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Kandidat in der Kritik

Bernd Riegert, Brüssel25. Oktober 2004

Am Mittwoch (27.10.) wird das Europäische Parlament über die neue EU-Kommission entscheiden. Umstritten ist vor allem immer noch José Barrosos Kandidat für das Innenressort: der Italiener Rocco Buttiglione.

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Geeigneter EU-Kommissar? Rocco ButtiglioneBild: AP

Über die Gedanken des Papstes hat der Philosoph Rocco Buttiglione ein Buch geschrieben. Für den katholischen Oberhirten ist der christdemokratische Professor ein wichtiger Berater. Aus seinem inbrünstigen Glauben - Buttiglione sympathisiert mit der ultrakonservativen Bruderschaft Opus Dei - macht der Europaminister Italiens kein Geheimnis: "Ich bin ein Katholik, das ist kein Geheimnis", sagt Buttiglione. Das habe nichts mit dem Vatikan zu tun, sondern eher mit Glauben. "Ich glaube, dass ein Mensch ein guter Katholik und zugleich ein guter Europäer sein kann", fügt er hinzu.

Doch das nehmen ihm viele Europaabgeordnete nicht mehr ab, seit der Kommissar für Justiz, Freiheit und Grundrechte in spe bei seiner Anhörung gleichgeschlechtliche Liebe als unmoralisch brandmarkte. Auf seine Politik habe das aber keine Auswirkung, weil er Homosexualität schließlich nicht als Verbrechen darstelle, sagte Buttiglione.

Konservative Weltsicht

Rocco Buttiligiones Versicherung, er werde niemanden wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligen und die europäischen Grundwerte verteidigen, geht in der Aufregung um den kantigen, manchmal unbequemen 56-Jährigen unter.

Sein Frauenbild erregte ebenfalls Widerspruch. "Die Familie besteht, damit Frauen Kinder bekommen können und den Schutz eines Mannes genießen, der sich um sie sorgt", beschreibt der Politiker seine Sicht der Ehe.

Seine angeblich abfälligen Äußerungen über alleinerziehende Mütter seien völlig aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert worden, behauptete Buttiglione nachdem ihm vor allem Grüne und Sozialisten vorhielten, er sei politisch unkorrekt und damit untragbar.

Angebliches Missverständnis

Dass sich der Vatikan schützend vor Buttiglione stellt und von einer neuen Christenverfolgung spricht, einer Inquisition, hat die Fronten in Brüssel noch verhärtet. Rocco Buttiglione selbst sieht sich als Verfolgten, als Opfer einer Hasskampagne. Das laizistische Europa habe allen Katholiken den Kampf angesagt, so seine These.

Jose Manuel Barroso in Berlin
José Barroso versucht zu schlichten und schränkt Buttigliones Aufgabengebiet einBild: AP

Auf Drängen des künftigen EU-Kommissionspräsidenten José Barroso hat Buttiglione den Rückzug angetreten. In einem Schreiben an Barroso, dessen ganze Mannschaft an Buttigliones Haltung scheitern könnte, zog der Italiener den Begriff Sünde im Zusammenhang mit Homosexualität zurück, wie José Barroso erläutert: "Ich glaube, ein Großteil des Problems ist darauf zurückzuführen, dass bestimmte Wörter wie Sünde benutzt wurden, die aus dem religiösen Bereich stammen. Die wurden jetzt plötzlich in der politischen Sphäre verwendet." Herr Buttioglione bedauere es, dass diese Frage zu Problemen geführt habe, sagte Barroso.

Grundsatzfrage

Ob das reichen wird, ist fraglich, denn längst geht es nicht mehr nur um die Äußerungen Buttigliones, sondern um das Prinzip. Wie viel Glauben darf ein EU-Kommissar nach außen tragen, wie strikt muss die Trennung von Kirche und Amt sein? Die französische Zeitung Libération schrieb, der weltliche Charakter der europäischen Demokratie müsse hervorgehoben werden. Fundamentalisten jeglicher Art, die ihre Moral über das Recht stellten, müssten abgewehrt werden. José Barroso versucht zu beschwichtigen, ohne die katholischen Länder in der EU, wie Italien, Polen oder sein eigenes Heimatland Portugal, zu verprellen.

Barroso entzog dem Papstvertrauten Buttiglione die Zuständigkeit für die Nichtdiskriminierung von Minderheiten. Das wird von den Buttiglione-Gegnern aber als bloße Kosmetik kritisiert. Ob diese Retouchen reichen, wird sich spätestens bei der Vertrauensabstimmung im Europäischen Parlament zeigen. Denkbar ist auch, dass der Italiener aufgibt. Denn - daran lässt Buttiglione keine Zweifel - seinen Glauben würde er niemals für politische Ziele opfern.