Karstadt vor dem Aus?
29. Mai 2009Betroffen sind vermehrt auch Unternehmen, die im hiesigen Binnenmarkt aktiv sind. So zum Beispiel die Kaufhauskette Karstadt, die kurz vor der Pleite steht. Bis zum 12. Juni muss der Mutterkonzern Arcandor, die frühere KarstadtQuelle-AG, einem Konsortium um die britische Royal Bank of Scotland, Bayerischer Landesbank und Commerzbank Kreditverlängerungen über 650 Millionen Euro abtrotzen.
Doch damit nicht genug, bis September müssen weitere 250 Millionen umgeschuldet werden. Zusätzlich braucht Arcandor noch in diesem Jahr rund 200 Millionen Euro, um mit dringend notwendigen Sanierungsarbeiten beginnen zu können. Ingesamt muss der Essener Handelsriese in den kommenden Monaten damit rund 1,2 Milliarden Euro auftreiben.
Es gibt viele Schuldige
Andernfalls sind mehr als 50.000 Arbeitsplätze bedroht. In der traditionsreichen Düsseldorfer Filiale stehen mehr als 400 berufliche Existenzen auf dem Spiel. Fragt man die Mitarbeiter nach den Verantwortlichen für dieses Desaster erhält man unterschiedliche Antworten. Für die einen sind die Banken schuld, für die anderen wiederum das Mangement, "die Herrschaften von ganz oben" eben. Häufig wird auch die Bundesregierung wegen ihrer allzu zögerlichen Haltung kritisiert.
Weniger strittig scheint aus Sicht von Karstadt hingegen die Frage zu sein, wie man kurzfristig aus der Krise kommen kann. Der Staat soll helfen und zwar mit einer Bürgschaft über genau die 650 Millionen Euro, die das Bankenkonsortium nicht ohne weitere Sicherheiten zur Verfügung stellen will. Für den Geschäftsführer des Düsseldorfer Karstadt, Christof Sattler, ist es völlig unstrittig, wer oder was die Schuld trägt an dieser existenzbedrohenden Krise. "Wenn es die Finanzkrise nicht gegeben hätte, hätte der Arcandor Konzern locker die Verlängerung von den Banken bekommen." Letztendlich scheitere eine schnelle Rettung vor allem daran, dass die Banken zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Garantien geben könnten oder wollten, fügt er hinzu.
Das Arcandor-Mangement hat versagt
Doch unabhängig davon mehren sich die Stimmen aus Expertenkreisen, die den Niedergang der Arcandor-Töchter Karstadt und Quelle auf Managementfehler zurückführen. Sie bemängeln, die Fusion der beiden Marken habe lediglich auf dem Papier stattgefunden. Vor allem der frühere Konzernchef Thomas Middelhoff habe es versäumt, sich um das eigentliche Geschäft zu kümmern. Außerdem seien klassische Warenhäuser wie Karstadt in Zeiten von Internethandel und großer Einkaufzentren mit vielen einzelnen Geschäften ein Auslaufmodell.
Eine Argumentation, der Christof Sattler aus eigener Erfahrung so nicht folgen kann: "Das kann ich so nicht erkennen, gerade auch unter dem sogenannten Convenience-Gedanken." Denn schließlich seien es doch gerade die klassischen Warenhäuser, die Kunden mit wenig Zeit ein komplettes und kompetentes Warenangebot unter einem Dach anbieten könnten. Viele von ihnen würden gerade das an Karstadt schätzen, stellt der erfahrene Kaufhauschef klar.
Kundenstrom fließt ungebrochen
Diese These lässt sich laut Sattler auch mit konkreten Zahlen belegen. Denn entgegen aller Unkenrufe würden die Geschäfte in seinem Düsseldorfer Karstadt trotz der Wirtschaftskrise nach wie vor gut laufen. Tagtäglich strömten um die 20.000 Kunden in das 1952 eröffnete Kaufhaus. Eine Innenstadt ohne das Traditionsunternehmen könnten und wollten sich viele Düsseldorfer nicht vorstellen, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Damm: "Von der Kundschaft gibt es eine sehr große Resonanz. Viele sind bestürzt!“ Mehr als 5000 haben sich innerhalb weniger Tage in Unterschriftslisten eingetragen.
Nun liegt also vieles oder vielleicht sogar alles in den Händen der Bundesregierung. Wird sie sich bis zum Stichtag am 12. Juni, auch wenn die Schieflage bei Karstadt nur indirekt auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen ist, dazu durchringen können, die erhoffte 650-Millionen Bürgschaft zu übernehmen oder nicht? Geschäftsführung und Belegschaft sind auf jeden Fall dazu bereit, alles dafür erforderliche zu tun. Und so gibt sich Betriebsrat Damm betont optimistisch: "Ja, ich glaube an die Zukunft, vor allem wenn ich sehe, dass sich Politiker, die sich mehr oder weniger schon abgewandt hatten, jetzt doch gesprächsbereit zeigen.“ Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier jedenfalls kritisierte am Wochenende gegenüber der "Bild am Sonntag" die Forderung der Union, wonach sich der Staat aus der Krise bei Arcandor heraushalten solle. Immerhin gehe es um 50.000 Arbeitsplätze, sagte er. Er spreche derzeit mit dem Arcandor-Konkurrenten Metro sowie mit Karstadt. Notwendig sei ein Zukunftskonzept, das "lebensfähige Kaufhäuser und lebendige Innenstädte" erhalte, sagte der Außenminister.
Autor: Frank Gazon
Redaktion: Wim Abbink