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Karlspreis für Schulz

Alexander Drechsel14. Mai 2015

Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, ist in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden. Vom dem Festakt ging ein Signal zur Einheit Europas aus, das auch im Osten Europas gehört werden dürfte.

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Verleihung des Karlspreises 2015 an EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (li) mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (mi) und Bundespräsident Joachim Gauck (re) (Foto: dpa/picture alliance)
Mit Martin Schulz (li.) freuen sich NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Bundespräsident Joachim Gauck (re.)Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

"Was für ein großartiger Preisträger!" Bundespräsident Joachim Gauck lässt gleich zu Beginn seiner Rede keinen Zweifel aufkommen, dass er die diesjährige Wahl des Preiskomitees voll unterstützt. Und das deutsche Staatsoberhaupt steht mit dieser Ansicht nicht alleine da: Applaus brandet auf, sowohl drinnen im Festsaal des Aachener Rathauses als auch draußen, wo im strahlenden Sonnenschein Hunderte Menschen auf großen Bildschirmen die Vergabe des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen an Martin Schulz verfolgen.

Der Präsident des EU-Parlaments sei "ein herausragender Repräsentant für die Belebung der europäischen Demokratie" und habe "der europäischen Idee einen wichtigen Impuls verliehen", begründet das Komitee seine Entscheidung. Schulz selber vergleicht in seiner Rede Europa mit einem Haus, das nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden sei. "Ich will die Fenster und Türen des Hauses Europa öffnen, damit die Menschen hineinschauen können."

Vom Buchhändler zum Parlamentspräsidenten

Seit mehr als 20 Jahren sitzt der gelernte Buchhändler im Europäischen Parlament. Sein politischer Aufstieg und seine große Prominenz sind unauflösbar mit der Europäischen Union verwoben. Wie kaum ein anderer versteht er es, publikumswirksam und meinungsstark dem Parlament in Straßburg und Brüssel immer mehr politisches Gewicht zu geben. Schulz kämpft mit Leidenschaft gegen das Bürokratiemonster EU und das Brüsseler Raumschiff, das sich von der Lebenswirklichkeit vieler Bürger zunehmend entfernt hat.

Der heute 59-Jährige war es, der den in fast allen 28 Mitgliedsländern so ungeliebten Wahlen zum Europaparlament Aufmerksamkeit verschaffte und dessen Akzeptanz bei den Menschen vergrößerte. Seit rund einem Jahr bestimmen die Wähler auch, wer Chef der mächtigen EU-Kommission wird. Vorher hatten das die Regierungen der Mitgliedsstaaten hinter verschlossenen Türen ausgekungelt. Schulz selber war Spitzenkandidat der sozialistischen Fraktion, musste sich aber dem bürgerlichen Kandidaten Jean-Claude Juncker geschlagen geben. Heute sitzen Schulz und Juncker zusammen auf dem Ehrenpodium des Karlspreises im Aachener Rathaus und treten gemeinsam für Europa ein.

Verleihung des Karlspreises 2015 (Foto: Stadt Aachen/Andreas Herrmann)
Martin Schulz: Als Europapolitiker immer nah an den MenschenBild: Stadt Aachen/A. Herrmann

"Das hätte ich mir nie träumen lassen"

Schulz, der nur zehn Kilometer von Aachen entfernt aufgewachsen ist, wohnt noch heute mit seiner Familie in seinem Heimatort Würselen. "Mein Vater war Polizist, und als ich Kind war, wurde er jedes Jahr während der Verleihung des Karlspreises eingeteilt", erinnert sich Schulz vor dem Publikum. Seine Mutter sei mit ihm dann vor das Rathaus gegangen, wo seit 1950 Männer und Frauen für ihre Verdienste um Europa ausgezeichnet werden und nach der Preisvergabe von der Treppe aus den Menschen zuwinken. "Nie hätte ich mir träumen lassen, als Kind dieser Region selber einmal diese Auszeichnung zu bekommen."

Der Parlamentspräsident nutzt die Bühne, um vor den angereisten Staatsoberhäuptern der Ukraine, Litauens, Spaniens, Deutschlands, Frankreichs, Jordaniens, Finnlands und Schweiz sowie einigen Regierungschefs und Ministern aus dem In- und Ausland für die europäische Idee zu werben. "Europas Einheit ist die größte Leistung seit der Aufklärung!" In vielen Ländern werde Europa darum beneidet. Auf dem Maidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew etwa hätten die Menschen während der Revolution auch die europäische Flagge geschwenkt, sagt Schulz und blickt dabei auf Petro Poroschenko, den Präsidenten der Ukraine, der in der ersten Reihe der Ehrentribüne sitzt. Die Ukraine-Krise habe Europa enger zusammenrücken lassen. "Wir haben uns nicht auseinander dividieren lassen", ruft Schulz und erntet abermals Applaus.

"Für Europa und das Volk"

Wenig später steht Schulz mit den anderen Ehrengästen auf einer Bühne auf dem Marktplatz von Aachen. Jetzt ergreift auch Poroschenko das Wort: "Für mich als Präsident der Ukraine ist es eine große Freude und eine große Ehre, im Kreis der europäischen Familie an dieser Preisverleihung teilzunehmen." Heute kämpfe die Ukraine für die europäische Würde und dieser Kampf könne nur in Einheit gewonnen werden, ruft Poroschenko über den Marktplatz in das Bürgerfest hinein.

Hier hören ihm auch der Niederländer Michel Ebama und seine litauische Frau Egita zu. Sie sind mit ihrem zweijährigen Sohn extra nach Aachen gekommen und nun enttäuscht, dass Poroschenkos kurze Rede nicht mehr Widerhall bei den Menschen gefunden hat. "Es scheint so, dass die Leute nicht verstehen, was für schreckliche Dinge in der Ukraine vorgehen." Ebama befürwortet einen Beitritt des Landes zur EU: "Natürlich ist die Ukraine noch nicht bereit, aber wir sollten in einem Zeithorizont von zehn oder 20 Jahren denken."

Der Niederländer Michel Ebama und seine litauische Frau Egita mit Sohn bei der Verleihung des Karlspreises 2015 (Foto: DW/Drechsel)
Eine europäische Familie: Der Niederländer Michel Ebama und seine litauische Frau Egita mit SohnBild: DW/A. Drechsel

Das Bürgerfest hat auch Silvia Marincic angelockt. Sie steht hinter dem europäischen Gedanken. Nur mit Geschlossenheit könnten die Mitgliedsstaaten Russland oder den USA auf Augenhöhe begegnen. "Die Europäische Union ist immer ein bisschen theoretisch", schränkt sie ein. Aber Martin Schulz stehe für das Gemeinschaftliche. Marincic kennt Schulz noch aus seiner Zeit als Lokalpolitiker in Würselen. Jetzt aber, sagt die 43-Jährige, "macht er das, was er immer wollte: Er steht für Europa und für das Volk."