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Karlsruhe stärkt Rechte Homosexueller

19. Februar 2013

Schwule und Lesben in eingetragener Partnerschaft dürfen künftig ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren. Damit fordern die Verfassungsrichter für Homosexuelle die gleichen Rechte ein wie für Ehepaare.

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Gleichgeschlechtliches Paar mit Kind (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das bisherige Verbot der sogenannten "Sukzessivadoption" verstoße gegen das Recht auf Gleichbehandlung, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in seinem Urteil. Dabei geht es um Fälle, in denen einer der beiden Partner ein Kind adoptiert hat und der andere Partner zusätzlich Adoptivmutter oder -vater werden möchte. Auch schwulen und lesbischen Paaren in einer Lebenspartnerschaft müsse in diesen Fällen grundsätzlich eine Adoption möglich sein, so das höchste deutsche Gericht weiter.

Keine Bedenken wegen Entwicklung des Kindes

Die bisherige Regelung verletze sowohl die betroffenen Kinder als auch die Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Die Benachteiligung sei nicht dadurch gerechtfertigt, dass es sich um gleichgeschlechtliche Lebenspartner handele. Diese könnten "ebenso wie Partner in einer Ehe in dauerhafter rechtlicher Bindung für das Wohl des Kindes sorgen", sagte Kirchhof.

Karlsruhe stärkt Adoptionsrechte für Homo-Paare

Die zusätzliche Adoption durch den zweiten Partner sei dem Wohl des Kindes in der Regel zuträglich. Sie sei geeignet, "stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte zu entfalten", so Kirchhof weiter. Damit wies das Gericht vor allem Bedenken des Deutschen Familienverbands zurück, dass einem Kind das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schaden könne.

Neuregelung bis spätestens Juli 2014

Kirchhof wies ferner darauf hin, dass durch eine veränderte Gesetzgebung auf Grundlage des Gerichtsurteils die rechtliche Stellung des Kindes verbessert werde. Insbesondere profitiere ein Kind bei Unterhalt und Erbrecht von der doppelten Elternschaft.

Gegen die noch geltende Regelung hatten zwei Paare Klage eingereicht - unter anderen eine Ärztin aus Münster. Ihre langjährige Partnerin hatte 2004 ein Mädchen aus Bulgarien adoptiert. Doch den Wunsch der Ärztin, gleichfalls Adoptivmutter zu werden, hatten die Gerichte bisher abgelehnt.

Ferdinand Kirchof, Vorsitzender des Ersten Senats beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Foto:picture alliance / dpa)
Ferdinand Kirchhof, Vorsitzender des Ersten Senats beim Bundesverfassungsgericht, verkündet das UrteilBild: picture alliance / dpa

Für eine Neuregelung setzten die Richter eine Frist bis zum 30. Juni 2014. Das Gericht ordnete zudem an, dass eine "Sukzessivadoption" für eingetragene Lebenspartner ab sofort möglich ist. Dies sei wegen der ansonsten eintretenden "unzumutbaren Nachteile" notwendig.

Begeisterte Grüne kündigen Gesetzentwurf an

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte das Urteil: "Die heutige Entscheidung markiert einen historischen Schritt, um endlich Regenbogenfamilien in Deutschland auf ein umfassendes sicheres rechtliches Fundament zu stellen." 

Die Grünen reagierten begeistert auf das Urteil aus Karlsruhe. "Super", meinte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt im Kurznachrichtendienst Twitter. Fraktionschefin Renate Künast sprach von einem Sieg für die Kinder, denn diese seien jetzt auch rechtlich verbunden mit denen, die im Alltag schon längst ihre sozialen Eltern seien. "Familie ist da, wo Erwachsene Verantwortung übernehmen - egal, ob Hetero oder Homo", so Künast.

Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck hatte zuvor bereits einen Gesetzentwurf der Grünen zum Adoptionsrecht in homosexuellen Lebenspartnerschaften angekündigt. Der Entwurf werde vorsehen, dass Homosexuelle unter den gleichen Bedingungen wie Heterosexuelle auch als Paar ein Kind adoptieren könnten, sagte Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Abstimmung im Bundestag solle noch vor der Sommerpause stattfinden.

Reservierte Reaktion der Unionsparteien

Zurückhaltend auf das Karlsruher Urteil reagierte hingegen die Unionsfraktion im Bundestag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), wollte sich zunächst nicht zu dem Richterspruch äußern. Mit Blick auf das noch ausstehende Urteil der obersten Richter zum Ehegattensplitting von Homosexuellen sagte er aber: "Eine Tendenz Richtung Gleichstellung mag man ableiten. Ich will darüber aber nicht spekulieren." Teile der CDU würden das akzeptieren. Zwei Drittel der Delegierten beim CDU-Bundesparteitag im Dezember hätten aber dagegen gestimmt, die steuerliche Besserstellung von Ehepaaren auch homosexuellen Lebenspartnerschaften zu Gute kommen zu lassen.

Die Karlsruher Entscheidung betrifft übrigens nicht die Frage der gleichzeitigen, gemeinschaftlichen Adoption durch beide Lebenspartner. Auch hier gibt es Ungleichbehandlung: Ehepaare können gemeinsam Kinder adoptieren, Lebenspartner nicht. Ob diese Benachteiligung zulässig ist, ließen die Richter offen. Derzeit sind hierzu sind keine Verfahren in Karlsruhe anhängig.

sti/se (afp, dpa, epd, afp)