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Karlspreis 2024 geht an Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt

19. Januar 2024

Während antisemitische Übergriffe zunehmen, wählt das Direktorium den Präsidenten der europäischen Rabbiner als Preisträger - um ein Zeichen zu setzen, "dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört".

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München Rabbiner Pinchas Goldschmidt
"Stolz, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen": Obberrabbiner Pinchas Goldschmidt (Archivbild)Bild: Leonhard Simon/Getty Images

Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, erhält den Karlspreis 2024. Gemeinsam mit ihm würden die jüdischen Gemeinschaften in Europa geehrt, teilte das Direktorium des Internationen Karlspreises zu Aachen mit.

Goldschmidt sei stets dafür eingetreten, dass in Europa Menschen unterschiedlichster religiöser und kultureller Herkunft ihren Platz finden. Immer wieder habe er sich für den jüdisch-christlichen und den jüdisch-muslimischen Dialog eingesetzt, heißt es weiter. So steht Goldschmidt schon länger im direkten Kontakt mit Papst Franziskus. Zuletzt traf er im November mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche zusammen, um über die aktuelle Situation im Nahen Osten zu beraten.

Erhalt des religiösen Friedens

Im Jahr 2015 war er Mitgründer des europäischen Muslim-Jewish Leadership Council (MJLC), dem sowohl jüdische als auch muslimische Würdenträger angehören. Zu den Zielen des MJLC zählen der Erhalt von Religionsfreiheit und religiösem Frieden sowie ein besseres wechselseitiges Verständnis zwischen den rund 1,5 Millionen Juden und den mehr als 40 Millionen Muslimen auf dem Kontinent.

Vatikan Papst Franziskus und Rabbiner Pinchas Goldschmidt
Brückenbauer zwischen Judentum, Christentum und Islam: Goldschmidt im Oktober 2022 bei Papst Franziskus im VatikanBild: Vatican Media/picture alliance

Goldschmidt wurde 1963 als Sohn einer jüdisch-orthodoxen Familie in Zürich geboren, verließ aber schon in jungen Jahren die Schweiz, um für seine Ausbildung zum Rabbiner nach Israel und in die Vereinigten Staaten zu gehen. Auf Bitten des israelischen Oberrabbinats und des Jüdischen Weltkongresses siedelte er 1989 in die Sowjetunion über. Nach deren Auflösung 1991 war er maßgeblich an der Restrukturierung der befreiten jüdischen Gemeinde beteiligt. 1993 wurde er schließlich zum Oberrabbiner von Moskau gewählt.

"Ausländischer Agent"

Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verließ Goldschmidt die Stadt im März 2022. Das Justizministerium hatte ihn zuvor als "ausländischen Agenten" eingestuft - was er laut israelischen Medien mit der Bemerkung kommentierte, er sei "stolz darauf, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen". Der verheiratete Vater von sieben Kindern hatte sich dem politischen Druck widersetzt, den russischen Krieg gegen das Nachbarland zu unterstützen.

München Eröffnung CER-Hauptquartier | Konferenz Europäischer Rabbiner
Neuer Standort: Eröffnung des Hauptsitzes der Europäischen Rabbinerkonferenz im September in München, rechts vorne Pinchas GoldschmidtBild: Leonhard Simon/Getty Images

Bereits im Juli 2011 war Goldschmidt zum Präsidenten der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) gewählt worden. Mit ihren über 700 Rabbinern ist die CER eine führende Stimme des Judentums in Europa. Im Herbst 2023 hatte die Konferenz ihren Hauptsitz von London nach München verlegt.

Mit Vertretern der europäischen Organe, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den nationalen Regierungen spricht der 60-Jährige regelmäßig über die Aktivitäten der jüdischen Gemeinschaft - aber auch über eine unverkennbare Bedrohung durch wachsenden Antisemitismus. Das Karlspreis-Direktorium erklärte denn auch, von der Auszeichnung solle die Botschaft ausgehen, "dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört und in Europa kein Platz für Antisemitismus sein darf".

Russland Moskau Roter Platz Kreml Basilius-Kathedrale
Politischer Druck: Als Oberrabbiner von Moskau - hier ein Archivbild, das den Kreml zeigt - verließ Goldschmidt 2022 RusslandBild: ALEXANDER NEMENOV/AFP/Getty Images

Seit dem Großangriff der Hamas auf Israel ist die Zahl der antisemitischen Straftaten auch in vielen Ländern Europas in die Höhe geschnellt. Am 7. Oktober hatten Hunderte Hamas-Terroristen israelische Grenzanlagen überwunden und Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Zugleich wurden Tausende Raketen auf Israel abgefeuert. Nach Angaben des israelischen Militärs fielen der Attacke mehr als 1100 Menschen auf eigenem Gebiet zum Opfer. Rund 240 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Bei darauf folgenden israelischen Angriffen wurden nach Zahlen der Hamas-Behörden mehr als 24.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen. Die militant-islamistische Hamas wird außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Verdienste um die europäische Einigung

Der Internationale Karlspreis zu Aachen wird seit 1950 für besondere Verdienste um die europäische Einigung verliehen. Aachener Bürger hatten den Preis auf Anregung des Unternehmers Kurt Pfeiffer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gestiftet. Die Auszeichnung ist nach Kaiser Karl dem Großen benannt, dessen Frankenreich sich im Frühmittelalter über weite Teile Westeuropas erstreckte.

Karlspreis zu Aachen | Wolodymyr Selenskyj
Karlspreisträger 2023: Wolodymyr Selenskyj (Archivbild)Bild: Federico Gambarini/AP Photo/picture alliance

Erster Preisträger war 1950 der Begründer der Paneuropa-Idee, Richard Graf Coudenhove-Kalergi. Mit dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi (1952), Bundeskanzler Konrad Adenauer (1954) und dem britischen Ex-Premier Sir Winston Churchill, der die Auszeichnung 1956 entgegennahm, gewann der Karlspreis innerhalb weniger Jahre großes Renommee in Europa. Im vergangenen Jahr wurde er an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verliehen.

jj/mak/stu (dpa, afp, epd, karlspreis.de)