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Politik

Katalonien: Madrid droht mit Machtübernahme

Barbara Wesel
16. Oktober 2017

Kataloniens Regierungschef Puigdemont ignoriert das Ultimatum aus Madrid und will reden. Aber Premier Rajoy bleibt hart und fordert die Rücknahme der Unabhängigkeitserklärung. Aus Barcelona berichtet Barbara Wesel.

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Spanien PK Mariano Rajoy zu Katalonien
Bild: Reuters/S. Perez

Mariano Rajoy ist kein bisschen kompromissbereit. Er hat der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung von Anfang an die kalte Schulter gezeigt und bleibt konsequent. Weil Carles Puigdemont ihm am Montagmorgen einen vagen Brief mit der Bitte um Gespräche geschickt hat, schreibt Rajoy zurück:"Es geht nicht darum, Katalonien die Selbstverwaltung zu nehmen, sondern zur Legalität zurück zu kehren." Aber die Drohung ist eindeutig: Am Donnerstag wird der Artikel 155 der Verfassung angewendet, 

Letzte Frist bis Donnerstag

Am Donnerstag um 10.00 Uhr verstreicht die letzte Nachfrist, die Madrid der Regionalregierung gesetzt hat. Wenn Puigdemont bis dahin nicht die halbgare Unabhängigkeitserklärung vom vergangenen Dienstag zurück nimmt, tritt ein, was man in Spanien die "nukleare Option" nennt. Madrid stellt dann fest, dass die Regierung in Barcelona durch ihre Sezessionsbewegung die Grundsätze der Verfassung bricht. Im nächsten Schritt übernimmt die Zentralregierung die Geschäfte in der katalanischen Hauptstadt und setzt eine Art Interimsregierung ein. Darauf folgen Neuwahlen, die voraussichtlich das politische Ende von Carles Puigdemont bedeuten werden.

Spanien Todestag Lluis Companys- Carles Puigdemont
Unter Druck: Carles PuigdemontBild: picture-alliance/AP/dpa/M. Fernandez

Es ist das erste Mal, dass der Artikel 155 in Spanien angewendet wird. Wie im Einzelnen die Regierung ihn auslegt, muss noch beschlossen werden. In Barcelona sind sich die meisten auch noch nicht klar darüber, was das bedeutet und wie man reagieren soll. Vorerst ist die Lage ruhig, die Bürgerplattformen haben noch nicht zu neuen Massendemonstrationen aufgerufen.

Die Linke fühlt sich betrogen

Die linke CUP aber, die kleine Partei, die Puigdemont bisher im Parlament unterstützt und seine fragile Mehrheit gesichert hat, ist wütend. Der Abgeordnete Benet Salellas fordert, die Unabhängigkeit sofort zu erklären:"Wenn wir das nicht wagen, nimmt uns international niemand ernst und sie werden in Madrid nicht ernsthaft mit uns reden". Man müsse das jetzt schnell machen und die Republik Katalonien ausrufen, und zwar in den nächsten zwei Tagen bevor der Artikel 155 angewendet wird. Aber ob sie wegen der unklaren Haltung von Carles Puigdemont ihm jetzt politisch den Teppich unter den Füßen wegziehen lassen, sei vorerst offen. Nach den dramatischen Gefühlen und dramatischen Szenen der vergangenen zwei Wochen scheint überall eine Art Ernüchterung einzusetzen. 

Aufgestauter Frust

Am Mittag kommt ein Regierungsangestellter aus dem Gouverneurspalast auf der Placa San Jerma, geht an der Reihe von wartenden Kamerateams aus aller Welt vorbei und äußert seine ganze Frustration über die Lage. Er unterstützt die Unabhängigkeitsbewegung vehement, weil Barcelona schon seit sieben Jahren versucht habe, Madrid zu einem legalen Referendum zu bewegen. "Wir sehen sie als unsere Unterdrücker, sie haben unseren Etat immer weiter gekürzt, wir können so nicht weiter machen", sagt Felipe, der seinen Namen nicht preis geben will.

Spanien Barcelona Referendum über Unabhängigkeit - Polizeieinsatz in Barcelona
Das drohende Szenario: Die spanische Polizei sichert Barcelona gegen Separatisten und Regionalregierung abBild: picture-alliance/newscom/UPI/A. Garcia

Wenn jetzt Madrid aber mit dem Artikel 155 kommt, dann werde Barcelona kämpfen, sagt Felipe. Denn wenn Madrid im Handstreich die Regierung übernimmt und eine eigene Verwaltung einsetzt, würde niemand mit ihnen zusammen arbeiten. Das würde dann nur zu mehr Widerstand und Wut führen. "Wir haben ein Punkt erreicht, wo es kein Zurück mehr gibt".

Wirtschaftliche Ängste

Anton Alvarez arbeitet in einer Bar in der Nähe des Regierungspalastes und sieht die Dinge ganz anders. Was ihn umtreibt ist vor allem Angst vor den wirtschaftlichen Folgen. "Wir sehen wie weniger Touristen kommen und die Geschäfte nachlassen. Ich habe Angst, dass wir wieder zurückfallen in die Krise der vergangenen Jahre". Das ist ein Gefühl, dass viele Katalanen dieser Tage umtreibt: Die Ankündigung von Unternehmen, ihre Niederlassungen nach Madrid zu verlegen, hat viele aufgeschreckt. In den vergangenen Tagen wurde klar, welche Konsequenzen der Traum von der Unabhängigkeit haben könnte. Hoteliers in Barcelona klagen bereits über fallende Besucherzahlen.

Anton will durchaus, dass die Katalanen eine Chance zur Abstimmung bekommen, das sei demokratisch richtig. Aber er ist gegen Straßenschlachten mit der Polizei und den Versuch, die Unabhängigkeit mit Gewalt zu erzwingen. Die Drohung aus Madrid, die Macht in Barcelona zu übernehmen, schreckt ihn aber nicht wirklich:"Die Medien und die Politiker treiben immer alles auf die Spitze. Am Ende wird es nicht so schlimm wie wir denken", hofft er.