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Europäischer Balanceakt

Bernd Riegert8. Januar 2008

1992 wurde Slowenien nach Jahrzehnte langer sozialistischer Einparteienherrschaft unabhängig und erst 2004 trat es der Union bei. Da ist die Ratspräsidentschaft eine große Herausforderung, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW

An diesem Dienstag (8.1.2008) treffen EU-Kommission und slowenische Regierung zusammen, um die Aufgaben des nächsten Halbjahres zu besprechen. Hunderte Konferenzen müssen organisiert werden, die politischen Interessen der 27 Mitgliedsstaaten müssen unter einen Hut gebracht werden. Um das zu schaffen, hat die slowenische Mitte-Rechts-Regierung mit fast allen Oppositionsparteien eine Art Stillhalteabkommen vereinbart. Trotzdem wird die Ratspräsidentschaft die Regierung in Ljubljana innen- und außenpolitisch durchaus ein Balanceakt.

DW-Brüssel-Korrespondent Berdn Riegert, Quelle: DW

Denn zu Hause steht Sloweniens Regierungschef Janez Jansa unter Druck: Journalisten werfen ihm vor, er wolle die Medien gängeln. Die Regierung macht alte postkommunistische Seilschaften in den Medien und Wirtschaftsunternehmen für die Spannungen verantwortlich. Eine echte Aufarbeitung der Tito-Ära habe es nicht gegeben, klagt Außenminister Rupel, der damals selber Oppositioneller war. Viele Eliten blieben auch nach dem Übergang vom Kommunismus zur Demokratie an den Schalthebeln.

Engagement für den Balkan

In Slowenien wird in der zweiten Jahreshälfte gewählt. Und dieser Wahlkampf könnte die EU-Ratspräsidentschaft überschatten. Trotzdem gilt Slowenien als Musterschüler in der EU. Es hat alle politischen und wirtschaftlichen Vorgaben erfüllt: Seit 2007 bezahlen die Slowenen als erstes neues Mitgliedsland mit der Gemeinschaftswährung Euro, seit letztem Dezember sind sie Teil des kontrollfreien Reiseverkehrs im Schengenraum.

Außenpolitisch will sich Slowenien, schon wegen seiner eigenen Geschichte und geografischen Lage, auf die Lösung der Kosovofrage und die Heranführung der Balkanstaaten an die EU konzentrieren. Ministerpräsident Janez Jansa, selbst ehemaliger Häftling in einem jugoslawischen Gefängnis, setzt sich zum Verdruss mancher anderer EU-Politiker offen für eine einseitige Unabhängigkeit des Kosovo-Gebietes ein. Eine Rückkehr unter serbische Herrschaft sei unmöglich, argumentiert er.

Kosovo als Zerreissprobe

Die slowenische Ratspräsidentschaft hat bereits erkannt, dass sie keine einheitliche Haltung der 27 Mitgliedsstaaten zur Frage der Anerkennung eines Staates Kosovo erreichen kann, der von den Kosovo-Albanern aller Voraussicht nach in den nächsten Monaten einseitig ausgerufen werden dürfte. Das ist eine schwere außenpolitische Schlappe für die EU. Jetzt setzt Slowenien alles daran, dass die EU wenigstens die zivile Aufbaumission im Kosovo einstimmig beschließt. Erste Bewährungsprobe wird bereits das Außenministertreffen Ende Januar sein.

Slowenien hätte die Chance, das Verhältnis der EU zu Russland wieder ein wenig zu verbessern. Denn beim nächsten EU-Russland-Gipfel könnten die verschobenen Verhandlungen über ein neues strategisches Partnerschaftsabkommen aufgenommen werden, nachdem Polen nach dem Regierungswechsel seinen Widerstand aufgegeben hat. Mit dem dann neu gewählten Putin-Nachfolger gäbe es eine Chance zum Neuanfang, wäre da nicht das Kosovo-Problem, bei dem Russland und die EU keinen gemeinsamen Nenner finden können.

Annäherung an Serbien?

Mit Serbien sollte die EU unter slowenischer Präsidentschaft Beitrittsverhandlungen aufnehmen, wünscht sich Außenminister Rupel. Allerdings ist die vollständige Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag immer noch nicht gegeben.

Die sich dahin schleppenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wird Slowenien wohl Frankreich überlassen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy übernimmt im Juli die EU-Präsidentschaft. Er ist gegen die Mitgliedschaft der Türkei und will ein deutliches Zeichen setzen. Unter Sarkozy wird wohl auch eine Reform des umstrittenen EU-Haushalts angepackt werden. Die Slowenen befürchten, dass der umtriebige französische Präsident ihnen ein wenig die Schau stehlen könnte, denn der empfindet das erste Halbjahr der Slowenen wohl mehr als Einleitung für seine gloriose Präsidentschaft, die mit Sarkozys eigener Hochzeit beginnen könnte.

Interne Konflikte in der EU oder mit der EU-Kommission möchte die slowenische Ratspräsidentschaft möglichst klein halten oder geräuschlos beenden, denn in diesem Jahr sollen die Mitgliedsstaaten schließlich alle den Reformvertrag ratifizieren. Da wird gute Stimmung gebraucht.