberg bestätigt.
Zunächst hatte Schellenberg eine langjährige Haftstrafe erhalten. Kurz nach der Festnahme von Meng Wanzhou in Kanada war das Urteil jedoch in eine Todesstrafe abgeändert worden. China hat Zusammenhänge zwischen den Verfahren zurückgewiesen und im Gegenzug die Festnahme der Huawei-Managerin als "politisches" Manöver angeprangert.
wo/ml/ehl (dpa, afp)